Benedict Dana

Der letzte Weg des Dr. Dembski


Скачать книгу

drehte er sich noch einmal um und fragte den Anderen scheinbar beiläufig:

      „Ach, bevor ich es vergesse: Wie sieht es denn umgekehrt aus? Abrahams hat mich gebeten die Ohren offen zu halten und lässt sich gute Informationen natürlich immer etwas kosten!“

      Dearing musste über den dicken, unverschämten, geldgierigen Mann plötzlich lachen, der eine solch bedeutende Sache wie nebenbei vorbrachte und ihn nicht gleich danach gefragt hatte. Er wollte nämlich schon die ganze Zeit darauf kommen.

      „Die Information, die ich habe, kostet 40000 Dollar, heute Abend bar auf die Hand. Kannst du das klar machen, Silverboy?“, fragte Dearing in einem räudigen Ton, durch den er plötzlich wie ein Straßendealer klang.

      „Das läuft nur, wenn die Verhandlungen heute zum Abschluss kommen. Du kennst die Regel: Die Information muss sich als wirklich nützlich erweisen, bevor Geld ausgezahlt wird. So gilt es bei mir – also auch bei dir.“

      Obwohl Silverman sehr oft hoch pokerte, hörte er sich bei dieser Feststellung wie ein kleiner Buchmacher an, der auf penible Art Gerechtigkeit einforderte.

      „Durch diese Information werden die Verhandlungen überhaupt erst zu einem erfolgreichen Abschluss kommen können. Überleg es dir und schlag lieber ein, bevor ich es mir anders überlege!“, zog Dearing sofort die Daumenschrauben an.

      „Schon gut, schon gut… wir werden ja sehen. 40000 kämen in dem Fall wie aus der Portokasse.“

      „Dann hör’ zu:

      Nachdem Hill durch dich erfahren hat, dass Snyder in jedem Fall auf 7 Milliarden beharrt, hat er sich entschlossen darauf einzugehen. Er will trotzdem knallhart verhandeln und bis zum Schluss soll es so aussehen, als müsste Snyder 6,8 Milliarden annehmen oder an diesem Tag leer nach Hause gehen. Mein Tipp ist also locker 200 Millionen wert, wenn ich empfehle: Snyder sollte nicht das Nervenflattern kriegen und bloß nicht auf die 6,8 eingehen, denn Hill und Livingston werden in allerletzter Sekunde einlenken!“

      Dearings Rat klang beinahe wie eine Selbstverständlichkeit und doch konnte er die nötige Rückversicherung darstellen, wenn Hills Haltung wirklich fest stand.

      „Der Tipp könnte 200 Millionen wert sein, wenn wir auch nur im Entferntesten bereit wären auf 6,8 einzugehen. Aber wenn es uns weitere Verhandlungsrunden erspart, wirst du dein Geld bekommen. Vielleicht solltest du die Information unter die Leute streuen, dass Snyder nicht nachgeben wird, weil er etwas Schlechtes über East-West-Water gehört hat, was seinen Preis zum Ausgleich nach oben treibt. Hört sich doch sehr plausibel an…“

      Silverman trat noch einmal zwei Stufen die Treppe herunter, um Dearing zur Besiegelung des Handels die Hand zu schütteln. Da sie beide aus der Unternehmenskasse der Gegenseite jeweils eine ähnlich hohe „Provision“ kassieren würden, waren sie sich an diesem Tag absolut ebenbürtig.

      5

      David saß auf einem Polsterstuhl in dem so genannten „Blauen Salon“, der sich im zweiten Stockwerk des Clubgebäudes befand, blätterte zur Ablenkung ohne echtes Interesse in der New York Times und wartete. Walter Silverman hatte ihn vor über einer Stunde hierher geführt, ihm schweigend etwas zu trinken auf den Tisch gestellt und dann den Raum mit dem Detektor gründlich nach Wanzen durchsucht, wie Leo Abrahams es ihm am frühen Nachmittag aufgetragen hatte. Abrahams ließ große Vorsicht walten und hatte von Silverman verlangt, die Umgebung des Salons genau zu beobachten, bevor er mit Snyder, O’Brian, den inzwischen eingetroffenen Juristen Gillian und Parker sowie seinem Sicherheitsmann He in das Erdgeschoß hinunter zur ersten Verhandlungsrunde gegangen war. In der Pause wollte er über die Hintertreppe nach oben kommen und durch einen versteckten Nebeneingang den Salon betreten, wo die kurze, geheime Unterredung mit Dembski stattfinden sollte.

      Während sich unten im Konferenzraum zwei ungleiche Parteien aus sechs Personen auf Abrahrams’ und aus vierzehn auf LOGO’s Seite an einem großen ovalen Tisch gegenübersaßen, war David an die Balkontür des Salons getreten und sah nachdenklich in die weite Parklandschaft hinaus. Wenn alles ohne unvorhergesehene Zwischenfälle verlief, würde er später mit den Juristen im Wagen nach New York zurückfahren, dort Lydia Abramovitch die „Geschenke aus Langley“ übergeben und sich am nächsten Morgen auf den Weg nach Hause zu seiner Frau machen. Er würde großes Schauspielvermögen aufbringen müssen, um vor Eliza so zu tun, als ob alles glatt gelaufen wäre und sie in Zukunft nichts zu befürchten hätten. Denn in Wahrheit war seit dem nächtlichen Überfall in seinem Hotel ein tiefer Riss in ihm entstanden, der nicht mehr so leicht zu kitten war.

      Bei dem Blick aus dem Fenster spielten sich vor seinem inneren Auge Szenen eines glücklichen Ruhestandes ab, an deren zukünftige Realität er sich mit aller Macht zu glauben zwang. Allerdings war er ein viel zu guter Psychologe, um sich selbst betrügen zu können, weshalb er bald seine Lage mit der eines unheilbaren Krebskranken verglich, der seine Diagnose erst seit kurzem kannte und noch an die Möglichkeit einer Heilung glaubte. Die ausgedehnten Segeltörns, die er mit seinem alten Freund Timothy für seine Pensionszeit geplant hatte, bedeuteten für ihn einen lang gehegten Traum von Abenteuer und Freiheit, der sich nun in seiner Fantasie in den Alptraum einer plötzlich nötig werdenden Flucht verwandelte. Noch während er sich vorstellte, wie er die ganze Ostküste bis zu einer der kleineren Bahamainseln hinuntersegelte, um sich dort in irgendeinem kleinen Hafennest versteckt zu halten, öffnete sich plötzlich die optisch kaschierte Seitentür, durch die Leo Abrahams gefolgt von Akuma He eintrat.

      Im Gegensatz zu ihm schien Abrahams die allerbeste Laune zu haben, kam eilig auf ihn zu, hielt nochmals – wie schon am Mittag – für ein paar Sekunden vertraulich seine Hand in seiner fest und bat ihn dann zur Sitzgruppe hinüber.

      „Sie müssen ein echter Glücksbringer sein, Dr. Dembski. Genau in der Zeit, seit ich das erste Mal von Ihnen gehört habe, hat sich in meinen Geschäften vieles entscheidend verändert, sodass ich plötzlich die Lösung für einige große Probleme erkennen kann!“, leitete er ihre Unterhaltung sehr enthusiastisch ein.

      „Das freut mich sehr für Sie, Mr. Abrahams, bei mir scheint es allerdings genau umgekehrt zu sein. Ich fühle mich wie ein übermüdeter, nächtlicher Wanderer auf einem schmalen Höhengrat, der jederzeit abstürzen kann. Vielleicht gibt es eine besondere schicksalhafte Beziehung zwischen uns, so etwas, was man ein höheres Karma nennt“, entgegnete David halb ernst und halb scherzend und lächelte vieldeutig dabei. Er war abermals von Abrahams’ gesunder und agiler Gestalt beeindruckt und konnte kaum glauben, dass dieser Mann bereits 79 Jahre alt sein sollte.

      „Sie dürfen nicht glauben, ich wäre für die Karma-Idee nicht empfänglich. Ich bin nämlich nicht nur Geschäftsmann, sondern habe mich auch für die verschiedensten Geisteslehren interessiert. Haben Sie etwas dagegen, wenn Mr. He bei unserer Unterhaltung anwesend ist?“

      „Nein, absolut nicht. Ich habe ja Mr. He bereits kennen gelernt, er scheint mir der Höflichste von all Ihren Leuten zu sein.“

      „Falls unsere Beziehung tatsächlich schicksalhaft ist und Sie mir aus irgendeinem Grund Glück gebracht haben, würde ich gern wissen, was ich dafür für Sie tun kann“, begann Abrahams, wie es seine Art war, nach der kurzen Einleitung schnell zur Sache zu kommen - schließlich wartete bald im Konferenzraum die nächste Verhandlungsrunde auf ihn.

      „Ich nehme an, Sie kennen den Inhalt der Datenproben, die ich vor drei Wochen an Ihren Mr. Emerson geschickt habe, da es sich um einen Auszug eines digitalen Registers über Ihre eigene Person gehandelt hat“, lenkte also auch David ohne weitere Umschweife zum Thema hin.

      „Ich habe mir das selbstverständlich mit größtem Interesse angesehen. Bis auf ein paar nicht ganz richtige Darstellungen über meine Geschäftsbeziehungen scheint das Meiste darin sogar zu stimmen.“

      „Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass solche Register nicht nur über herausragende Persönlichkeiten wie Sie angelegt werden. Das werden Sie sicher längst vermutet haben. Mein Partner hat inzwischen Zugang zu etwa 180 Millionen dieser digitalen Personenregister erlangt und möchte solange weiter machen, bis er das gesamte Material über alle amerikanischen Staatsbürger hat.