Lotta Liebich

Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen


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die Arme an und ballte die Hände zu Fäusten: »Was soll der Scheiß schon wieder?«

      »Meinst du, ich weiß nicht, was da abläuft, Jezz? Entweder bist du inzwischen frigide, hast einen anderen Kerl oder du steckst in den Wechseljahren!« Patrick sah sie herausfordernd an.

      »Frigide?« Jeznas Stimme klang zunächst gefährlich ruhig, überschlug sich aber im nächsten Moment : »Wechseljahre?« Bebend und mit eisigem Blick wollte sie diesen Mann auf dem Stuhl nur noch schlagen: »Ich bin frigide, denkst du? Spinnst du eigentlich? Ich … du bist … « Sie schnappte nach Luft und rannte aus dem Zimmer. Als sie ihren Schlüssel und die Jacke von der Garderobe neben dem Eingang genommen hatte, verließ stampfend das Haus und knallte die Tür hinter sich zu.

      Zwanzig Minuten hatte Jezna Zeit, um sich zu beruhigen, bis sie in die Straße zu Tobias Wohnung einbog. Sie parkte ihren sportlichen Zweisitzer völlig krumm ein und mit größtmöglichem Abstand zum Bordstein, stieg aus und marschierte den schmalen Weg entlang zum Mehrfamilienhaus, in dem er wohnte.

      Sie vermutete, dass er noch schlief, schließlich arbeitete er für gewöhnlich nachts und holte am Vormittag den Schlaf nach, der ihm zwangsläufig fehlte. Doch das war Jezna heute herzlich egal.

      Sie klingelte Sturm, weil er ihr nicht gleich die Tür öffnete und als endlich der Summer ertönte, trat sie ein, ließ den Aufzug links von sich liegen und sprang schnaubend die Treppen zum zweiten Stock hinauf.

      Hier nahm sie Tobias verschlafen in Empfang. Er wuschelte sich durchs Haar und war völlig überrumpelt, als ihn Jezna in den Gang zurückstieß, ihn mit ihrem ganzen Körpergewicht gegen die Wand drückte und ihm das T-Shirt über Kopf und Arme stülpte.

      »Hey, was ist denn …«

      Er verstummte umgehend, als sie nach seinem Genick griff, ihn grob zu sich herunterzog und seine Frage mit einem stürmischen Kuss erstickte. Eine ihrer Hände wanderte über seinen Brustkorb hinunter zum Bauch und mit flinken Fingern öffnete sie die Kordel seiner Jogginghose, die ihm wenige Augenblicke später den Hintern hinab und die Beine runterrutschte.

      Kraftvoll gab Jezna der Eingangstür mit dem Fuß einen Stoß, um sich gleich darauf die Jacke auszuziehen und in Richtung Wohnzimmer zu werfen, die Stiefel, ihre Hose und restlichen Kleidungsstücke folgten gleich darauf.

      Inzwischen war Tobias genauso geil wie Jezna, wenn auch aus anderen Gründen, als sie. Er griff nach ihren Handgelenken und drehte sie herum, stieß sie nun rücklings gegen die Wand und packte ihr linkes Bein, das er sich um die Hüfte legte. Laut stöhnte er, als ihm Jezna die Fingernägel in die Haut am Hintern grub und ihn in die Schulter biss. Nichts anderes wollte er in diesem Moment, als sie zu besitzen, das spürte Jezna deutlich. Sie, die Eine, die es immer wieder vermochte ihn mit ihrer Spontanität und Unberechenbarkeit zu reizen, die ihn überraschen konnte, wie keine andere. Genau das war es, was er auch heute wollte, dies und ihre Wildheit, die ihn beherrschte und seinen annähernd blutleeren Kopf und den aufgeheizten Körper verschlang.

      Tobias stieß hart zu und Jezna stöhnte heißer in sein Ohr, schlug ihm dabei die Ferse gegen den Oberschenkel und forderte den ersehnten Ritt ein, den ihr nur er in diesem Augenblick verschaffen konnte.

      Kapitel 3:

      Was benötigte Frau mehr, also gutes Schuhwerk mit Zwölf-Zentimeter-Absätzen, nebst Gucci-Handtaschen, saisonbedingt farblich in Zartrosa oder Türkis auf die neu gekauften Hochhackigen abgestimmt, sowie die dazu ganz wunderbar passenden Schals und Gürtel aus dem `Prego´, ihrem Lieblingsladen?

      Nichts brauchte sie sonst. Oder doch?

      In der Tat bedurfte es zum Austausch diverser Smilies, von Floskeln und flink in die Tastatur gehauenen Kleinst-Romanen einer Internetflatrate für das Mobiltelefon, ansonsten wäre dies ein Kosten intensives Unterfangen. Glücklicherweise waren sie alle im Besitz einer solchen, neben den Schuhen, Schals, Taschen und Gürteln, wohlgemerkt.

      Bereits mit dem ersten Augenaufschlag griff Emma nach ihrem Telefon, sah in der oberen Leiste nach, ob eine neue Nachricht vorhanden war und strahlte. Unverkennbar stand dort der kleine blaue Kringel, wegen dem sie immer dieses heftige Herzflattern bekam, sobald er auftauchte. Ein weiterer Knopfdruck genügte, um bestätigt zu wissen, wer sie kontaktiert hatte.

      Glucksend drückte sie das Gerät gegen die Brust und stülpte die Satindecke um, in die sie jetzt das rechte Bein einwickelte, bevor sie kräftig den Daumen auf den Touchscreen quetschte, weil sie glaubte, Pauls Worte könnten auf diese Weise schneller sichtbar gemacht werden.

      Emma kicherte und steckte sich den linken Daumennagel zwischen die Schneidezähne, als sie mit dem Blick über die Zeilen huschte.

      Nach einem ersten groben Überfliegen seiner Worte, las sie erneut, diesmal aber langsamer. Auch wenn sie die Schriftart auf groß eingestellt hatte, musste sie die Augen zusammenkneifen, um alles deutlich zu erkennen. Ganz allmählich nahmen ihre Wangen eine rötliche Färbung an und sie spürte dieses Gefühl krabbelnder Ameisen in der Magengrube.

      Als sie die Worte zum dritten Mal gekostet hatte, setzte sie sich ruckartig in ihrem Bett auf, hüpfte heraus, ging in die Küche und betätigte den Knopf am Kaffeeautomaten.

      Wieder lag ihr Blick auf Pauls Nachricht. Sie, ließ sich dabei nicht vom surrenden Geräusch des Gerätes und vom Plätschern stören, als der Espresso in die Tasse lief.

      Diesmal las sie laut und lächelte dabei, was ihrer Stimme einen besonders fröhlichen Unterton verlieh:

      »Guten Morgen meine Hübsche!

      Ich hoffe du hattest angenehme Träume.

      Schon seit einer Woche schreiben wir uns jetzt regelmäßig, deshalb sind die Abende nicht mehr langweilig, wie sie davor waren.

      Aber ich befürchte inzwischen, dass ich bald einen besorgten Anruf vom Pizzajungen bekomme, falls ich wegen unserer intensiven Gespräche heute auch wieder vergesse, etwas zu bestellen.

      Darum hoffe ich, dass wir es schaffen, in der nächsten Zeit unsere Abende gemeinsam zu verbringen bei einer guten Flasche Wein und bei sanfter Musik. Dann möchte ich dich in den Armen halten. Mit zärtlichen Berührungen will ich deinen ganzen Körper erschauern lassen.

      Irgendwann …

      Habe einen wundervollen Tag :)«

      Emma presste mit der einen Hand das Telefon gegen die Brust, mit der anderen hielt sie ihre halbvolle Tasse mit Espresso. Sie drehte sich im Kreis, rutschte dann auf der übergeschwappten Brühe aus und konnte sich gerade noch rechtzeitig mit dem Ellbogen am Küchentisch abstützen, bevor sie ausrutschte und zu Boden stürzte.

      Trotzdem lachte sie, denn nichts konnte sie heute ihrer guten Laune berauben, nicht einmal diese Kaffeepfütze auf dem Küchenboden, wegen der sie sich fast den Hals gebrochen hätte.

      ***

      Wie so oft zeigte sich der Morgen für die fünf Frauen vollkommen unterschiedlich.

      Während Emma im Glück badete, war Leni völlig übermüdet und schaffte es kaum aus dem Bett zu steigen, weil sie sich über alles und jeden Gedanken gemacht hatte und das zu einer Zeit, wenn andere für gewöhnlich schliefen. Wie so oft.

      Sofi drehte sich nochmals in ihrem Meer von Kissen und Decken um, denn nichts zwang sie, vor acht Uhr an ihrem Schreibtisch im Nebenzimmer zu sitzen. Wie gut doch ein Home-Office-Platz war, von dem aus sie für ihre Firma die Empfänge, Aktivitäten und Veranstaltungen organisierte. Bedeutungsvoll klang ihre Berufsbezeichnung des `Key-Account- und Eventmanagers´, die ihr die Chefetage verliehen hatte. Das Gehalt jedoch entsprach weniger des eines Managers, vielmehr einer Reinigungskraft mit Erschwerniszulage für besonders stark frequentierte Autobahn-Clohäuser.

      Isabelle hüpfte, wie schon Emma wenige Minuten zuvor, voller Tatendrang aus dem Bett, schließlich stand heute ein Vorstellungsgespräch in der Praxis eines Schönheitschirurgen an. Die dort zu verrichtende Verwaltungstätigkeit entsprach zwar nicht dem, was sie studiert hatte, verschaffte ihr aber das nötige