Benedict Dana

Der letzte Weg des Dr. Dembski


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für uns schon mehrmals Leute bestochen hat“, gab Tosh kurz darauf offen zu. „Genau das ist auch letzten Montag geschehen, als er diesem Clifford Dearing, dem Sicherheitsoffizier von LOGO, eine Information abgekauft hat. Wahrscheinlich haben wir uns die Geschäftstüchtigkeit dieses Menschen selbst herangezüchtet und müssen nun sehen, wie wir den bösen Geist wieder zurück in die Flasche bannen.“

      „Es klingt fast, als hätten Sie Verständnis für ihn. Ich hoffe, Sie werden ein solch verräterisches und geschäftsschädigendes Verhalten in keiner Weise tolerieren!“

      „Natürlich ist der Mann früher oder später zu entfernen, aber vorher müssen wir uns gut überlegen, wie wir dabei vorgehen wollen. Wenn wir ihn offen konfrontieren und in die Enge treiben, bringen wir ihn vielleicht dazu, einen noch viel schlimmeren Verrat zu betreiben.

      Das Beste wäre, ihn zunächst von allen entscheidenden Informationen abzuschneiden, ohne dass es für ihn zu auffällig wird. Sobald wir irgendetwas über Dembskis Dateien öffentlich bekannt gemacht haben, wird er dann aus irgendeinem vorgeschobenen Grund entlassen und mit einer Geldsumme für sein zukünftiges Schweigen abgefunden.“

      „Wie? Sie wollen ihm auch noch Geld hinterher werfen? Nun, wie auch immer, ich selber habe zumindest meine Pflicht getan und Sie informiert. Über das weitere Vorgehen entscheiden natürlich Sie.

      Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie die Bewachung des Labors veranlassen werden?“

      „Natürlich. Ich werde es Sawyer und Silverman befehlen. Es handelt sich ja nur noch um ein paar Tage bis nächsten Montag, dann ist der ganze Spuk vorbei. Ich hätte da noch eine etwas heikle Frage zu Ihrem Freund Enrico Gonzalez: Wäre es von Ihnen zu viel verlangt, die Beziehung zu ihm etwas zu vertiefen? Falls er zu einem zuverlässigen Informanten für uns wird, könnte das für Sie zu großzügigen Sonderprämien führen. Mr. Abrahams sucht noch irgendetwas, wodurch er LOGO in der Öffentlichkeit kompromittieren kann.“

      Obwohl Tosh die delikate Bitte betont vorsichtig und diplomatisch vorbrachte, musste sie zu einer leicht verschämten Antwort bei der schönen Lydia führen.

      „Vielleicht haben Sie schon davon gehört, dass ich Männern körperlich nicht zugeneigt bin. Es wird ja kaum genügen dem hübschen Bengel bloß etwas vorzuspielen, falls Sie mich verstehen…

      Nun, ich werde darüber nachdenken, wie weit ich zum Wohl der Firma gehen will.“

      -

      Wenig später war Lydia in der 99. Etage damit beschäftigt, zusammen mit Luke Sawyer, dem Leiter der Sicherheitsabteilung, den Eingangsbereich des großen Sitzungssaals zu überwachen.

      In derselben Zeit unterzeichnete Leo Abrahams in seinem Büro den Verkaufvertrag der Internetsparte, wobei auf seiner Seite Wesley Snyder, die Juristen Dr. Gillian und Mr. Parker, die Vorstandsmitglieder Mr. Fisher und Prof. Dr. Fuller sowie Tosh O’Brian anwesend waren, während Logo durch Eric Young, Amy Livingston, Oliver Hill, einem gewissen Carl Dubridge und zwei Vertreter von der Kanzlei White & Blumberg repräsentiert wurde.

      Lydia, die nicht hinnehmen konnte, dass ein Mann wie Silverman die Arbeit einer ganze Abteilung durch Verrat massiv durchkreuzte, fühlte sich von Tosh O’Brian nicht genügend verstanden und hatte deshalb Luke Sawyer in das Problem eingeweiht. Luke, der als ein harter, aber loyaler Typ galt, betrieb keine Geschäfte in Silvermans Art und war über die Enthüllung aufrichtig bestürzt. Sie verdarb ihm die Aussicht auf einen abwechslungsreichen Abend, an dem er sich wie ein geladener Gast unbeschwert unter die Menge mischen und sich über das üppige kalte Buffet hermachen konnte.

      Gerade als Lydia ein unrühmliches Psychogramm über Silverman zeichnete und meinte, „für mich ist er nichts als ein frustrierter, dicker Mann ohne Frau und Familie in einer permanenten Psychokrise, der ein halbes Leben unter der Fuchtel autoritärer Vorgesetzter gestanden hat und die Lösung aller Probleme in einer möglichst großen Summe Geld erkennt“, öffnete sich eine Seitentür, durch die der innere Zirkel um Abrahams und Young den Festraum betrat. Kurz bevor Luke zum anderen Ende des Saals hinüberging, um sich, wie es seiner Aufgabe entsprach, in der Nähe von Abrahams Sitzplatz zu positionieren, antwortete er mit bösem Zynismus:

      „Ist das denn irgendetwas Besonderes, Lydia? Was haben Menschen im Laufe der Geschichte nicht schon alles für Geld getan. Vielleicht werde ich mir den Verräter einfach selber vorknöpfen und ihm eine Falle stellen!“

      Lydia nahm die Drohung ihres Kollegen zufrieden auf und beobachtete, wie der große und schlanke Eric Young mit überheblichem Blick als erster in die Mitte des Saals stolzierte und sich vor den etwa 150 Anwesenden so präsentierte, als würde er der große Gewinner und absolute Mittelpunkt des Abends sein. Jedermann wusste, dass er eher wegen seines passenden Auftretens als wegen seiner Fähigkeiten zum Gesicht von LOGO geworden war und im Grunde nur ein gut bezahlter Schauspieler war. An der Stirnseite des riesigen Saals, an der man durch eine voll verglaste Wand die Lichter Manhattans in der dämmerigen Tiefe sah, trat Jessica Mayfair, die Pressesprecherin von Independent Internet, an ein Rednerpult und verkündete mit ein paar blumigen Worten den erfolgreichen Vertragsabschluss. Dieser wurde daraufhin durch ein mehrfach wiederholtes Händeschütteln von Abrahams und Young einige Minuten lang im Mittelpunkt des Saals in Szene gesetzt, sodass einige anwesende Fotografen genügend medienwirksame Bilder aus verschiedenen Perspektiven aufnehmen konnten. Die Gäste hatten dabei einen großen Kreis um die beiden Hauptpersonen und ihr Gefolge gebildet und klatschten artig zu der Presseerklärung, die später noch durch einen Sprecher von LOGO fortgeführt wurde.

      Nach der Show nahmen alle die ihnen zugewiesenen Plätze an zwei langen Festtafeln ein, um einer Ansprache von Abrahams’ Sohn Theodore zuzuhören. Während Theodore vor dem Publikum, das vor allem aus leitenden Angestellten beider Konzerne, diversen Firmenvertretern, Journalisten, Politikern und Freunden der Abrahams-Familie bestand, eine nicht sehr viel sagende Rede hielt, die von der Public-Relations-Abteilung ausgearbeitet worden war, hatten sich Abrahams und Young an einen der beiden Tische gesetzt und bei einem Glas Champagner ein kurzes Gespräch begonnen.

      Young, der sich noch immer nach allen Seiten wie ein strahlender Sieger darstellte, sah mit seiner samtenen, lilafarbenen Krawatte, dem teuren Maßanzug und den spitzen, glänzenden Schuhen wie ein großer Dandy aus, der von grinsenden Posen und medienwirksamen Auftritten erheblich mehr als von Geschäften verstand. So war auch das gesamte Szenario für die Geschäftsübernahme nicht von ihm selber ausgearbeitet worden, sondern von einem scheinbar unabhängigen Think Tank, der in Wahrheit der United States Intelligence Community nahe stand. Er hatte fast permanent ein überhebliches und spöttisches Grinsen im Gesicht, das nicht nur der gesamten Veranstaltung, sondern auch Leo persönlich galt, den er in der Art des vermeintlichen Gewinners ziemlich von oben herab ansprach:

      „Nachdem nun alles unterschrieben ist, brauchen wir uns zum Glück nichts mehr vorzumachen, Leo. Sie sollten nicht so böse in die Gegend blicken, als ob Ihnen irgendetwas Schlimmes geschehen wäre. 7 Milliarden für Ihr defizitäres Internet sind wie ein großes Geschenk, für das Sie den Fotografen wenigstens ein kleines Lächeln schenken könnten!“

      „Ihr aufgesetztes Grinsen verhindert jedes aufrichtige Lächeln, Eric. Irgendwann haben Sie bestimmt genug davon, bloß einen gut bezahlten Darsteller abzugeben, der sich auf allen Veranstaltungen wie ein Popstar beklatschen lässt, obwohl er selber noch niemals wirklich etwas geleistet hat. Ich glaube in Ihnen könnte wirklich etwas stecken, sobald man Ihnen eine echte Chance gibt!“

      Abrahams musste selber über seine Worte lachen, durch die er Sarkasmus, Beleidigung und einen kleinen Rest von Menschenfreundlichkeit originell durchmischte. Den abrupten und extremen Wechsel des Tonfalls nach der Zeit des seriösen Verhandelns empfand er als nichts Besonderes, da er damit in seinem langen Geschäftsleben schon oft genug konfrontiert worden war.

      „Ihre Undankbarkeit gefällt mir nicht, Leo“, entgegnete Young, der hinter seiner arroganten Fassade insgeheim Respekt vor dem 25 Jahre älteren Abrahams empfand, leicht beleidigt und schüttelte mit gespielter Fassungslosigkeit grinsend den Kopf. „Es mag sein, dass der amerikanische Markt nicht wirklich frei ist, aber wenigstens zahlt man in den USA noch immer sehr anständig, während Leute wie Sie in anderen Ländern manchmal einfach enteignet