Benedict Dana

Der letzte Weg des Dr. Dembski


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durch die Fenster des Restaurants über die Terrasse hinweg in den Himmel des parkähnlichen Gartens und beobachtete, wie ein tiefschwarz lackierter Helikopter im Anflug war und kurz darauf Leo Abrahams’ nicht lang zurückliegende Landung durch ein noch lauteres Brausen merklich übertrumpfte.

      Auch Leo schaute im zweiten Stock neugierig aus dem Fenster hinaus und sah wenig später, wie sich Amy Livingston – Vorstandsmitglied von LOGO und enge Vertraute von CEO Eric Young – mit etwas unsicheren und affektierten Schritten auf ihren Stöckelschuhen von der Maschine entfernte, wobei sie sich von einem Begleiter an ihrem Ellenbogen stützen ließ. Genauso wie es vorhin Clifford Dearing bei Abrahams Ankunft getan hatte, beobachtete nun Akuma He mit einem Fernglas Livingstons Tross. Er bestand im Kern aus fünf Personen, von denen er drei mit großer Sicherheit als Angehörige der Kanzlei White & Blumberg und zwei als die beiden jungen Assistentinnen der hochgestellten Managerin identifizieren konnte.

      David, der mit Lydia Abramovitch unten in der neben dem Restaurant befindlichen Bar saß und dabei Chauffeure, Piloten, Assistenten, Sicherheitsleute und Journalisten – kurzum das Gefolge all der anwesenden, höheren Herrschaften – zur Gesellschaft hatte, wusste von den großen Geschäften hinter den Fassaden des aristokratischen Gebäudes bisher noch nicht viel, wurde aber gerade von Lydia bis zu einem gewissen Grad über sie aufgeklärt. Der landende Helikopter, der von der Bar aus gut zu sehen war, veranlasste ihn dazu, zu seiner Begleiterin zu sagen:

      „Die Leute von LOGO scheinen ja wirklich überall zu sein. Ich frage mich, wann die endlich einmal an eine natürliche Grenze stoßen und von irgendeiner höheren Macht in ihre Schranken verwiesen werden.“

      „Diese Grenze wird erreicht sein, wenn die aufgeblähte Internetblase eines Tages einmal richtig platzen wird, weil die Menschen plötzlich unendlich gelangweilt sind und eine neue Sehnsucht nach dem guten, alten, echten Leben verspüren“, antwortete Lydia mit einem Sarkasmus, der sich aus der lockeren und leicht ironischen Unterhaltung erklärte, die sie zuvor geführt hatten.

      „Ich wundere mich, das gerade von Ihnen zu hören. Sie sollten umsatteln, Miss Abramovitch, und sich in Zukunft für Natur, Spiritualität und den freien Flug der menschlichen Seele interessieren, anstatt für einen Internetkonzern zu arbeiten.“

      Noch während Lydia darüber lachte, trat Walter Silverman an ihren Tisch, um sie über Leo Abrahams’ Anweisung zu informieren.

      „Entschuldigen Sie die Störung, Miss Abramovitch. Mr. Abrahams möchte, dass Sie und Mr. Burke später mit zwei Leuten von der Rechtsabteilung, Dr. Gillian und Mr. Parker, im Wagen zurück nach New York fahren. Er sieht zu viele LOGO-Leute hier, und es ist auch nicht auszuschließen, dass ein paar Agenten unter ihnen sind. Er will möglichst nicht mit Mr. Burke zusammen gesehen werden.“

      „Ist gut, Silverman. Was glauben Sie, wie lange die Konsultationen heute dauern werden?“, antwortete Lydia gelangweilt. Sie fürchtete stundenlang untätig in der Bar warten zu müssen, wie es ihr an diesem Ort schon einige Male geschehen war.

      „Sie wissen ja, wie es ist. Sie können jederzeit abgebrochen werden, nur weil man einen klitzekleinen Fehler in den Verträgen findet und die Rechtsverdreher dann eine ganz Nacht lang darüber brüten müssen. Oder es könnte bis zum späten Abend dauern, bis dann der Alte einen 7-Milliarden-Deal mit uns feiert und zu Champagner einlädt. Ich werde später wieder vorbeikommen und Mr. Burke abholen, sobald Mr. Abrahams ihn sehen will!“

      Nach dieser Ankündigung zog Silverman gleich wieder ab, worüber sie beide erleichtert waren. In dem Durchgang zwischen Bar und Restaurant begegnete Silverman dem schönen Enrico Gonzalez, den er jedoch nicht persönlich kannte und nur im Vorbeigehen unbewusst dem Lager von LOGO zuschrieb. Enrico wollte eigentlich nur kontrollieren, ob irgendein hochkarätiger Wirtschaftsberater in der Bar saß, den er vielleicht noch übersehen hatte, und entdeckte dabei zufällig „Super-Abramovitch“, die mit dem älteren Herrn am Tisch saß, den der Sicherheitsoffizier Dearing nicht hatte identifizieren können. Er zögerte eine Weile und entschloss sich dann seinen ganzen Mut zusammenzunehmen und zu ihr hinüberzugehen, woran er an die Prämie der Wette dachte, die sein etwas exzentrischer Chef Oliver Hill ausgelobt hatte. Er war nicht schüchtern, aber auch kein Draufgänger und die Aussicht auf einen überstundenfreien Monat für eine Abteilung, die mehr als 100 Leute beschäftigte, wog relativ schwer.

      In demselben Moment traf Walter Silverman auf dem Treppenabsatz zwischen erstem und zweitem Stock zufällig Clifford Dearing, was ihm sehr gelegen kam, da er diesen ohnehin bald angerufen hätte. Die Worte, die sie nun wechselten, waren mehr als nur vertraulich und hätten nicht einmal von ihren engsten Mitarbeitern gehört werden dürfen.

      „Na, Silverboy du alte Schlange…“, begrüßte Dearing ihn mit seinem internen Spitznamen herablassend und blickte sein Gegenüber fast verächtlich an, „…wann hast du dir endlich deinen Vorruhestand versilbert und kannst dich mit dickem Portemonnaie auf irgendeine Ranch in Texas zurückziehen?“

      „Wie du siehst, habe ich starkes Übergewicht und werde mir sicher nicht weitere fünf Jahre meine zarten Füße für den alten Abrahams platt treten“, erwiderte Silvermann mit einem leicht beleidigten Ton, der etwas von einer latenten Rechtfertigung für seine verräterischen Geschäfte an sich hatte.

      „Und du denkst wirklich, Snyder hat die 7 Milliarden so festgemacht, dass kein Jammern und kein Klagen hilft?“, wurde Dearing sofort geschäftlich und spielte auf die Information auf dem Zettel an, den Silverman seiner Assistentin Wanda Adams zugesteckt hatte.

      „Wenn ihr euch unnötige und kostspielige Verzögerungen ersparen wollt, würde ich noch heute darauf eingehen“, empfahl „Silverboy“ und klang dabei für eine Sekunde wie ein hoch dotierter Unternehmensberater. Ein Tipp, wie er ihn heute gegeben hatte, brachte ihm bis zu 50000 Dollar ein, wenn er tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf die Verhandlungen nahm.

      Dearing schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen prüfend an. Silverman, der „alten Schlange“, war absolut nicht zu trauen, weswegen er es jetzt plötzlich sogar für möglich hielt, dass er seine geheimen Geschäfte scheinbar reumütig vor Abrahams offen gelegt hatte, um von diesem eine weitere Summe für das Abgeben falscher Tipps zu kassieren, die für I.I. von Vorteil waren.

      „Snyder wird absolut hart bleiben, da kannst du mir vertrauen. Er hat einige Kenntnis über die inneren Strukturen von LOGO und weiß natürlich auch von dem Rutherford-Kreis und diesem ganzen Scheiß…“, unterstrich Silverman noch einmal.

      „Dann sag mir noch, wer der bärtige Kerl in dem altmodischen Tweedjackett ist, der mit euch gekommen ist“, forderte Dearing barsch.

      „Der hat rein gar nichts mit dem Geschäft zu tun. Ist bloß ein alter Freund von Abrahams, der gerne einmal im Helikopter mit geflogen ist und zu seinem persönlichen Vergnügen den Club besucht.“

      Unter anderen Umständen hätte Silverman nicht eine Sekunde gezögert, aus allem, was er über Dembski wusste, sofort Kapital zu schlagen. Es gab einen bestimmten Grund, warum er es nicht tat, denn er wollte sich dadurch nicht selbst in einem anderen Geschäft zuvorkommen. Jeder, der Silvermans ganze Niedertracht durchschaut hätte, wäre sein Spitzname „Silverboy“ extrem verharmlosend vorgekommen und er hätte lieber den Namen „Judas“ gewählt. Dies wäre allein deswegen gerechtfertigt gewesen, weil Silverman den heißen Tipp über einen Whistleblower in New York, der sich samt seiner heißen Ware in einem Hotel namens „Maison Rouge“ einquartiert hatte, schon frühzeitig sehr teuer an die Russen verkauft hatte.

      Clifford Dearing spürte, wie unverschämt Silverman über den „Kerl in dem altmodischen Tweedjackett“ log, allein schon weil dieser nach der Landung Leo Abrahams wie einem Fremden und nicht wie einem alten Freund die Hand geschüttelt hatte.

      „Vergnügungsausflug in den Club, das soll ich glauben!? Der Mann sieht mehr nach irgendeinem Wirtschaftsprofessor aus, der sich plötzlich noch einmischen wird und uns unnötige Schwierigkeiten macht!“

      „Glaub’ es oder glaub’ es nicht, ansonsten musst du die Wahrheit selber herausfinden. Der Wirtschaftsprofessor, von dem du sprichst, sitzt jedenfalls in Danbury und wird heute sicher nicht hierher kommen. Wir erwarten nur die zwei Juristen,