Benedict Dana

Der letzte Weg des Dr. Dembski


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schlug daher vor:

      „Wir könnten Independent Internet durch einen Deal dazu zu überreden, die Dateien unter Verschluss zu behalten. Neben einigen nützlichen Informationen würden wir dafür Straffreiheit für Dembski anbieten. Damit wäre fast alles wieder beim Alten, so als wäre niemals etwas geschehen.“

      „Kein schlechter Gedanke, Huntington. Aber wer weiß, ob überhaupt irgendwem bei I.I. etwas an unserem alten Freund Dembski liegt. Nein, der erste Teil unserer Operation wird zunächst nur darin bestehen, Dembski ohne großes Aufsehen offiziell zu verhaften und zu verhören, wobei ihm natürlich kein Haar gekrümmt werden soll. Danach wird man weitersehen. Grundsätzlich habe ich vor allem nur Hennan, einigen Leuten im Kongress und den Direktoren der Intelligence Community Rechenschaft abzulegen.

      Ich möchte betonen, dass Sie alle kein Risiko eingehen, da Sie nur meinen Befehlen folgen und nichts Unerlaubtes tun. Sollte die Sonderbehandlung Dembskis eines Tages zum Thema für meine Vorgesetzten werden, werde ich alles auf meine Kappe nehmen.“

      Wie schon zu Beginn warf Dalberg den Versammelten abermals eindringliche Blicke zu, so als wollte er sie kraft höherer Suggestion auf bedingungslose Loyalität einschwören. Seine enge Mitarbeiterin Angela McKenzie, die als seine rechte Hand galt, brachte zum Abschluss einen Vorschlag zur Sprache, dem alle zustimmten, da er Dembski die Möglichkeit einer freien Entscheidung einräumte:

      „So weit ich weiß, hat der Mann während seiner Karriere selber einige Menschen vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt, weshalb es nur gerecht ist, wenn er von uns eine humane Behandlung erfährt. Sobald Dembski aus New York zurückgekehrt ist, sollte ihn jemand von uns aufsuchen, um ihm die Lage offen zu erklären.

      Er soll selber entscheiden, ob er die Sache freiwillig hinter sich bringt und einige Zeit im Gefängnis absitzt, oder aber ob er die Flucht vorzieht mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt. Die Entscheidung wird ihm leichter fallen, wenn er sich auf Mr. Dalbergs Einfluss während seiner Haftzeit verlassen kann.“

      -

      Davids Gespräch mit Abrahams im Harriman Countryclub sowie die geheime Zusammenkunft um Dalberg in Langley lagen noch nicht lang zurück, als sich in Elizabeth, New Jersey, der Top-Informatiker Oswald Krueger die Haare raufte und daran dachte, seine Arbeit aus seelischen Gründen niederzulegen. Er galt ähnlich wie Davids Freund Frederic Cohen in Langley als ein Genie unter seinen Kollegen, war dafür aber mit einer etwas labilen Psyche ausgestattet, auf der sein derzeitiger Auftrag stark lastete.

      Krueger saß allein in einem geräumigen Computerlabor, das zum „Independent Internet IT Researches Center“ gehörte und als Teil der Internetsparte von der baldigen Übernahme durch LOGO betroffen war. Er befand sich in einem schwerwiegenden inneren Konflikt, da er sich nicht sicher war, ob er den heiklen Auftrag, die Daten auf den vier Festplatten einer genauen Analyse zu unterziehen und von dem Sicherungssystem EDNA zu befreien, überhaupt zu Ende bringen sollte. Schließlich plante der neue Besitzer, das Labor bereits in wenigen Wochen zu übernehmen und würde für seine derzeitige Tätigkeit kaum Verständnis aufbringen.

      Er zupfte nervös an seinem schwarzen Bart herum, schob irgendwann seine dünne Nickelbrille auf den Kopf und zündete sich mit zittrigen Händen eine seiner filterlosen, starken Zigaretten an, die er im 30-Minuten-Takt süchtig zu inhalieren pflegte. Das gesamte Datenvolumen der Festplatten, die David einige Tage nach seiner Rückkehr aus dem Harriman Countryclub im „Maison Rouge“ an Lydia Abramovitch übergeben hatte, hatte Krueger bereits ohne die EDNA-Formatierung auf einen großen Rechner übertragen, der in einer Woche durch einige Sicherheitsleute abgeholt werden sollte. Er war in seiner Arbeit schnell vorangekommen und konnte das Zeitlimit in technischer Hinsicht gut einhalten, allerdings streikten dafür jetzt seine schwachen Nerven, da der brisante Inhalt der Dateien zu viel für ihn war. Er nahm den Hörer eines weißen Tastentelefons ab, wählte eine Nummer und sprach bald mit Lydia Abramovitch, die aus Sicherheitsgründen zu seiner einzigen Ansprechpartnerin in der Angelegenheit bestimmt worden war. Die mittlerweile täglichen Gespräche, die er mit ihr führte, waren ihm keineswegs unangenehm, da er die attraktive Detektivin und Sicherheitsangestellte insgeheim verehrte.

      „Wissen Sie überhaupt, was Sie mir da zugemutet haben, Lydia?“, raunzte Krueger in weinerlichem Beschwerdeton ins Telefon hinein. „Ich fühle durch diese Arbeit ernsthaft mein Seelenheil bedroht, da ich nachts schon nicht mehr schlafen kann. Ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen, damit es mir nicht den Boden unter den Füßen wegreißt!“

      Lydia hatte mit einem derartigen Aussetzer früher oder später gerechnet, weil sie den neurotischen Krueger gut kannte. Da sie bei I.I. als das Mädchen für Alles galt und breit gestreute Arbeitsfelder absteckte, musste sie nun auch noch in die Rolle einer Psychologin schlüpfen, um einem überforderten Kollegen zum Wohl der Firma beizuspringen.

      „Was ist denn los mit Ihnen, Krueger? Kommen Sie nicht voran? Denken Sie immer daran: Nächste Woche Montag um 3 Uhr läuft die Frist ab und der Rechner wird abgeholt. Übrigens wird in wenigen Stunden durch eine letzte Unterschrift selbst der Stuhl, auf dem Sie sitzen, bereits an LOGO verkauft sein. Werden Sie bis Montag fertig sein?“

      „Wenn ich nicht vorher einen Nervenzusammenbruch kriege, ja. Ich frage mich, warum man ausgerechnet mich für diese Arbeit ausgesucht hat.“

      „Bleiben Sie aufrecht, Krueger, und denken Sie an Ihre Prämie! Sie leisten gerade eine Arbeit, die Ihnen eine geradezu historische Bedeutung verleiht, auch wenn Sie diese leider niemals offiziell anerkannt bekommen. Aber immerhin dürfte es schätzungsweise 10 bis 20000 Amerikaner geben, die Kenntnis von der Existenz dieser Dateien haben. Sie stehen also wenigstens nicht völlig alleine da. Außerdem müsste es Ihnen auch ein Trost sein, dass ich als Ihre gute Freundin ebenfalls eingeweiht bin…“

      Krueger lachte nervös auf, verschluckte sich hustend an seinem Zigarettenrauch und entgegnete schließlich mit gutmütiger Entrüstung:

      „Ihnen sollte klar sein, wie sehr einen das Wissen um ein solches Material belasten kann. Könnten Sie mir nicht wenigstens irgendjemanden schicken, der mir bei der Bewältigung dieser Wahnsinnsaufgabe hilft?“

      „Unmöglich. Mr. O’Brian möchte die Zahl der Mitwisser natürlich so gering wie möglich halten. Wenn Sie wollen, kann ich selber im Labor vorbeikommen und Sie etwas aufmuntern. Zwar kann ich Ihnen keine technische Hilfe leisten, aber vielleicht hilft es Ihnen ja, mit jemandem über alles zu reden.“

      Die Aussicht auf Lydias Erscheinen rief höchstes Entzücken in dem exzentrischen und wunderlichen Computerexperten hervor, was jedoch durch seine brummige und scheinbar gleichgültige Antwort keinen Ausdruck nach außen fand.

      „Nun, Sie könnten ja vielleicht herkommen, um mir einen guten Kaffee zu kochen und mir zu helfen hier etwas Ordnung zu schaffen. Hier liegt ein Berg Fastfoodverpackungen einer ganzen Woche rum. Wenn Sie unterwegs noch irgendwo eine Coke und was zu Essen für mich aufgabeln könnten, würde das vielleicht einen positiven Einfluss auf den weiteren Verlauf der Arbeit nehmen!“

      Lydia zögerte nicht eine Sekunde, ihm die Erfüllung seiner Wünsche zuzusagen. Nachdem sie ihm versprochen hatte, sich sofort auf den Weg zu machen, nutzte Krueger die Unterbrechung durch das Telefongespräch zu einer Pause, in der ihm nach längerem Brüten eine Reihe neuer Ideen kam.

      Lydias Bemerkung, das Labor würde samt seiner Einrichtung in wenigen Stunden in den Besitz von LOGO übergehen, veranlasste ihn dazu, sich den Inhalt einiger Schränke genauer anzusehen, um vielleicht auf irgendetwas zu stoßen, was für ihn noch zu verwerten war. Neben einer Reihe alter, noch brauchbarer technischer Geräte und Ersatzteile fand er zufällig auch das letzte Exemplar des seltenen Festplattentyps, der mit dem Rechner kompatibel war, auf dem er gerade arbeitete. Es wäre ihm wie eine große Verschwendung vorgekommen, die wertvolle und schwere Platte im Labor zu lassen, wo sie nach der Abholung des Rechners wahrscheinlich nie wieder jemand gebraucht hätte.

      Der Gedanke, wie sehr sie sich dafür eignete ein geheimes Back Up aller Daten herzustellen, trat ihm erst mit aller Deutlichkeit ins Bewusstsein, als er schon wieder rauchend an seinem Schreibtisch saß und über ein bestimmtes, seine Arbeit betreffendes Problem nachsann. Zunächst wehrte er sich gegen den Einfall,