Olaf Sandkämper

Enophasia


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vor Lachen. Aber dieses Lachen war nicht echt, und außer ihm lachte keiner.

      „Abgestürzt in einem Feuerwerk“, dachte Simnil, „genauso wie die Raubkatzen.“ Er schaute Morgenröte und Silberstreif an und sah, dass die beiden genau dasselbe dachten.

      „Wer ist denn dieser Rabak?“ fragte er. Morgenröte antwortete. „Rabak ist ein Zauberer, der im schwarzen Schloss in den Bergen lebt. Er ist ein bisschen wunderlich und ehrlich gesagt kein guter Zauberer, wie du ja gerade selbst gehört hast. Wir hatten nie viel mit ihm zu tun und die meisten von uns haben ihn auch noch nie zu Gesicht bekommen. Er lebt für sich und hat uns immer in Ruhe gelassen.“

      „Habt ihr ihn in letzter Zeit mal gesehen?“, fragte Simnil Morgenröte. „Nein, schon lange nicht mehr. Wer weiß, ob es ihn überhaupt noch gibt.“

      Nebelstreif ergriff wieder das Wort. „Ihr habt nun gehört, was mir Silberstreif berichtet hat. Die Frage ist jetzt, was wir tun können, um die Finsternis zu vertreiben.“

      „Wir könnten uns mit den Elfen beraten“, sagte eine ältere Stute, die Mitglied des Rates war. „Mit ihren Zaubersprüchen und unserer Magie…“

      „Das ist eine gute Idee, Weißrose!“, fiel Blauhorn ihr ins Wort. Die alte Stute bedachte diese Unverschämtheit des Hengstes mit einem giftigen Blick. Aber dieser ließ sich nicht davon beeindrucken und fuhr einfach fort: „Wie ihr wisst, feiern Sie heute ihr alljährliches Blütenfest. Ich selbst wollte sie heute aus diesem Anlass besuchen und bin gerade erst zurückgekommen. Aber ich habe niemanden angetroffen. Es sind keine Elfen mehr da. Wir sind allein!“

      Rabak vom Schwarzen Schloss

      Im Westen des Landes lag das Graue Gebirge, deren Ausläufer bis an die Wälder Enophasias heranreichten. Auf einem dieser gezackten Bergkämme thronte düster und unheilvoll das Schwarze Schloss. Uneinnehmbar war es aus dem ersten hohen Berg heraus gemeißelt worden und es schien so, als blicke es bedrohlich auf das Land herab. Es lag so dicht an den Wäldern, dass man vom Waldrand aus sogar die Zinnen erkennen konnte.

      Obwohl es draußen noch heller Tag war, brauchte es hier im Inneren Fackeln, damit man wenigstens etwas sehen konnte. Ihr Flackern erzeugte ein gespenstisches Licht, das durch die Kahlheit der Räume noch verstärkt wurde. Kein Teppich oder Vorhang, keine Sessel oder Holzmöbel zierten das Innere. Hier gab es nur schwarzen Stein.

      Dies war ein düsterer Ort. Und der Mann, der alleine in einem riesigen Raum mit gewölbten Decken auf seinem Thron saß, war es ebenso. Sein kahler Kopf und sein kurzer schwarzer Vollbart verstärkten diesen Eindruck noch. Seine schmale und gebogene Nase und die stechenden Augen erinnerten an einen Raubvogel. Als Kleidung diente ihm die weite, schwarz glänzende, aber schlichte Robe eines Magiers der dunklen Künste. Er starrte gebannt in das Kaminfeuer, das auf der anderen Seite in diesem hohen und weitläufigen Thronsaal brannte, aber kaum Wärme spendete. Das Flackern der Lichter gab ihm ein wahrhaft dämonisches Aussehen.

      Kalt war es hier, doch das spürte er kaum. Zu seiner Rechten stand ein Dreibein, in dem oben statt einer Schale eine Kugel eingelassen war, die ein schwaches, gelb pulsierendes Licht verströmte.

      Ungeduldig wartend stand er immer wieder auf und ging hinaus auf den großen Balkon zu seiner Linken.

      Immer wieder suchten seine Augen den Himmel ab. Für den großartigen Ausblick auf das Bergpanorama hatte er keinen Blick übrig.

      Nachdem er so etliche Male zwischen Thron und Balkon ruhelos hin und her gewandert war, hörte er endlich das ersehnte Geräusch.

      Zunächst war es nur ein leises Rauschen, das aber schnell lauter wurde und schließlich in ein lautes Brausen überging, als etwas direkt über das Schloss hinweg flog. Dann wurde das Geräusch zunächst etwas leiser und nahm dann wieder an Lautstärke zu. Dieses Etwas schien eine weite Schleife zu fliegen und landete schließlich mit lautem Flügelschlag draußen auf dem nackten Fels etwas oberhalb des Balkons, auf den nun kleine Felsbrocken und Steine kullerten.

      Der Mann hatte wieder seinen Platz auf dem Thron eingenommen und schaute nicht einmal hinüber.

      „Hast du, was ich begehre?“, fragte er heiser.

      „Nein Meister, ich habe sie verloren!“

      Es war eine brummende, unnatürlich tiefe Stimme, die diese Worte sprach.

      „Gibt es Neuigkeiten vom Nest?“, fragte der Magier weiter.

      „Nein nichts“, war die Antwort.

      „Und was gedenkst du nun zu tun?“, fragte der Mann mit unverhohlenem Ärger in der Stimme.

      „Was immer der Meister sagt, wird ausgeführt“, war die nervöse Antwort.

      Der „Meister“ war zornig. Trotzdem grinste er. Dieses Wesen dort draußen war riesig, stark und voller Macht. Trotzdem hatte es Angst - Angst vor ihm. Das gefiel ihm und so sagte er gefährlich ruhig: „Fliege direkt in das Herz von Enophasia! Dort wirst du finden, was ich suche!“

      Einen Augenblick war es still, so als hätte es der Kreatur dort draußen die Sprache verschlagen. Dann sagte sie zögerlich: „Dorthin kann ich nicht fliegen. Die Elfen werden mich entdecken und mich mit ihren Sprüchen vernichten!“

      „Um die Elfen brauchst du dir keine Sorge mehr zu machen. Diese Problem habe ich für dich gelöst“, grinste der Mann und tätschelte vielsagend die leuchtende Kugel.

      „Wenn du so mächtig bist, warum gehst du dann nicht selbst?“, fragte das Wesen fast trotzig.

      Da war es um die Beherrschung des Mannes auf dem Thron geschehen. „Wenn ich selber gehen soll, wozu brauche ich dich dann noch?“ schrie er das Wesen an. „Es hat mich kaum Mühe gekostet dich zu erschaffen. Dich zu vernichten, ist noch viel einfacher für mich!“

      Wenn er selbst dort hinginge, würden ihn die Einhörner bemerken, noch bevor er auch nur eines von ihnen zu Gesicht bekäme. Gegen ihre Magie war er machtlos, aber das musste er diesem Geschöpf dort draußen ja nicht auf die Nase binden.

      Er wechselte daher abrupt das Thema und fragte: „Was ist mit den großen Katzen?“

      „Die Einhörner haben sie alle vernichtet“, antwortete die tiefe Stimme, unsicher, wie der Magier diese weitere, schlechte Nachricht aufnehmen würde.

      Der Mann auf dem Thron zog einen Beutel aus seiner Robe und sagte nur: „Das macht nichts. Du bekommst neue. Denke aber daran, dass den beiden Fohlen kein Haar gekrümmt werden darf, Drakon!“

      Die Katzen hatten einen eigenen Willen und waren bislang bei jedem Angriff darauf aus gewesen, die Einhörner zu töten. Aber das behielt Drakon lieber für sich. Er zweifelte daran, dass die neuen Katzen ihre Aufgabe besser erledigten und fragte: „Meister, warum müssen es von allen Einhörnern ausgerechnet diese beiden sein?“

      „Weil sie in der Lage sind, den Pegasus zu rufen!“, war die Antwort. „Und wenn sie das tun, ist es aus mit uns!“

      „Dann müssen die beiden so schnell wie möglich vernichtet werden!“, brummte die Stimme.

      „Nein!“, antwortete der Zauberer entschieden. „Noch wissen die beiden nicht, dass sie dazu in der Lage sind. Wenn ich die Fohlen in meine Gewalt bekomme, werden sie den Pegasus rufen, wenn ich es will. Und dann werde ich ihn auslöschen und auf ewig die Macht in Enophasia besitzen!“

      Bei diesen letzten Worten war er erregt aufgesprungen und schrie fast dabei. Dann besann er sich, sah auf den Beutel in seiner Hand und sagte tonlos: „Hier, nimm. Und versage nicht wieder.“ Mit diesen Worten warf er den Beutel über die Brüstung des Balkons.

      Es gab ein hässliches, schabendes Geräusch, als kratzten mächtige Klauen über den Fels und ein riesiger, schwarzer Schatten stürzte am Balkonfenster vorbei in die Tiefe. Für einen Augenblick sah man einen großen Kopf mich langen Zähnen und bösen, gelben Augen. Mächtige, lederartige Schwingen verdunkelten für einen Moment den Raum und noch mehr Steine