M. C. Steinweg

Safe!


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brachte, versuchte Eve wieder Ordnung in die durcheinander liegenden Sachen im Labor zu bringen. Während sie die Lösung mit dem Wirkstoff wieder in den Kühlschrank stellte, entlockte der Gedanke daran, dass Andreas und sie im Job so aufeinander eingespielt waren wie ein altes Ehepaar, ihr ein Kopfschütteln. Andreas war zwar der netteste Kollege, den sie bisher hatte, doch er war weder altersmäßig noch vom Typ her auch nur ansatzweise der Mann, der sie interessieren könnte.

      Seufzend goss Eve ihren inzwischen kalt gewordenen Kaffee in den Ausguss. Vielleicht sollte sie besser auf Tee umsteigen. Der würde ihr wahrscheinlich besser schmecken als dieser Pseudokaffee, der seinen Namen nicht verdiente. Angewidert starrte sie auf die braune Brühe, die das weiße Porzellan des Waschbeckens braun färbte. Nach gestern Abend hatte sie wirklich langsam die Faxen dick. Warum waren eigentlich so viele Männer so ignorant oder schwanzgesteuert? Empfand nur sie das so oder ging es der breiten Masse ihrer unbekannten Mitstreiterinnen genauso? Eve hatte das Gefühl, in einer Warteschleife geparkt, dem richtigen Leben hinterher zu hecheln. Offensichtlich gab es in ihrem Leben mehr Baustellen als nur die Suche nach einem passenden Partner, als sie über ihre Tätigkeit im Labor und den damit verbundenen Tierversuchen nachdachte.

      Unvermittelt brummte ihr Handy in der Kitteltasche. Mit einem Wisch über das Display las Eve die soeben eingetroffene SMS. Na so was, wunderte sie sich, die SMS war von ihrem gestrigen Date. Toll, dachte sie, wenn man an blöde Männer denkt, melden sie sich gleich bei mir. Irgendetwas mache ich in meinem Leben verkehrt.

      ‚Willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Du kennst meine verborgenen Qualitäten noch nicht. ? Melde dich bei mir. Gruß Tom‘

      Der Typ musste komplett durchgeknallt sein. Für einen Moment überlegte Eve ob sie Tom antworten sollte, aber nachdem sie ihm gestern Abend schon klipp und klar mitgeteilt hatte, dass sie nichts von ihm wollte und auch keinen weiteren Kontakt wünschte, ließ sie es bleiben und löschte die SMS.

      Andreas ließ sich heute Zeit, daher nutzte sie die Pause, um die Online Dating Seite auf ihrem Laptop noch einmal aufzurufen. Dort hatte sie sich vor vier Monaten angemeldet. Sofort nach dem Einloggen poppte vor ihren Augen ein neues Fenster auf, in dem ihr neue Mitglieder, die ihrem Suchprofil angeblich entsprachen, vorgestellt wurden. Wer soll denn noch mit den unzähligen Partnervorschlägen zu Recht kommen? Man wurde ja geradezu überschüttet mit neuen Gesichtern und Profilen. Sie hatte zuvor noch keine Erfahrungen mit solchen Plattformen gesammelt und ließ sich lieber anschreiben. Nach einer Weile hatte sie sich dann ein Herz gefasst und schrieb Männer deren Fotos ihr gefielen an. Das Ergebnis, was am Ende stand kam im Prinzip stets aufs Gleiche heraus. Der einzige Unterschied war, dass, wenn eine Kontaktaufnahme von ihr erfolgte, sich die Typen schneller outeten als anders herum. Spätestens die zweite Mail enthielt ein eindeutiges Angebot zum Horizontalsport. Außerdem hätte sie eine eigene Auswertung über die subjektiv empfundene Schwanzgröße der männlichen Mitglieder der Dating Börse machen können. Egal wie sie es drehte, zufrieden war sie nicht.

      Eine neue Nachricht in ihrem Posteingang erweckte ihre Aufmerksamkeit. Absender war ein gewisser Loverboy69, bei dem die 69 sicherlich nicht für seinen Jahrgang sondern für seine bevorzugte Stellungsvariante stand. Mit geringer Erwartungshaltung öffnete sie die Mail und wurde nicht enttäuscht. Loverboy69 ist tatsächlich auf der Suche nach einer Horizontalsportpartnerin. Seine beeindruckenden Maße gab er auch gleich an 30cm harte Länge und 5,5cm fordernde Dicke. Wow, er sparte echt nicht am Begleitvokabular. Wenn das mal keine zu großzügige Bemessung seines besten Stückes war. Hätte sie jetzt die Möglichkeit, seinen Mörderhammer – so Originalton in seiner Mail - in Aktionsgröße zu sehen, würde wahrscheinlich nur die Hälfte der Maße dabei herum kommen. Bei dieser Mail, wunderte Evelyn sich, dass jemand wie Loverboy69 es schaffte, den Durchmesser seines Schwanzes zu berechnen, wo doch dessen augenscheinliche Intelligenz zwischen dessen großen Zehen hing – nein stand – verbesserte sie sich gedanklich.

      Wahrscheinlich hatte Andreas Recht mit seiner Annahme, dass man die wahre Liebe sicherlich nicht auf einer Dating Plattform findet. Diesen Gedanken ließ Eve erst mal unkommentiert an ihrer inneren Pinnwand stehen und beschloss irgendwann später nochmal darauf zurückzukommen. Andreas war wieder zurück und nickte ihr kurz zu.

      ››Trägst du schon alles ein? Dann schaue ich mal nach unseren Viechern.‹‹

      Ohne eine Antwort abzuwarten lief er in den Nebenraum mit den Käfigen. Sofort loggte sich Eve aus der Dating Seite aus und rief den Aufzeichnungsrohling auf, benannte ihn mit der aktuellen Versuchsreihe TXP93, und fing dann an, alles was sie vorher auf ihr Diktiergerät gesprochen hatte, darauf einzutragen. Nachdem sie etwa der Hälfte der Daten übertragen hatte, kam Andreas zurück.

      ››Und?‹‹ Fragte Eve automatisch.

      ››Nummer 3 und 5 haben ihre Position verändert, alle anderen sind wie vorher auf der Stelle liegengeblieben.‹‹ Andreas schaute Eve an. ››Noch ein Kaffee?‹‹

      ››Nein danke, ich versuche es mal mit Tee. Hast du rein zufällig welchen da?‹‹, lehnte Eve sein Angebot ab, während sie die von Andreas gemachten Angaben in ihren Notizen vermerkte, um sie dann später Stück für Stück in ihr Laptop zu übertragen.

      ››Ich habe noch ein wenig Kamillentee von meiner Magenverstimmung, die ich letzten Monat hatte. Willst du den haben?‹‹ Ungläubig musterte Andreas Eve, die konzentriert mit den Fingern über die Tasten des Notebooks glitt. Tja, wer A sagt, muss auch B sagen. Tee ist Tee. Todesmutig bat sie Andreas ihr den Kamillentee aufzubrühen. Seinen Kommentar dazu konnte Eve nicht verstehen, Andreas brummelte ihn undeutlich auf dem Weg in die Kaffeeküche in seinen Laborkittel. Ohne weiter über seine Worte nachzudenken, komplettierte sie die fehlenden Daten in dem Logfile.

      Der Tee, den Andreas fünf Minuten später mitbrachte, war in der Tat ein noch größerer Angriff auf ihre Geschmacksnerven als das Kaffeewasser am Morgen. Wenigstens hatte der Kamillentee eine beruhigende Wirkung auf ihren Magen, was man von dem abartigen Kaffeegesöff nun wirklich nicht behaupten konnte. Als nächstes beschäftigten sich die beiden mit der Ausarbeitung zu einem Generikum, welches freiverkäuflich in den Drogeriemärkten und Apotheken erhältlich war, bis es Zeit wurde, die Testtiere erneut zu überprüfen. Nachdem Andreas zuvor den Anfang gemacht hatte, übernahm als nächstes Eve den Gang zu Tieren, um sie zu überprüfen.

      Nummer 3 und 5 hatten erneut eine andere Position eingenommen als die, die Andreas zuletzt in der Käfiggrafik vermerkt hatte. Die beiden schienen wirklich mobiler zu werden. Nummer 1 lag unverändert in der vorderen linken Käfigecke und die anderen hatten sich auch in eine andere Ecke gelegt. Sorgfältig vermerkte Eve die Positionen, um sie später in das Logfile einzugeben.

      Kapitel 2

      Der restliche Nachmittag bestand darin, abwechselnd nach den Tieren zu schauen und an der Ausarbeitung des Generika Themas zu arbeiten. Adlon Pharma hatte um eine schnelle Bearbeitung gebeten, da darauf spekuliert wurde, kurzfristig den Umsatz mit dem freiverkäuflichen Präparat anzukurbeln und damit die Quartalszahlen für das erste Quartal des Jahres zu verbessern. Nach Eves Meinung kamen die Bemühungen ein wenig spät, da der März schon begonnen hatte. Viel Zeit bis zum Quartalsende blieb nicht mehr und Eve fragte sich, wie Adlon Pharma das innerhalb von zwei Wochen anstellen wollte.

      Es war schon lange dunkel, als Andreas und Eve das Labor verließen. Nummer 3 und 5 waren zu regelrechten Sportskanonen mutiert, denn im Laufe des Nachmittages bewegten sie sich rund ein halbes Dutzend Mal. Das unbehandelte Tier Nummer 1 hingegen hatte sich lediglich nach der Nahrungsaufnahme in der Nähe des Futternapfes hingelegt und sich nicht weiter gerührt. Eve machte sich auf den Weg nach Hause, zu ihrer gemütlichen Couch, einem Glas Wein und einer weiteren Folge einer amerikanischen Serie. Wie hieß sie noch, Grimm? Ein weiterer einsamer Abend vor der Flimmerkiste.

      Die folgenden beiden Tage versetzen Andreas und Evelyn in einen Anfall von Glückstaumel. Immer enthusiastischer beobachteten sie die beiden Nager, die die höhere Konzentration des Wirkstoffes erhielten, denn sie wurden immer aktiver. Regelmäßig folgte täglich eine weitere Dosis. Das gleiche Verhalten zeigte sich auch bei den beiden