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noch nicht im Topf gelandet, was?«

      »Der Hahn ist mir doch völlig egal. Ich bin müde«, entgegnete der Junge mürrisch. Doch das schien den Hahn nicht zu interessieren und so krähte er unermüdlich aus vollem Halse, denn das war ja seine Aufgabe. Also quälte Alexander sich mühevoll aus den warmen Federn, zog seine schmutzige Kleidung über und prophezeite: »Na warte, lange krähst du nicht mehr …«

      Die Bäuerin war bei ihrem Tagewerk und die Speisen auf dem Frühstückstisch dufteten verlockend. Alexander betrat die Stube und die freundliche Bäuerin begrüßte ihn: »Ah, der junge Herr. Habt Ihr gut geschlafen? Setzt und stärkt Euch erst einmal.«

      Bauer Ewald und Lilu saßen bereits am Tisch und Wigand, der Schmied, schien schon gegangen zu sein. Es wurde frisches Graubrot gereicht, dessen Scheiben fingerdick geschnitten waren und dazu gab es verschiedene Sorten Wurst und Käse, fruchtig süßen Beerensaft und frische Milch.

      Nachdem der erste Hunger gestillt war, ergriff Bauer Ewald das Wort: »Euer Ziel ist ehrenhaft, doch solltet Ihr bedenken, dass die Reise anstrengend und gefährlich sein wird. Ihr werdet genug damit zu tun haben, eure eigene Haut zu retten, also haben wir uns gedacht, … also mein Weib hat gedacht, dass es besser sei, wenn Ihr das Kindchen vorerst in unsere Obhut gebt.«

      Lilu hatte zwar darauf gehofft, dass die Bauern sich des Kindes annehmen würden, ließ aber vorerst auf eine Antwort warten. Ansonsten hätte sie das Kind in die Obhut der Kirche geben müssen, um es vor dem Armenhaus zu bewahren. Beides waren keine geeigneten Orte für Kinder und schon gar nicht für ein Baby. Einige behaupteten, dass die barmherzigen Schwestern für die gegebene Nächstenliebe stets Gegenleistungen erwarten würden. Entweder ließen Sie sich in Form von finanziellen Zuwendungen der Angehörigen entlohnen, oder sie ließen die Kinder sehr schwer für ihr tägliches Brot schuften. Auch Das Armenhaus hatte ebenfalls keinen allzu guten Leumund. Auch hier müssten die Halbwüchsigen sich ihren Unterhalt erstreiten und manch bedauernswertes Geschöpf sei auf Nimmerwiedersehen verschwunden und keine Seele habe auch nur eine Träne seinetwegen vergossen.

      Die Bäuerin schaute erwartungsvoll erst zu Lilu, dann zu Alexander und dann wieder zu Lilu, wagte jedoch nicht die Stille zu unterbrechen.

      »Wenn Ihr …«, Der Bauer schüttelte den Kopf. »Nein, sobald Ihr Euer Abenteuer überstanden habt, könnt Ihr die Kleine natürlich jederzeit wieder abholen.« Daraufhin schaute er seine Frau an und nickte: »Sechs Burschen hat sie mir geschenkt und hat sich dabei immer nach wenigstens einem Mädchen gesehnt. Lasst sie in unserer Obhut – sie wird es gut bei uns haben und es wird ihr an nichts mangeln.«

      »Wir werden sie Anni nennen; nach meiner Mutter Anneliese, denn jeder braucht ja einen Namen«, sagte die Bäuerin und Alexander bemerkte, dass er den Namen der Bäuerin gar nicht kannte. Bauer Ewald rief sie nur ›Weib‹, die sechs Söhne hatten wohl ›Mutter‹ oder ›Mama‹ gesagt und sie selbst würde sich ja nicht mit Namen ansprechen. Wahrscheinlich hatte sie im Laufe der Jahre ihren Namen einfach vergessen.

      »Es ist ein so liebes Kind«, sagte die Frau. »Habt Ihr nicht auch bemerkt, dass sie nicht ein einziges Mal geschrien hat? Sie liegt nur da und freut sich des Lebens, und ich könnte schwören, dass sie jedes Wort von dem versteht, was wir sagen. Sie schaut dann immer so neugierig. Ist Euch das nicht aufgefallen?«

      Der Bauer warf seinem Weib einen strengen Blick zu, als ob er ihr zu verstehen geben wollte, dass es nun genug sei und sie gefälligst den Mund halten solle, denn schließlich führe er ja die Verhandlungen.

      »Die Eltern des Kindes können nicht weit sein«, wandte Lilu ein. »Ein Storch kann nicht sehr weit mit einem Baby fliegen, und es wird ihnen das Herz zerrissen haben, dass es geraubt wurde. Ihr müsst mir versprechen Euer möglichstes zu tun, der Mutter ihr Liebstes zurückzugeben.«

      »Dieses verspreche ich, so wahr ich hier sitze und Ewald Stübbe heiße«, bestätigte der Bauer. Seine Gattin nickte zustimmend, ihr Gesicht strahlte vor Glück.

      Nachdem dieses zur Zufriedenheit aller geklärt war und sechs weitere Graubrotscheiben verdrückt worden waren, war es an der Zeit, die beschwerliche Reise fortzusetzen. »Leider müssen wir uns nun aufmachen«, sagte Lilu sehr höflich. »Lieber Bauer Ewald, könnt Ihr uns den Weg beschreiben, der uns zum Gebirge führt?«

      Der Bauer sann ein wenig nach und antwortete: »Natürlich. Vorerst müsst Ihr in Richtung Ebsmoor und von dort aus dem Lauf des Flusses folgen. Der kürzeste Weg führt durch das Teufelsmoor. Es ist der kürzeste, aber auch der gefährlichste. Solltet Ihr einen sichereren Weg bevorzugen, so wird Euch das mindestens sieben oder acht Tage kosten.«

      »Das ist zu lang«, sagte Lilu entschlossen. »Beschreibt uns den kürzeren.«

      »Ihr müsst im Moor nur dem Weg nach Norden folgen. Der ist gut ausgebaut und führt euch schnurstracks an Euer Ziel. Doch bleibt auf dem Weg. Ihr dürft ihn niemals und unter keinen Umständen verlassen. Wenn Ihr das beherzigt, wird Euch kein Unheil widerfahren.«

      Und das sollte ja nicht so schwer sein. Doch ergänzte der Bauer: »Und geht niemals nach Einbruch der Dämmerung. Rastet, und setzt Eure Reise am nächsten Tage fort. Ich fahre oft ins Moor zum Torfstechen und denke mich dort gut auszukennen, aber selbst ich würde niemals des Nachts ins Moor gehen.«

      »Erzähle ihnen von den Lichtern«, wandte seine Gattin ein. »Ewald, die Irrlichter.«

      »Ach ja, das Moor hat Irrlichter. Wenn Ihr des Nachts glaubt, Stimmen zu hören oder die Lichter eines Dorfes zu erkennen, haltet Euch fern und verlasst auf keinen Fall den Weg. Das sind böse Irrlichter. Niemand weiß, woher sie kommen aber es gibt sie. Ich habe sie selbst gesehen und es sind schon verwegenere Leute ins Verderben gelaufen und niemals wiedergekehrt.« Diese Warnung war deutlich. Daraufhin sagte die Bäuerin: »Doch bevor Ihr geht, wollen wir Euch noch mit Proviant und warmen Kleidern versorgen.«

      Vom Bauern bekam Alexander einen schweren grünen Kapuzenumhang, der bis zu seinen Knien reichte. An den Innenseiten befanden sich unzählige Taschen, die sich noch als praktisch erweisen sollten. »Hier habt Ihr meinen alten Chlamys4«, sagte Bauer Ewald feierlich. »Er wird Euch warm halten. Ich trug ihn, als ich ein junger Bursche auf der Wanderschaft, und wie Ihr auf der Suche nach Abenteuern war.«

      Den Reiseproviant verstaute die zuvorkommende Frau in einer Tasche, die Alexander an einem Riemen über seiner Schulter tragen sollte. Lilu blieb, wie sie gekommen war, denn die Kleidung der Bäuerin hätte ihr sowieso nicht gepasst.

      Wenig später spannte Ewald ein altes, graues Pferd vor ein hölzernes Fuhrwerk und sagte: »Ich werde Euch bis zum Moor bringen. Von da an müsst Ihr alleine weiter. Ich kann Hof und Weib in diesen Zeiten nicht so lange ohne Schutz lassen.«

      Zuerst war Alexander dankbar über das Angebot und gerade wollte er es sich auf der Ladefläche gemütlich machen, da sprang der riesige Hofhund mit einem Satz auf die Pritsche. »Das ist Bero. Ihr braucht keine Angst zu haben. Der tut Euch nichts«, versicherte Bauer Ewald. »Auf jeden Fall nicht, solange ich dabei bin.«

       Das sagte er so leichtfertig aber Alexander hatte trotzdem eine gehörige Portion Respekt vor diesem Tier. Bero schien eine Mischung aus verschiedenen Hunderassen wie Rottweiler, Schäferhund, Bernhardiner zu sein und gewiss war auch ein Braunbär unter seinen Vorfahren. Auf jeden Fall war das der größte und kräftigste Hund, den Alexander jemals aus der Nähe gesehen hatte. Der Abschied von Anni fiel den beiden schwer, hatten sie doch in dieser kurzen Zeit das kleine Wesen in ihr Herz geschlossen. Und langsam begannen sie zu spüren, dass sie sich auf ein Abenteuer mit ungewissem Ende eingelassen hatten.

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