Rudolf Hochmeister

Die Blase der Frau


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Tischdame leise und nimmt einen großen Schluck von dem übrigens vortrefflichen Chablis. „Wissen Sie“ fügt sie in ihrem unverkennbaren Schwizterdutch hinzu „Wenn sie zurückhalten dann haben sie spätestens morgen eine schauríge Blasenentzündung! In unserem Klima müssen sie beim ersten Druck einfach entleeren was ihnen eigentlich bekannt sein müsste! Oder?“

      „Schon“ sage Andre matt „ aber doch zumindest, bis er ausgeredet hat und dann keinesfalls allein! Oder gehen sie nicht auch in Zürich immer zu zweit?“

      Der Präsident hat mittlerweile alle Gäste aus nah und fern begrüßt wobei aber das Kommen und Gehen kein Ende nimmt.

      „ Andere Länder andere Sitten“ sagt sie „aber wenn sie nach dem Gefasel noch Lust haben gehen wir zusammen anschließend auf die Terrasse! Als Lohn für Ihr tapferes Aushalten offeriere ich Ihnen ein kleines Previer zu diesem Thema ich bin nämlich selbst Ärztin und betreue hier die Botschaftsangehörigen!“

      Auf der vom Vollmond beschienenen Terrasse finden sie einen freien Tisch. Ein livrierter Schwarzer offeriert beschlagene Gläser mit Gin Tonic.

      „Zweifellos kennen sie die Symptome einer akuten Blasenentzündung oder?“ Beginnt sie ohne Umschweife. „ Wenngleich Urologe fehlt es ihnen aber vermutlich an eigener Erfahrung da Männer vergleichsweise selten davon betroffen sind. Meist landen die Patientinnen erst dann in ihrer Sprechstunde wenn das Schlimmste bereits vorbei ist! Oder machen sie vielleicht und wenn natürlich nur bei privat versicherten Damen auch Notfallmäßige Hausbesuche?“ fügt sie sarkastisch hinzu.

      Ungewollt fallen Andre die abendlichen Besuche bei seiner Freundin Mia im Dachgeschoss ihres Apartments ein. Trotzdem antwortete er mit „Nein.“

      „Da haben wir es!“ sagt sie lachend. „ Aber ich weiß wovon ich spreche und dazu erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte!“ Er nimmt einen Schluck Gin Tonic öffnet den ersten Knopf seines Hemdkragens unter der Fliege und zündet sich unter ihrem strafenden Blick eine Zigarillo an.

      „Ich war noch Medizin Studentin im fünften Semester in Bern und wohnte zusammen mit meinem Freund Kajetan-Bertram in der großen Wohnung meiner Eltern. Zuvor war mein Vater als Botschafter nach Bombay versetzt worden. Eines Nachmittags gegen Ende einer Vorlesung verspürte ich plötzlich einen heftigen Harndrang und erreichte die Toilette im allerletzten Moment. Daheim angelangt wiederholte sich der Harndrang in kurzen Zeitabständen dazu brannte es zum Gott Erbarmen und zuletzt war der Urin deutlich blutig verfärbt. Ich rief unseren alten Hausarzt an aber der war in den Ferien und sein Vertreter so die Sprechstundenhilfe hatte ein volles Wartezimmer. Sie empfahl mir reichlich zu trinken und vertröstete mich auf den nächsten Vormittag.

      In meiner Verzweiflung telefonierte ich mit meiner besten Freundin Nikol aus Paris die für zwei Semester hier Sprachen studierte

      „Oh merde“ sagte sie „piss chaude“ das kennen ich! Du brauchst sofort Mictosol bleu! Nimm - bis Bertram kommt- ein warmes Bad und schicke ihn dann sofort in die Pharmazie!“

      Also legte ich eine CD von der Piaf auf, band mir ein Handtuch über den Kopf und legte mich in die Wanne. Später kam Bertram spähte durch die Türe und wie immer war sein Mantel falsch zugeknöpft und unter dem Arm hatte er die Monatszeitschrift „Fortschritte in theoretischer Physik“.

      „Langweile ich Sie?“

      „ Nein ganz im Gegenteil“ log Andre denn Bertram war offensichtlich ein Spinner sonst hätte er seine Kleider einfach fallen gelassen und währe zu ihr in die Wanne gestiegen.

      „ Wie war dein Tag“ fragte Bertram und in diesem Moment hätte ich ihn am liebsten auf den Mond geschossen.

      „Es geht mir schlecht und du gehst sofort in die Apotheke unten am Eck und verlangst Mictosol bleu!“

      Allein seine Hilflosigkeit machte mich halb wahnsinnig. Kajetan- Bertrams Gedanken kreisen nämlich auch heute noch im Orbit um einen Planeten auf welchem mathematische Formel eingraviert sind. Für die Belange des täglichen Lebens ist er absolut unbrauchbar und vermutlich weckte er bereits bei unserem ersten Zusammentreffen meine Mutterinstinkte.

      Also machte er sich auf den Weg aber die Apothekengehilfin hatte noch nie etwas von Mictosol bleu gehört. Sie holte ihren Chef aber auch der fand in den Roten Listen kein eingetragenes Präparat.

      „Waran leidet denn Ihre Frau“ fragte er schließlich.

      „An piss chaude glaube ich“ sagte Bertram vage. Der Apotheker brach in ein schallendes Gelächter aus. „ Mit Piss chaude bezeichnen französische Männer mit einem Tripper den erster Harnstrahl der gleich einem Flammenwerfer durch das Rohr fährt!“ Vermutlich hatte Bertram bislang von einem Tripper nichts gehört und meinte geduldig:

      „Dann halt etwas ähnliches was hilft.“

      Er kehrte mit einer großen Packung Blasentee zurück und dem Rat den Mittelstrahlurin zur Untersuchung zu bringen.

      „Soll ich nicht Piere anrufen?“ Sagte er.

      Piere war damals einer unserer engsten Freunde und Assistenzarzt an der Psychiatrie.

      „Glaubst Du ich bilde mir das alles ein?“ Antwortete ich giftig.

      Trotzdem rief er Piere an. „Sie hat eine Blasenentzündung und furchtbare Schmerzen!“

      „Wahrscheinlich hat sie einen Harnwegsinfekt“ sagte Pierre. Ihr habt doch sicher in der Hausapotheke Schmerzstillenden Zäpfchen und vielleicht auch ein Antibiotikum zum Beispiel Penicilín. !“

      „Gut sagte Bertram ich gehe und suche nach Zäpfchen und Peniscillin!“

      „P-e-n –i-c- i -l –i. n! sagte Piere. Peniscillin hilft nur bei Vagina pectoris!”

      Bertram fand nur Zäpfchen gegen Fieber und Grippe. „Brauchst du ein Glas Wasser!“

      „Nein“ zischte ich „verschwinde sofort und heute schläfst du im Gästezimmer!“

      Wir bestellten einen weiteren Gin Tonic.

      „Seltsamer Weise halfen die Zäpfchen ein wenig und später lernte ich in der Pharmakologie Vorlesung, dass auch in Grippemitteln enthaltenes Paracetamol die Blase ruhig stellt. Am nächsten Morgen war die Sprechstunde bereits voll. Irgendwie war es mir gelungen etwas Urin in einem Zahnputzglas aufzufangen.

      „Wir legen eine Kultur an „ sagte die Sprechstundenhilfe „aber wenn es nicht besser wird hier ist ein Rezept für ein Breitbandantibiotikum und kommen sie in drei Tagen wieder!“

      Also besorgte ich mir das Präparat und legte mich mit einer Kanne Basentee am Nachttisch ins Bett. Trotz reichlich Tee musste ich noch weiterhin alle 15 Minuten zur Toilette. Später las ich im Beibackzettel des Tees: „Enthält Beerentraubenblätter mit Hartreibender Wirkung!“

      Nachmittags kam Nikol und brachte mir eine Packung Mictosol bleu. Ich ersetzte den Blasentee durch eine Flasche Rotwein die wir gemeinsam leerten worauf es mir deutlich besser ging.

      Am übernächsten Tag waren die Schmerzen praktisch verschwunden aber dafür begann es in der Scheide zu jucken als würde ich in einem Ameisenhaufen sitzen. Der Vertreter des Hausarztes bestätigte seinen Verdacht auf einen Harnwegsinfekt und schickte mich zu einem Gynäkologen. Dieser fand eine Pilzinfektion als Folge des Antibiotikums setzte dieses ab und verordnete mir Vaginal-Globi gegen die Pilze.

      Zu allem Überfluss litt auch mein so hilfloser Kajetan- Bertram. So suchte er Trost in der Stammbeitz seiner Freunde -einem rauchgeschwängerten Lokal mit Serviertöchtern von Zweifelhaftem Ruf. Freudig wurde der lang Vermißte in die Runde wieder aufgenommen und sofort kam das Gespräch auf die fatalen Folgen einer erzwungenen Enthaltsamkeit- wie mir später Bertram beichtete. Ein Medizin Student schilderte das Anschwellen der Vorsteherdrüse mit nicht entleertem Sekret welches zurückgestaut bis in die Nebenhoden zu schweren Entzündungen bis hin zur Spermatosepsis führen könne. Als Beispiel nannte er die Schilderung über die „Heimkehr des Kriegers“ in einem Medizinhistorischen persischem Werk aus dem fünften Jahrhundert.

      Zum Glück ging es mir bald besser und