Lotta Liebich

Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen


Скачать книгу

hatte. Trotz allem dachte sie an ihn. Ständig tat sie dies und sie fieberte heute bereits dem Tag entgegen, an dem sie wieder zu diesem Rockfestival würde fahren dürfen.

      Emma war es jetzt, die nicht locker ließ. Selbst wenn Leni lange schon nicht mehr von diesem Oliver gesprochen hatte, konnte sie nicht glauben, dass er inzwischen abgehakt war. Die Freundin musste nur feinfühlig genug herangehen, um ihr die Zunge zu lösen.

      »Vielleicht habe ich im Juli die Chance das rauszufinden, ob ich mehr von ihm will. Oder er von mir. Irgendwie. Dann, wenn ich wieder hinfahre. Ach Mädels, ich hoffe so, dass er da sein wird, aber diese blöde Ungewissheit, ob er nun kommt oder nicht, das halte ich einfach nicht mehr aus.«

      »Klar hoffst du, dass er kommt, aber auch, wenn er da ist, dass er auf dich anspringt!« Emma klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Holztisch.

      »Dass er da ist und DICH anspringt!« Schlussfolgerte Jezna breit grinsend.

      Auch wenn alle lachten, spürte Isabelle, dass es Leni unangenehm war, darüber zu reden, weil sie mit einem erzwungenen Grinsen dasaß, ihre roten Wangen in die Handflächen legte und an die Wand hinter Emma starrte.

      »Mit Matthias würde ich sogar ins Bett kriechen, wenn ich nicht so verknallt in ihn wäre. Da ist er aber eine Ausnahme«, lenkte Isabelle gekonnt vom Thema ab. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und strich sich über den vollen Bauch. »Er hat einfach was Besonderes an sich. Könnt ihr das verstehen? Irgendetwas, das mich fast willenlos macht. So fühlt es sich zumindest an, sobald ich nur an ihn denke.«

      »Tja und schon bist zur Nacktschnecke geworden, und ihr habt es noch nicht einmal miteinander getrieben«, Jezna zog die Augenbrauen hoch.

      »Wann trefft ihr euch denn endlich?« Leni schlug nervös mit dem Feuerzeug auf die Tischplatte, rhythmisch und nervend für alle um sie herum.

      »Er hat mich noch nicht um ein Date gebeten:« Isabelle griff sich ans Ohr und spielte daran, wie sie es immer tat, wenn sie verlegen war.

      »Der legt aber ein lahmes Tempo vor.« Weiter klackerte Leni auf das Holz, weswegen ihr Jezna auf die Hand klatschte und der Freundin das Feuerzeug zwischen den Fingern hervorzog. Geräuschvoll packte sie es zur Seite: »Geh eine rauchen, wenn du nervös bist, aber hör damit auf!« und sie wies mit dem Kinn auf den Anzünder.

      »Nö, jetzt gehe ich noch nicht! Ich versuche doch zu reduzieren«

      »Lahmes Tempo, das kannst du wohl sagen«, fuhr Isabelle dazwischen. »Er hat mir ja noch nicht einmal eine Nachricht geschickt, seit dem Abend, an dem wir uns kennengelernt haben«, frustriert verzog sie den Mund.

      »Wie jetzt?«

      Unter Lenis Blick spürte Isabelle deutlich, wie es ihr das Blut in den Kopf trieb. »Ja, nee!«

      »Was heißt da `Ja, nee!´?« Auch Emma war völlig entgeistert.

      »Hat mir noch nicht geschrieben«, flüsterte Isabelle in ihr Teeglas, das sie soeben frisch nachgefüllt erhalten und sich schnell vor die Lippen geführt hatte. »Verdammt!«, sie drückte den kühlen Handrücken gegen ihren Mund, »heiß!«

      Einen kurzen Moment saßen die vier Frauen schweigend da, bis Emma mit einem Ruck aufsah und Jezna musterte: »Aber jetzt mal zu dir, du redest immer von Kurzzeitbeziehungen und einmaligen Sachen, bist aber schon längere Zeit mit Patrick zusammen. Das passt doch irgendwie nicht, Jezzy!«

      »Ich hab noch nie was gegen Beziehungen gehabt, auch nicht gegen das Zusammenwohnen, solange klar ist, dass es nichts Endgültiges ist«, gab diese zurück. »Patrick den mag ich. Auf irgendeine Art. Zumindest teile ich ganz gern mit ihm das Haus. Sex haben wir nur selten, vielleicht alle paar Monate einmal. Dann ist da noch Tobias. Er sieht einfach geil aus. Ich wäre ja saublöd, wenn ich die Gelegenheit nicht nutzen würde, mit ihm immer mal wieder zu vögeln, solange ich ihn reizvoll finde. Er hat einen guten Körper und ist verdammt, ich sag mal überraschend im Bett. Verknallt bin ich jedenfalls nicht in ihn.« Jezna nippte an ihrem Kirschsaft und schüttelte den Kopf und dies selbst dann noch, als sie ihr Glas wieder abgestellt hatte. Für den Geschmack ihrer Freundinnen ein wenig zu nachdrücklich, was die Behauptung betraf, so ganz und gar nicht in Tobias verliebt zu sein.

      »Vor einigen Jahren hattet ihr zwei aber schon eine Beziehung. Deshalb ist es zwischen euch vertraut, auch das mit dem Sex. Tobias zählt also nicht«, entgegnete Emma.

      »Es gibt aber haufenweise andere Typen, die ich abends kennenlerne und eine Stunde später landen wir im Auto oder auf dem Klo der Bar. Solange sie mir gefallen und sie sympathisch sind, ist das doch okay, oder nicht? Das hat gar nichts mit Liebe zu tun. Trotzdem ist es in den meisten Fällen richtig geil!«

      Fast schon ehrerbietend sah Leni zu Jezna hinüber. Kurz noch blieb sie sitzen, schnappte dann, zunächst blind auf dem Tisch tastend ihre Zigarettenschachtel und das Feuerzeug und stand schweigend auf, um das Lokal für einige Minuten zu verlassen.

      ***

      Am Spätnachmittag fläzte sich Isabelle in ihren Sessel vor dem Bücherschrank und packte sich in eine Decke ein. Einen Moment lang überlegte sie und drückte dann die Schnellwahltaste am Telefon. Es klingelte nur wenige Male, bis sie eine Frauenstimme hörte.

      »Japp!«

      »Sofi? Hast du Zeit?«

      »Hallo Isa, wenn ich nicht extra aus Chemnitz anreisen muss, dann schon. Was ist denn los? Du hörst dich aufgeregt an.«

      »Ich hab da zwei Sachen, erstens: Die Stelle beim Schönheitschirurgen habe ich bekommen und ich kann bald dort anfangen!«

      »Hey Glückwunsch! Das ist doch …«

      »Ja ja, ist toll. Ich weiß! Zweitens: Ähm, was soll ich machen? Matthias hat mir heute Nachmittag einen Blumenstrauß geschickt. Das erste Lebenszeichen, seitdem wir uns kennengelernt haben.«

      Sofi musste in ihrer gewohnt mütterlichen Art lachen: »Das ist klasse, Süße! Ist das nicht der, den du kürzlich zusammen mit Emma getroffen hast, ja?«

      »Richtig. Aber schön ist das nicht, weil ein kleiner Brief an einer der Rosen befestigt war.«

      »Und? Was stand drin?«

      »Da stand: Möchtest du mich wiedersehen?«

      Sofi lachte erneut. »Genau das ist es doch, was du willst!«

      »Ja! Nein. Nicht jetzt. Nicht so schnell zumindest.«

      Isabelle klang fast schon verzweifelt. »Ich habe mich gar nicht darauf vorbereitet, noch nicht einmal telefoniert haben wir miteinander.«

      »Dachtest du, wenn er wirklich Interesse an dir hat, dass das so weitergeht und ihr auf ewig nur aneinander denkt? Irgendwann muss er doch Kontakt aufnehmen, falls er sich nicht auf ein Zufallstreffen verlassen will.«

      »Stimmt schon. Aber mir hat zurzeit die Vorstellung ausgereicht, dass da jemand ist, der mir gefällt und dem ich vielleicht gefallen könnte. Ohne Verpflichtungen.«

      »Ich glaube kaum, dass dir das auf Dauer reichen würde. Wenn es dir zu schnell geht, dann mach dich einfach ein bisschen rar. Ich geh mal davon aus, dass du seine Nummer bekommen hast, dann ruf ihn einfach an oder schreib ihm eine Kurznachricht und sag ihm, wie sehr du dich gefreut hättest, dass du aber noch etwas Zeit brauchst. Dabei gehst du nicht konkret auf die Verabredung ein, lehnst sie aber auch nicht ab. Du hast es doch in der Hand, wann ihr euch trefft, Isa.«

      Das klang gut. Gut und beruhigend. Isabelles Atmung verlangsamte sich zusehends und ihr Kopf ließ es wieder zu, dass sie sich einer anderen Sache zuwendete: »Was hat sich bei dir inzwischen getan, Sofi?«

      »Mit wem meinst du?«

      »Mit diesem Feuerwehrtypen?«, gab die Freundin neugierig zurück.

      »Hör mir nur mit dem auf!«

      »Warum das denn?«

      »Ich sag nur: Ein Feuerwehrmann, dessen Schlauch leckt und dann den Dienst versagt, der dürfte nicht wirklich zweckentsprechend sein und muss ausgemustert