M. C. Steinweg

Safe!


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und unter einem Hupkonzert begleitet hatten, setzen ihre Fahrzeuge um sie herum wieder in Bewegung. Ohne die Zeit zu haben, auf das entrüstete Kopfschütteln über ihr Verhalten zu reagieren, fuhr Eve in halsbrecherischem Tempo weiter, denn die Verfolger nahmen ihre Fährte wieder auf. Doch zum ersten Mal war sie ihnen so weit entwischt, dass sie sich außerhalb deren Sichtweite befand. Durch diverse Nebenstraßen fuhr sie möglichst unauffällig in Richtung Autobahn. Sie hatte Glück und erreichte unbemerkt die Auffahrt in Richtung Düsseldorf.

      Unterwegs kramte sie ihr Handy hervor und versuchte einen Notruf abzusetzen. Irgendwie musste sie die Polizei ja erreichen. Doch anstelle eines Freizeichens oder eines Anrufes erklang immer wieder die Ansage:

      ››Dienst oder Dienstmerkmal nicht möglich.‹‹

      So schnell ihr kleiner Wagen es zuließ, fuhr sie auf der Autobahn in Richtung Düsseldorf. Plötzlich klingelte ihr Handy. Erschrocken zuckte sie beim ersten Laut zusammen. Den Verkehr im Auge behaltend warf sie einen Blick auf das Display. Dort wurde ihr der Anruf eines unbekannten Teilnehmers angezeigt. Wenn das eines ihrer saublöden Dates war, würde er gleich sein blaues Wunder erleben.

      ››Ja!‹‹ Bellte sie förmlich in das Mikrofon ihres Handys.

      ››Hören Sie gut zu Fräulein Dexter‹‹, augenblicklich erstarrte Evelyn innerlich zur Salzsäule, dass war die Stimme des Mannes, mit dem Andreas im Labor geredet hatte, die würde sie im Leben nicht mehr vergessen, ››ich sage Ihnen das nur ein Mal, ein zweites Mal wird es nicht geben. Halten Sie augenblicklich an und geben mir Ihre Position durch. Wir werden Sie aufsuchen und Sie übergeben uns alle Ihre Unterlagen, das Notebook und den Wirkstoff. Wenn Sie kooperieren wird Ihnen nichts geschehen.‹‹

      Evelyn holte tief Luft. Nie im Leben würden die Typen sie laufen lassen. Sie hatte einen von denen vor der Polizeiwache gesehen und könnte ihn identifizieren. Ihren Anrufer würde sie jederzeit an seiner Stimme erkennen. Nein, das war nur eine faule Ausrede die sie dem Mann nicht abnahm. Aus einer plötzlichen Aufwallung von Mut antwortete sie:

      ››Hören Sie mir mal gut zu. Erstens bin ich nicht so blöd und vertraue Ihnen. Zweitens können Sie sich Ihre Warnungen dahin stecken wo die Sonne nie scheint und drittens, werde ich zu verhindern wissen, dass sie auch nur einen Buchstaben meiner Aufzeichnung oder den Wirkstoff in die Hände bekommen.‹‹

      Am anderen Ende der Leitung ertönte augenblicklich ein wütender Schrei, bevor sie das Gespräch durch Auflegen grußlos beendete. Die vermeintlich freundliche Option hatte sie mit ihren Worten gründlich verwirkt. Also musste sie jetzt handeln. Über ihrem Kopf tauchten die ersten Schilder zum Flughafen Düsseldorf auf. Aus einem nicht erklärbaren Impuls heraus folgte Eve den Schildern. Allerdings fuhr sie nicht auf das Flughafengelände, sondern bog vorher in das angrenzende Gewerbegebiet ein. An der Straße lag ein Aldi Markt, dessen Parkplatz vollkommen leer vor ihr lag. Mit quietschenden Reifen bog sie von der Straße ab und lenkte ihren Nissan in die hinterste, von Büschen umgebene Ecke des Parkplatzes. Dort war sie von der Straße aus nicht zu sehen.

      Erneut versuchte sie zu telefonieren, nur um festzustellen, dass ihr Handy oder besser gesagt, ihr Provider seine Unterstützung verweigerte. Es würde sie nicht einmal wundern, wenn die Typen ihr Mobiltelefon lahm gelegt hätten, so gut wie die informiert waren. Schnell transferierte sie alle Kontakte die sich auf der SIM Karte und dem Handyspeicher befanden auf die innenliegende Mikro SD Karte. Danach schaltete sie das Telefon aus, baute das Telefon auseinander, entnahm die SIM Karte und die Mikro SD Karte.

      Die SD Karte steckte sie in das Reißverschlussfach in der Innenseite ihrer Handtasche. Das Handy verstaute sie unter der Fußmatte ihres Autos. Dann machte sie sich zu Fuß auf den Weg zu den Terminals. Weit konnte sie nicht davon entfernt sein, denn sie sah vor sich die diversen Hinweisschilder für die einzelnen Parkhäuser. An einer Bushaltestelle warf Eve ihre SIM Karte in den Plastikabfallbehälter unter der Tafel mit den Abfahrtzeiten. Jetzt, so hoffte sie, konnte man sie nicht mehr orten. Leise klimperten die Ampullen in ihrer Handtasche. Die musste sie auch dringend entsorgen.

      Es wäre zwar etwas mühselig, aber an Hand der Aufzeichnungen könnte sie den Wirkstoff erneut herstellen. Mit einem Griff in ihre Handtasche nahm sie die Ampullen und warf sie so fest sie konnte auf dem Asphalt. Die Ampullen platzten mit einem dumpfen Knall auf und zerbrachen in viele kleine Glassplitter. Einen wehmütigen Augenblick schaute sie der hellblauen Flüssigkeit zu, die den Asphalt benetzte und bald verdunstet wäre.

      Dann hastete sie weiter in Richtung der Terminals. Egal was sie jetzt machte, sie würde dringend mehr Bargeld benötigen. Das bekäme sie heute nur aus einem Automaten. Evelyn hatte Glück. Direkt vor dem Terminal Eins der Lufthansa befand sich neben der Ausfahrt eines Parkhauses ein vereinsamter Geldautomat. Schnell schob sie ihre EC Karte in den Schlitz und hob den Höchstbetrag – immerhin 1000 Euro – ab.

      Das Geld steckte sie in das Innenfach zu der SD Karte und machte sich weiter auf den Weg in Richtung Terminal. Nach kurzer Zeit erstreckte sich der untere Bereich, des Flughafens vor ihr. Dort standen jede Menge Taxen, um die angekommenen Reisenden zu ihren Zielorten zu bringen. Durch eine der Glastüren betrat Eve das Innere des Gebäudes und nahm die nächste Treppe nach oben in den Abflugbereich. Helles Licht aus den Deckenfenstern erhellte die Abflughalle und ließ den hellen Boden noch heller strahlen. Ein wenig verloren stand sie vor der Tür des Treppenaufganges und wusste auf einmal nicht, was sie machen sollte. Über ihrem Kopf knackte ein Lautsprecher und dann ertönte eine Durchsage:

      ››Letzter Aufruf für die Passagiere Tekin, Müller und Antkowiak für den Flug mit Air Berlin nach Rom. Bitte begeben Sie sich umgehend zu Gate 32.‹‹

      Ohne auf ihre Umgebung zu achten setzte sie langsam einen Fuß vor den anderen. Was wäre, wenn sie von hier wegflöge und Deutschland verließ? Damit würde sicherlich niemand rechnen. Vielleicht könnte sie von außerhalb einfacher Hilfe erreichen als es heute der Fall war. Den Ausweis hatte sie dabei, theoretisch sollte das funktionieren. Vor einem Schalter der AIR Berlin blieb Evelyn stehen. Außer den reinen Flugangeboten waren hier auch diverse Pauschalreisen an der Pinnwand aufgehängt. Kaum dass sie stehen blieb, richtete die Dame auf der anderen Seite des Schalters schon ein freundliches, unverbindliches Lächeln auf sie.

      ››Guten Tag. Kann ich Ihnen behilflich sein?‹‹ Die Dame trug ein knallrotes Kostüm, hatte ihre Hände mit gepflegten Fingernägeln locker auf der Fläche ihres Schreibtisches liegen und strahlte Evelyn mit ihrem schönsten Sonntagslächeln an.

      Eve räusperte sich, bevor sie ihren Wunsch formulierte.

      ››Guten Tag. Ich ... ähm ... habe zwei Wochen Urlaub und vor einer Stunde erfahren, dass meine ursprüngliche Planung gegenstandslos geworden ist. ... Man hat mir schon so viel über spontane Reisen erzählt, dass ich das gerne einmal ausprobieren möchte. Könnten Sie mir sagen, welches Pauschalangebot Sie haben, welches als allernächstes angeflogen wird?‹‹

      Die Dame lächelte Evelyn gleichbleibend freundlich an, so, als ob jeden Tag dreißig Leute mit spontanen Urlaubsabsichten vor ihrem Schreibtisch stehen blieben. Ihre Finger fuhren über die Tastatur ihres Rechners. Dabei zog sie ihre Stirn ein wenig kraus, was ihrem Gesicht eine strenge, lehrerinnenhafte Note verlieh. Schließlich schnalzte sie mit ihrer Zunge und spitzte die Lippen.

      ››Ja‹‹, sagte sie gedehnt, ››ja, ich hätte da etwas für Sie. In einer Stunde geht ein Flug nach Gran Canaria. Wir haben dort in einem Hotel in der Playa Taurito noch ein freies Zimmer. Allerdings wäre das nur für zehn Tage und nicht für zwei Wochen.‹‹ Ihr Blick wanderte vom Bildschirm hoch und musterte Evelyn fragend.

      ››Zehn Tage sind auch in Ordnung.‹‹ Beeilte sich Eve schnell zu versichern. ››Das nehme ich gerne. Könnten Sie die Unterlagen für mich fertig machen?‹‹

      ››Ja, das ist überhaupt kein Problem. Könnte ich bitte einmal ihren Personalausweis oder Ihren Reisepass haben? Wenn Sie möchten, können Sie hier gerne warten, während ich die Unterlagen fertig mache.‹‹

      Sie deutete auf eine kleine, von der Abflughalle nicht einsehbare Sitzgelegenheit, für die Evelyn in diesem Moment dankbarer war als es die freundliche Dame der AIR Berlin auch nur ansatzweise