Lotta Liebich

Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen


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Emaileinstellungen sehr viel kleiner gehalten war, als bei den Kurznachrichten ihres mobilen Telefons, hatte bislang jedoch nicht herausgefunden, wie sie diese ändern konnte.

      Kaum dass sie sich das silberne Designergestell auf die Nase geschoben hatte, versenkte sie nun neugierig den Blick in den Text auf dem Bildschirm.

      »Hallo Emma, auch wenn ich diesmal keinen Grund habe anzurufen, um mich für mein gewohnt miserables Timing zu entschuldigen, habe ich gerade jetzt das Bedürfnis mich bei Ihnen zu melden. Ich möchte Sie nur fragen, wie es Ihnen geht.

      Bald werde ich für meine Firma wieder Ihre Hilfe in Anspruch nehmen müssen und darf dann Ihr Büro aufsuchen. Glauben Sie, wir schaffen es endlich, uns zu sehen?

      Nachdem wir schon einige Male miteinander gesprochen haben, würde ich so gern auch privat `Hallo´ sagen oder `Gute Nacht´.

      Wäre es Ihnen arg unangenehm, mir Ihre Mobilfunknummer zu geben? Nur zu diesem Zweck, versprochen, nicht um Telefonterror zu treiben :) Oder vielleicht doch! ;) Tja, dieses Risiko müssten Sie in Kauf nehmen.

      Jedenfalls schicke ich sicherheitshalber meine eigene Nummer, es könnte ja sein, dass es Ihnen lieber ist, wenn Sie mich stalken können *lacht*.

      Im Anhang finden Sie meine digitale Visitenkarte.

      Viele Grüße von Paul Berger«

      Ein breites Grinsen legte sich auf Emmas Gesicht und sie spürte, wie es ihr die Hitze in die Wangen trieb.

      Sie griff nach ihrem Mobiltelefon, öffnete die Kontakte und gab unter dem Namen Paul seine Nummer ein. Längere Zeit starrte sie auf die Ziffern, unsicher, ob sie ihm tatsächlich gleich schreiben, oder doch noch etwas abwarten sollte.

      Emma entschied sich dazu, zunächst nur die E-Mail zu beantworten und ihm noch ein klein wenig die eigene private Telefonnummer vorzuenthalten. Neben einem lachenden Smiley bedankte sie sich und wünschte ihm, von wildem Herzklopfen begleitet, einen schönen Tag.

      Auf ihre Antwort hin schwieg er sich aus, was verständlich war in Anbetracht dessen, dass sie ihn, für den Moment zumindest, abgewürgt hatte. Doch wenn es eine Regel im Umgang mit potenziellen Verehrern gab, dann diese, dass sich eine Frau zu Anfang unnahbar geben sollte. Dass sie sich nicht wie ein erlegtes Reh dem Kerl vor die Füße schmeißen durfte. Damit nämlich würde sie seinen naturgegebenen Jagdtrieb gleich von vorneherein im Keim ersticken. Ein Fehler, ein wirklich dummer Fehler wäre das, redete sie auf sich ein.

      In der Theorie war dies Emma schon bewusst. Leider hatte sie es in der Vergangenheit nicht geschafft, sich an diese banale Regel zu halten. Natürlich wollte sie sich erkämpfen lassen, doch genau das ging ihr gewohnheitsgemäß zu langsam vonstatten. Letztlich endeten ihre frischen Beziehungen schnell damit, dass sie in einer Art Nacktschneckenmanier dem gelangweilten Kerl hinterherrutschte und kaum etwas anderes erntete als seine Schuhsohle, die sich auf ihren verletzlichen Leib presste.

      Sie mochte schon gar nicht mehr darüber nachdenken, wie es ihr erginge, falls es diesmal wieder so enden würde. Tatsache war, dass es das nicht musste, solange sie sich nur beherrschte, nicht sofort in die Tastatur des Telefons zu hauen.

      Emma schlug hämmernd mit dem Bleistift auf die Schreibtischplatte, sah letztlich auf den zweckentfremdeten Holzstängel und patschte mit der anderen Hand darauf. Ruhe kehrte ein und mit dieser drängte sich ein seltsames Rauschen in den Ohren in den Vordergrund.

      Es war wie verhext, denn als sie weiter auf seinen Namen in der Kontaktliste schaute, konnte sie aus dem Augenwinkel heraus ihren Zeigefinger dabei beobachten, wie er kreuz und quer auf den Tasten ihres Telefons herumfuhrwerkte und letztlich, ohne Emmas willentliches Dazutun, löste dieser auch schon den Sendeknopf aus. Nur einen Moment später bereits, stahl sich gespiegelt die geschriebene Kurznachricht auf ihre schreckensgeweiteten Pupillen: »Hallo. Hier nun also meine Nummer. Gruß von Emma«

      Sie schlug sich die flache Hand gegen die Stirn, verließ eilig das Programm, schaltete das Display aus und legte das Gerät vor sich auf dem Schreibtisch ab.

      Minutenlang tat sich nichts, selbst wenn sie fast schon mit hypnotischem Blick den dunklen Bildschirm betrachtete und diesen in Gedanken beschwor, endlich aufzuleuchten.

      Emma saß nur da, klemmte weiterhin die inzwischen blutleeren Hände auf dem Sitz unter den Po, wippte dazu nervös mit den Füßen und wartete ungeduldig auf das ersehnte Lebenszeichen.

      ***

      Nach diesem mehr als bescheidenen Tag freute sich Isabelle darauf, endlich ihre neuen hochhackigen Pumps ausführen zu können, selbst wenn der Winter sich noch eisern am April festklammerte.

      Emma wartete bereits am Eingang vor dem Taverna auf sie, als Isabelle in ihren dicken Wintermantel gehüllt, die schlanken, inzwischen tiefgefrorenen Beine stöckelnd die schneebedeckten Stufen hinaufjagte, darauf bedacht, nicht mit den glatten Sohlen auszurutschen und auf dem Po zu landen.

      Sie lachte winkend, als sie die zierliche Gestalt mit der roten Strickmütze auf dem Kopf erkannte.

      Emma hüpfte auf und ab und ihr braunes, schulterlanges Haar, das seitlich aus der Mütze hing, peitschte ihr dabei ins Gesicht.

      Arm in Arm betraten sie die Bar, gingen zielstrebig an der Theke vorüber und nahmen an einem Zweiertisch Platz, abseits vom Gedrängel im vorderen Bereich. Es roch verlockend nach frischgebackenen Baguettes, nach Käse und gebratenem Schinken und auch wenn Isabelles Geruchs- und Geschmacksnerven ein bisschen verkorkst waren, raubte ihr dieser intensive Duft fast die Beherrschung. Sie schüttelte unmerklich den Kopf, redete gedanklich vehement auf sich ein, sich weiter an die knallharten Vorgaben der Proteindiät halten zu müssen und diese nicht mit diesem Teufelszeug zu versauen. Es gab kein Schwächeln, wo sie sich doch vorgenommen hatte, bald wieder in das 34-ger schwarze Knappe zu passen, das mit dem Rückenausschnitt bis zur Taille, einfach umwerfend sexy aussah.

      Hier saßen sie nun also, fernab von all den Frauen, die in ihren Miniröcken und bauchfreien Tops oder in hautengen Jeans umher flanierten und sichtlich dabei froren. Jene, die mit auf toupiertem Haar und knallrot geschminkten Lippen die Männer an der Theke in Augenschein nahmen.

      Die Kerle dagegen lutschten nichtsahnend allein oder auch zu zweit jeweils an einem Bierglas und wussten nicht, dass sie von beziehungshungrigen Damen bis auf die Nieren durchleuchtet wurden.

      Einige Minuten später bereits hatten Emma und Isabelle ihre Getränke bestellt. Ganz bewusst sahen sie nicht zum Nachbartisch, auf dem zwei prallgefüllte Teller mit herrlich duftenden Nudelgerichten bereitstanden. Natürlich nicht für sie. Vielmehr für die beiden üppigen Frauen, die sich enthusiastisch darüber hermachten, kaum dass die Speisen vor ihnen abgestellt worden waren.

      »Hast du Jezna und Leni angerufen?« Emma fuhr mit der Fingerspitze am Rand ihres Glases entlang und griff beherzt nach dem Holzstäbchen darin, auf dem zwei Cocktailkirschen aufgespießt lagen.

      Isabelle nickte derweil zur Antwort.

      »Hascht du schie denn auch erreicht?« Genüsslich kaute Emma auf den süßen Früchten.

      »Ja, Leni hat mir geschrieben, dass sie heute länger an einem Exposé arbeiten muss und Jezna ist krank. Magen-Darm-Grippe hat sie gemeint«, gab Isabelle zurück. Sie lenkte den Blick vom leeren Cocktailkirschenstäbchen ihrer Freundin auf das Eigene im Glas, und spielte damit, in dem sie es wie einen Kartoffelstampfer auf und ab bewegte, bevor sie ebenfalls eine der Früchte genüsslich mit den Schneidezähnen herunterzuziehen versuchte. Sie tat dies völlig ohne Reue, schließlich war an den Kirschen kein Gramm Fett.

      Eine davon stürzte ab und landete platschend auf ihrem Schoß. Grimmig griff Isabelle mit den Fingerspitzen danach und stopfte sie sich kurzerhand in den Mund.

      »Dieser Paul …«, Emma stockte kurz und sah ihrer Freundin direkt in die Augen. »Naja, er hat mich heute nach meiner Telefonnummer gefragt.« Blöd vor sich hin grinsend lenkte sie den Blick zurück auf den halbleergetrunkene Cocktail und überlegte, wie sie fortfahren konnte.

      »Moment, dieser Kunde von dir? Ja und?« Isabelle legte die Handflächen auf