Lotta Liebich

Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen


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gegeben. Er gab mir aber seine.«

      »Gut gemacht, Süße.« Zufrieden lächelte Isabelle, stutzte jedoch, als ihr Emma mit dem Blick auswich: »Hm!«

      »Was bedeutet das jetzt, dieses Hm?« Die Freundin zog die Augenbrauen hoch.

      »Ich konnte es mir nicht lange verkneifen, ihm zu schreiben, darum hab ich ihm dann doch irgendwie meine Nummer gegeben und ganz schnell kam seine Antwort. «

      »Ach, irgendwie hast du ihm etwas geschrieben?« Verschmitzt musste Isabelle grinsen.

      »Warte kurz …« Emma kramte ihr Mobiltelefon hervor, drückte mit dem Daumen einige Tasten und hielt das Display direkt vor die Augen der Freundin, die nun leise die bedeutungsvollen Worte las. Tonlos bewegte sie dazu die Lippen und lächelte. »Voll süß! Hast ihm darauf auch schon geantwortet?«

      »Nein, noch nicht. Damit lass ich mir Zeit. Er soll nicht meinen, dass ich auf seine Anrufe und Nachrichten warte.«

      »Na hör mal, wenn er so heiß darauf ist, deine sexy Stimme zu hören, wie er schreibt, dann darfst du schon nochmals reagieren und ihn vielleicht sogar anrufen.«

      Eine junge Frau mit vollbeladenem Tablett trat an den Tisch, musterte kurz die Gläser und ging freundlich lächelnd weiter.

      Isabelle sah ihr hinterher, betrachtete die langen, schlanken Beine, die sich unter der knöchellangen Schürze deutlich abzeichneten, und stöhnte leidend. Sie zwang sich den Blick abschweifen zu lassen, fuhr an den Gästen entlang, die sich an der Theke eingefunden hatten bis ganz nach vorn, wo gerade die Eingangstür aufgeschoben wurde. Ohne den Kopf abzuwenden, schoss ihre Hand über den Tisch, stieß mit ihr den Ständer der Speisen- und Getränkekarte um und schlug dann beherzt auf den Unterarm ihrer Freundin. In einer nickenden Bewegung wies sie mit Kinn auf drei Männer, die soeben das Lokal betraten.

      »Hey, die kenne ich …«, Emma lehnte sich weiter vor, » … ja klar, kenne ich die. Naja, zumindest zwei davon. Beide sind Polizisten, Kollegen von meinem Exmann.«

      Isabelles Interesse war nun erst recht geweckt: »Männer in Uniform, grrrr.«

      Die Neuankömmlinge gingen langsam den Gang entlang und stellten sich in eine Lücke an der Theke, wo sie sich bald schon mit Pilsgläsern in den Händen haltend, angeregt miteinander unterhielten.

      »Kennst du den da auch?« Isabelle spürte bereits das Ziehen in ihrem Genick, weil sie permanent in angespannter, verdrehter Position verharrte, nur um die Gruppe weiter zu beobachten.

      »Welchen?«

      »Na, den Blonden«, sie grinste Emma zu, griff sich an den Nacken und massierte sich.

      »Den rechts meinst du? Das ist Alfons. Ein Ex-Kommissar.«

      »Nicht der, den ganz links meine ich, den kleinen Jüngeren!«, widersprach Isabelle.

      »Nö, den kenne ich nicht.«

      »War ja wieder klar. Ach Mist!«

      ***

      Jezna fegte mit der Hand den Wulst voll geschnäuzter Papiertaschentücher zur Seite und tastete nach ihrem Nasenspray. Egal, wie oft sie auch mit diesem pumpte und die Flasche dabei in alle erdenklichen Richtungen drehte, sie anhob oder absenkte, es wollte sich kein einziger Tropfen mehr daraus hervorbringen lassen: »Verdammter Mist!« Kreischte sie näselnd.

      »Mit drei Kerlen treffe ich mich ...«, sie besann sich kurz: »Mit zwei Kerlen treffe ich mich und wer ist davon da, wenn ich einen brauche? Nix ... Keiner.« Ihre Stimme klang heißer.

      Jens, die jüngste Eroberung nach Stefan, Holger und Richard, erwies als kaum sextauglich, weshalb er bereits nach wenigen Tagen seinen eigenen Weg gehen musste.

      Es blieben noch Patrick, mit dem es schon verhältnismäßig lange anhielt, eben das, was sie auch immer zueinander unterhielten und Tobias. Bei beiden war es aber auch nur eine Frage der Zeit, wann Jezna sie, wie alle anderen überhatte und zum Teufel jagte.

      Sie spürte ein Vibrieren, begleitet von einem aufdringlichem Glockenklang und Jezna wühlte zwischen den ganzen Kissen und der Wärmflasche nahe ihres Hinterns, um von dort das Mobiltelefon zu Tage zu fördern. Beim Melden zog sie ein gequältes Gesicht, was sich unweigerlich in der Stimme widerspiegelte: »Jaaa?«

      »Hey Maus, wie geht's dir?« Leni kannte die Phasen, wenn ihre Freundin krank auf der Couch lag und mit sich und aller Welt haderte. Deshalb bemühte sie sich, besonders besorgt zu klingen.

      »So schlecht fühle ich mich und keiner ist da und kocht mir Suppe.«

      »Ich wäre ja gern gekommen, musste heute aber noch etwas für meinen Verlag fertigmachen. Hat sich Isa bei dir gemeldet?«

      Jezna schnäuzte sich lautstark die Nase und brummte in das Taschentuch: »Ja, hat mich angerufen, weil sie wollte, dass ich ins Taverna komme. Isa hat gleich gemerkt, dass mit mir, mit meinem verkorksten Durchfallbauch und der Erkältung nichts anzufangen ist.« Sie hustete heftig.

      »Mir haben beide Mädels heute geschrieben. Unsere Emma freut sich höllisch, weil ihr Kunde Paul jetzt auch privaten Kontakt haben möchte.«

      »Ja, ja, Paul Berger. Sie hat mir schon öfters von ihm erzählt und ich bin gespannt was passiert, wenn sich die beiden das erste Mal gegenüberstehen.« Jezna rotzte lautstark, bevor sie fortfuhr: »Vielleicht bepisst sich Emma ja vor Begeisterung.« Jezna kicherte du bekam letztlich vom Lachen einen Hustenanfall.

      »Glaube ich nicht. Und falls er nicht gerade der Traummann schlechthin ist, ist das auch völlig egal. Hauptsache er tut ihr gut.«

      »Klar tut er ihr am Anfang gut. Aber wie ich Emma kenne, will sie was Festes und genau das dürfte der Knackpunkt sein, Leni. Die meisten Kerle wollen eben nur in die Kiste springen.«

      »Warum musst du immer schwarzsehen? Vielleicht ist er ja anders?«

      »Also bitte, wenn ich gewusst hätte, wie sich das Leben später entwickelt, wie scheiße die Männer sind, dann wäre ich im Sandkasten sitzengeblieben und würde bis heute Katzenwürste aussortieren.«

      Leni kicherte. »Dabei bist du es, die reihenweise Herzen bricht, mein Schatz.«

      Jezna schwieg einen Moment, bevor sie leise antwortete: »Du weißt warum. Sie verdienen es nicht anders, nachdem, was sie mit mir gemacht haben. Und das jahrelang.«

      Leni wusste es natürlich, konnte emotional jedoch nicht nachvollziehen, wie es sich anfühlte betrogen zu werden. Lange war sie mit ein und demselben Mann zusammen gewesen. Einem Kerl, der, was seine Treue und Loyalität ihr gegenüber betraf, sie nie enttäuscht hatte. Zumindest war ihr nie bekannt geworden, dass er sie betrogen hätte. Leider aber gab es nichts, das sie verband, nichts, das sie gemeinsam interessierte. Sie hatten sich auseinandergelebt, fühlten weder Liebe, noch Interesse füreinander und körperlich bereits seit Jahren keinerlei Anziehung. Zwangsläufig führte dieser Umstand letztlich zur Trennung und zu einer Scheidung ganz ohne Wehmut und Schmerz. Liebeskummer kannte Leni demnach nicht und eben auch nicht das Gefühl, wie es war, betrogen zu werden. Einerseits durfte sie sich glücklich schätzen, andererseits fehlte ihr etwas sehr wichtiges, tiefgehendes, starkmachendes- und zugleich schwächendes: Es fehlte ihr die Liebe.

      ***

      Der Abend war inzwischen fortgeschritten und der Geräuschpegel im Lokal war deutlich höher, als noch zwei Stunden zuvor, als die beiden Freundinnen hier eingetroffen waren.

      Emma spürte sehr schnell, dass sie die Aufmerksamkeit von Isabelle nur schwerlich auf sich zurücklenken konnte und dies war nicht nur dem Stimmengewirr um sie herum geschuldet. Sie grinste und beobachtete die Freundin dabei, wie sie mit dem Zeigefinger wechselweise Kringellocken in das sonst so glatte, blonde Haar drehte oder ihn sich zwischen die Lippen schob, um geistig völlig entrückt daran zu saugen.

      Die Kellnerin stand erneut breit lächelnd neben ihnen und hob erwartungsvoll die Augenbrauen, nachdem sie den Tisch abgeräumt hatte.

      Emma und Isabelle sahen auf den leeren Tisch vor sich und bestellten eilig