M. C. Steinweg

Safe!


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förmlich durchleuchten, verzog sich in diesem Augenblick sein Mund zu einem Lächeln und Eve konnte nicht anders als zurückzulächeln. Das Lächeln entschärfte sofort den durchdringenden Blick. Nein, der gehörte sicherlich nicht zu den Typen. Wie sollten die auch schneller im Hotel sein als sie. Außerdem war er viel zu sehr gebräunt, als das er erst kürzlich angereist wäre. Das ältere Paar verabschiedete sich und die Dame an der Rezeption schaute Evelyn abschätzend aber nicht unfreundlich an.

      ››Señorita was kann ich für Sie tun?‹‹ Sie hatte eine angenehme Stimme und sprach mit einem starken spanischen Akzent.

      ››Guten Tag, mein Name ist Evelyn Dexter. Ich habe sehr kurzfristig gebucht.‹‹ Eve überreichte ihr die Unterlagen, die sie von der Dame am Flughafen mitbekommen hatte. Die Frau nahm sie in ihre Hände und begutachtete die Daten auf den Unterlagen. Dann nickte sie.

      ››Willkommen auf Gran Canaria Fräulein Dexter. Wir haben ihre Buchung vorhin per Fax erhalten. Hatten Sie einen angenehmen Flug?‹‹ Sie lächelte Eve freundlich an.

      ››Ja, danke. Alles bestens.‹‹, beantwortete Evelyn die Frage.

      ››Sie haben Zimmernummer 4027, Señorita. Das Zimmer liegt im obersten Block ganz außen. Sie gehen am besten hier heraus‹‹, sie deutete auf eine automatische Glastür, durch die das ältere Paar zuvor gegangen war, ››und dann laufen Sie bis zum Ende. Nehmen Sie die Aufzüge bis ganz nach oben. Brauchen Sie Hilfe mit ihrem Gepäck?‹‹

      Während Sie die Wegbeschreibung gab, reichte sie Eve zwei Plastikarten an, die als Zimmerschlüssel fungierten.

      ››Nein, nein, das geht schon. Vielen Dank!‹‹ Wehrte Eve ab. Das würde sie sicherlich alleine finden und ihr Gepäck war nicht schwer. Mit einem Plan des Hotelgeländes und den zugehörigen Einrichtungen in der Hand verließ sie den Rezeptionsbereich. Sie spürte den Blick des Mannes in ihrem Rücken, doch sie widerstand dem Verlangen, sich noch einmal umzudrehen.

      Ohne Probleme fand Eve ihr Zimmer und versperrte sofort die Tür hinter sich. Dann schob sie die bodentiefen Glastüren, die auf eine Veranda herausführten auf, um ein wenig frische Luft hereinzulassen und sank von ihren Taschen und Tüten umgeben auf das breite Bett. Das Hotel schmiegte sich komplett an die steil aufragende Felswand an. Von jedem der Zimmer bot sich eine grandiose Aussicht auf das Meer. Die Situation war irgendwie unwirklich.

      Da saß sie nun, viele tausend Kilometer von ihrem Zuhause entfernt, in einem Hotel, von dem sie bis mittags nicht einmal wusste, dass es dieses Hotel überhaupt gab. Ein Gefühl völliger Einsamkeit überkam sie. An welcher Stelle war sie heute Morgen bloß falsch abgebogen? Seufzend öffnete sie die Minibar in ihrem Zimmer und nahm sich ein Fläschchen Mineralwasser heraus. Danach verstaute sie ihre Habseligkeiten im Kleiderschrank gegenüber dem Badezimmer.

      Jetzt wo sie im Hotel angekommen war, fing sie an, Pläne für den folgenden Tag zu schmieden. Sie plante, mit dem Busshuttle des Hotels in die nächste Ortschaft zu fahren und sich die Dinge zu kaufen, die ihr noch fehlten. Außerdem brauchte sie eine SIM Karte für ihr neues Handy. Vielleicht hätte sie ja Glück und in dem Ort gab es ein Geschäft, in dem sie das Gesuchte fand. Als nächstes musste sie dringend etwas an dem Umfang der Sachen ändern, die sie mit sich herumtrug. Sie schloss das Notebook an den Strom an und fuhr es wieder hoch. Gottseidank hatte es die Reise und das unsanfte Handling gut überstanden! Sie holte die Speicherkarte ihres alten Handys aus der Tasche und schob sie seitlich in den Schlitz des Laptops.

      Anschließend überspielte sie die neu dazu gekommenen Daten vom Notebook auf die Karte und speicherte sie dort ab. Danach schaltete sie das Gerät wieder aus, um die Festplatte des Rechners auszubauen. Was eindeutig leichter gedacht als getan war, denn dafür hatte sie kein geeignetes Werkzeug zur Hand. Mit Hilfe ihres Schlüssels und einer Nagelfeile, die sie in ihrer Tasche fand, schaffte sie es schließlich, die Verschraubung zu lösen.

      Ziel erreicht. Jetzt war sie mit deutlich leichterem Gepäck unterwegs. Sie verstaute die Festplatte in ihrer Handtasche. Sollte sie erneut die Flucht ergreifen müssen, dann brauchte sie nur die Handtasche mitnehmen. Die mitgenommenen Notizen zerriss sie in viele kleine Schnipsel, die sie in kleinen Mengen in der Toilette herunter spülte.

      Mittlerweile war es draußen dunkel geworden. Hunger hatte sie nicht, denn die Eindrücke des Tages wirkten auf sie wie ein Appetitzügler, daher verzichtete Eve auf das Abendessen und blieb lieber in ihrem Zimmer. Sie schaltete den Fernseher ein und hoffte, vielleicht irgendetwas in den Nachrichten zu hören, was ihr mehr Informationen geben könnte. Doch es wurde nichts berichtet. Möglicherweise war das, was ihr heute passiert ist, ja nicht bis in die Nachrichten vorgedrungen. Ohne sich auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren, zappte sie sich durch die vorhandenen Kanäle, bis es schließlich Zeit wurde, schlafen zu gehen.

      Bevor sie sich schließlich schlafen legte, positionierte sie auf der Türklinke und auf den Griff der Balkontüre ein Glas. Sollte sich nachts jemand an den Türen zu schaffen machen, würde das Glas herunterfallen und sie wecken. Angezogen legte sie sich in das überraschend bequeme Bett. Doch obwohl Evelyn sich körperlich erschlagen und hundemüde fühlte, schlief sie in dieser Nacht kaum. Immer wieder schreckte sie von den Ereignissen des Vortages hoch. Irgendwann am frühen Morgen nickte sie dann doch noch ein wenig ein.

      Mit dem Gefühl, nicht zu wissen wo sie war, wachte Eve kurz vor fünf Uhr wieder auf. Schnell duschte sie sich und zog ein frisches Shirt sowie ihre neue Jeans und die Sportschuhe an. Bevor sie sich traute das Zimmer zu verlassen, schaute sie sich vorsichtig nach allen Seiten um. Aber weit und breit war niemand zu sehen. Mit ihrer Handtasche über der Schulter, fuhr sie mit dem Aufzug nach unten, um in dem Restaurant des Hotels etwas zu frühstücken.

      Auf dem Weg dorthin musste sie entlang eines langgestreckten Swimmingpools laufen, in dessen Mitte sich eine exotisch anmutende Poolbar befand. Zu dieser frühen Stunde war sie noch geschlossen. Ein einsamer Schwimmer zog seine Bahnen in dem Schwimmbecken. Er schwamm sehr schnell und befand sich auf der Höhe ihrer Füße, während sie an dem Pool entlang ging.

      Auch wenn ihre Situation im Moment sehr verworren war, kam sie nicht umhin, dem Schwimmer einen bewundernden Blick zuzuwerfen. Na wenn das kein erfreulicher Anblick war! Lange gut geformte Beine mündeten in schmale Hüften. Unter der knappen Badehose zeichnete sich ein durchtrainierter Po ab, wie er nicht oft zu finden war. Der Rücken war wunderbar muskulös. Er hatte breite Schultern und kräftige Oberarme, die gerade das Wasser zur Seite schaufelten.

      Während sie den unbekannten Schwimmer ungeniert musterte, legte dieser noch an Tempo zu und erreichte vor ihr das Ende des Beckens. Völlig entspannt hing er einen Arm über den Beckenrand und betrachtete sie. Hoppla, erkannte sie, das war ja ihre Bekanntschaft von gestern. Der Herr mit dem Röntgenblick. Er drückte sich mit den Armen hoch und setzte sich auf den Beckenrand. Wieder lächelte er sie an und Eve bemerkte, dass der Unbekannte sie, genauso wie sie ihn, wieder erkannte.

      ››Hi!‹‹, sagte er, während ihm das Wasser aus den Haaren über sein Gesicht und weiter über seine unbehaarte Brust lief. Ein sehr attraktiver Anblick. Sein Lächeln war ansteckend. Er hatte wunderschöne sinnliche Lippen und lange Wimpern, in denen jetzt Wassertropfen hingen und unter denen das Blau seiner Augen strahlte.

      ››Hi!‹, grüßte Eve freundlich zurück und marschierte weiter zum Restaurant. So wie der aussah, arbeitete der Typ bei den Chippendales und strippt. Trotz der vertrackten Situation und der kurzen Nacht vollführte die Libido in ihrem Bauch einen Salto. Kopfschüttelnd lief sie die Treppen herunter, um in das tiefergelegene Restaurant zu gelangen. Gähnende Leere empfing sie, was ihr mehr als Recht war. Sie suchte sich einen Tisch in der hintersten Ecke, von wo sie den Eingang im Blick hatte, aber selber nicht sofort gesehen wurde und ließ sich vom Kellner eine große Tasse heißen Kaffee bringen. Das Frühstücksbuffet war riesig und erfüllte so ziemlich jeden noch so ausgefallenen Wunsch. Eve gönnte sich Rührei mit Speck, ein Brötchen und zum Schluss noch etwas Obst. Essen hält Leib und Seele zusammen, sagte ihre Mutter stets, und heute hatte Evelyn das erste Mal das Gefühl, dass ihre Mutter damit Recht hatte.

      Frisch und gestärkt machte sich Eve nach dem Frühstück zurück auf den Weg in ihr Zimmer. Sicherheitshalber nahm sie einen anderen Weg und lief kreuz und