Benedict Dana

Der letzte Weg des Dr. Dembski


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aller EU-Bürger abgelegt und werden schrittweise auf das gleiche Niveau wie in den USA gebracht.

      Sie sehen, wir haben es hier mit einem der denkbar größten Datenskandale zu tun, der bei seiner Enthüllung unter Umständen zu revolutionären Aufständen führen kann!“

      Davids Darstellung klang ernst, knapp und präzise, und obwohl er sich an den Gedanken der Entsteheung eines digitalen Überwachungsstaates seit seiner zweijährigen Zusammenarbeit mit Frederic Cohen zwangsläufig gewöhnt hatte, hatte Abrahams ein feines, aufgeregtes Zittern in seiner Stimme bemerkt.

      „Revolutionäre Aufstände? Glauben Sie das denn im Ernst, Dr. Dembski? Die westliche Welt wurde doch durch Konsum und Medien derartig ruhig gestellt, dass niemand mehr für irgendeinen Freiheitskampf von seinem Sessel aufsteht. Big Brothers allwachendes Auge wird mehr und mehr Gestalt annehmen, darüber kann für niemanden in unserer Branche noch irgendein Zweifel bestehen! Nur Naivlinge, die sich die Welt ständig schönreden wollen, können diese Tatsache noch verdrängen. Was Sie mir da gerade berichtet haben, erstaunt mich nicht allzu sehr, auch weil wir bereits aus anderen Quellen ein paar entsprechende Informationen besitzen.

      Wie ich es sehe, haben die Menschen immer wieder alles bis zum Äußersten getrieben – die Geschichte hat es oft genug gezeigt. Es scheint die Entsprechung zu einem kosmischen Gesetz zu sein. Die Computertechnologie wird ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen, davon bin ich überzeugt. Aber vielleicht wird ja eines Tages tatsächlich eine aufgebrachte Volksmasse aufstehen und ihr die nötigen Grenzen aufzeigen. Diese Hoffnung sollten wir natürlich nicht ganz aufgeben!“

      Das zynische Lachen, das Abrahams daraufhin entfuhr, gefiel David nicht. Es klang fast wie ein Argument dafür, sich mit der unaufhaltsam wachsenden Macht „Big Brothers“ abzufinden.

      „Die Computerbranche hat Sie reich gemacht. Ich hoffe, Sie werden sich nun über die einmalige Gelegenheit freuen, einen entscheidenden Beitrag zum Widerstand gegen diese Entwicklungen leisten zu können“, bemerkte er betont ruhig und freundlich, damit es sein Gegenüber nicht etwa als Vorwurf interpretierte.

      „Mich trennen wahrscheinlich nur noch wenige Stunden von dem Moment, in dem ich zu einem entscheidenden Grad Abschied von dieser Branche nehme. Die Verhandlungen mit LOGO schreiten gut voran und ich werde schon bald in ganz anderen Geschäften tätig sein.

      Wenn Sie auch nur im Entferntesten wüssten, wie es auf dem amerikanischen Markt hinter den Kulissen zugeht, würden Sie mich für nichts verurteilen, Dr. Dembski! Der Korporatismus ist für alle eine große Geißel geworden und es waren natürlich nicht die Kräfte des freien Marktes, die sich einen zunehmenden Staatseinfluss in den Großkonzernen gewünscht haben. Es ist ein Einfluss, der den Hang zu einem hemmungslosen Datensammeln zweifellos begünstigt hat!“

      „Sie wissen, warum ich Sie unbedingt persönlich sprechen wollte. Ich muss mir der Unterstützung eines mächtigen Mannes sicher sein, weil ich sonst völlig allein vor einem übermächtigen Gegner stehe. Werden Sie mir helfen?“

      Davids Frage klang so schlicht, ehrlich und eindringlich, dass Abrahams plötzlich ein paar starke, positive Empfindungen für den idealistischen Psychologen bekam, wie er da mit seiner nicht gerade kräftigen Gestalt etwas verloren in dem großen Sessel vor ihm saß und für nicht weniger als die freiheitlichen Bürgerrechte der gesamten westlichen Hemisphäre eintreten wollte. Es veranlasste ihn dazu, für einen Moment in die Rolle des gutmütigen, alten Patrons zu schlüpfen, in der er gerne vor seinen Mitarbeitern auftrat.

      „Ich bin überzeugt, dass in unser aller Herzen der eine, ewige, universale Gott wohnt, weswegen ich in meiner Hilfsbereitschaft meistens großzügig bin. Ihre Mission hat tatsächlich etwas von einem höheren Schicksal an sich und natürlich übersehe ich nicht, wie sehr Sie sich dabei als Jude auf das Vermächtnis Ihres Großvaters beziehen. Ich werde Ihnen auf zweierlei Art behilflich sein:

      Zum einen werden wir all diese Dateien zunächst genauestens prüfen und dann geeignete Kanäle zur Öffentlichkeit herstellen, und zum anderen könnte ich Ihnen einen Unterschlupf anbieten, sobald es für Sie in den USA zu gefährlich wird. Sie werden hier auf Dauer kaum sicher sein.“

      Bei dieser Feststellung schwang plötzlich die versteckte Seitentür auf und Tosh O’Brian trat herein.

      „Meinen engsten Vertrauten Mr. O’Brian kennen Sie ja bereits. Ich werde ihn bitten, Ihr weiteres Schicksal mit wachsamen Blicken zu verfolgen und mir regelmäßig Bericht darüber zu erstatten. Es dürfte für Sie von Vorteil sein, wenn Sie gleich jetzt Freundschaft mit ihm schließen.“

      „Mr. O’Brian und ich haben uns heute bereits unterhalten, er scheint mir ein sehr vernünftiger und vorsichtiger Mann zu sein. Es wird sicher eine fruchtbare Zusammenarbeit werden. An was für einen Unterschlupf haben Sie gedacht, Sir? Ich würde Ihnen dafür natürlich auf ewig dankbar sein!“

      „Ein Konzern wie I.I. bietet dafür weltweit ausreichend Möglichkeiten. Ich halte es jedoch für geboten, zunächst Stillschweigen über die Details zu bewahren. Sie sollten sich von nun an strengste Geheimhaltung zur Regel machen. Sobald die Zeit gekommen ist, können Sie alles mit Mr. O’Brian besprechen. Im Übrigen wäre es mir lieb, wenn wir beide uns auf amerikanischem Boden möglichst kein zweites Mal wieder sehen – was Sie bitte nicht als eine Unfreundlichkeit von mir interpretieren!“

      Abrahams schaute etwas nervös auf die Uhr, was ein deutliches Zeichen dafür war, dass die Besprechung fast an ihr Ende gekommen war.

      „Ich frage mich, warum Sie unsere Begegnung gerade heute an diesem Ort arrangiert haben. Ist es nicht etwas gewagt hier zusammen zu sitzen, während unten die Vertreter einer Macht versammelt sind, die streng genommen zur Gegenseite zählt? Die Beziehung zwischen LOGO und den Geheimdiensten ist selbst in der Öffentlichkeit längst kein Geheimnis mehr.“

      Davids Einwand schien Abrahams nicht unvorbereitet zu treffen, denn er legte sofort ein weises Lächeln auf und erklärte mit feiner und kluger Stimme:

      „Wenn ich Ihr Projekt unterstütze, ist dies nicht nur reine Freundlichkeit, Dr. Dembski. Bedenken Sie das. Gäbe es die heutigen Verhandlungen mit LOGO nicht, hätte womöglich auch dieses Gespräch niemals stattgefunden, weswegen dies als Teil eines höheren Zusammenhangs zu sehen ist. Sie können für diese Fügung dankbar sein, denn vielleicht wird Sie eines Tages sogar Ihre Rettung sein. Für mich hat es einen symbolischen Wert, dass Sie heute hier anwesend sind, während im LOGO-Lager bereits ein unverhohlenes Triumphgeheul anschwillt und man sich dort als großer Sieger fühlt. Falls sich aus Ihren Dateien eine Kooperation zwischen LOGO und den Geheimdiensten öffentlich nachweisen lässt, könnte das eines Tages zu einem Schachzug auf internationaler Ebene führen, der mir allergrößte Genugtuung verschafft!“

      „Ich hoffe nur, dass all dies nicht zu einem höheren Spiel gehört, in welchem mir die Rolle des Opfers zufällt…“, entgegnete David kritisch, da er sich plötzlich wie eine kleine Bauernfigur auf einem großen Schachbrett fühlte. Tosh O’Brian beschwichtigte ihn jedoch sofort:

      „Sie brauchen sich vor Mr. Abrahams nicht zu fürchten. Wem er hilft, hilft er bedingungslos oder er lässt ihn sofort fallen. Es gibt ein paar Prinzipien, die bei uns Bedeutung haben. Verrat und Menschenopfer zählen nicht dazu. Da wir mit Ihnen kooperieren, soll Ihnen nichts geschehen, damit auch wir keinen Nachteil davon haben.“

      „Vielleicht werden Sie, werter Dr. Dembski, eines Tages noch die Vorurteile des Akademikers ablegen und erkennen, dass auch ein gewiefter Geschäftsmann geistige Prinzipien vertreten kann“, warf Abrahams grinsend ein. „Hat Ihnen eigentlich irgendjemand schon etwas über meine große Liebe zur traditionellen chinesischen Kultur erzählt?“

      „Mr. He erwähnte es, Sir.“

      „Nun, im Alter verändern sich die Wünsche und die Träume, das werden Sie bald selbst noch feststellen. Ich träume davon, eine große Pagode oder sogar einen Tempel nach altchinesischem Vorbild aufzubauen und im hohen Alter in eine blühende Berglandschaft mit Dörfern voller zufriedener Menschen zu sehen. Die Harmonie, die in der traditionellen chinesischen Kultur so wichtig ist, hat mir in meinem Leben oft gefehlt, weshalb ich meinen Traum noch nicht aufgegeben