Peter Beuthner

Das Familiengeheimnis


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verschiedenster Art standen zur Auswahl, führ­ten die Men­schen zusammen, ermöglichten neue Kontakte, gaben neue Anregungen. Jeder konnte zu jedem Zeitpunkt und an jeder Stelle Dienst­leistungen in Anspruch nehmen oder selber anbieten. Geschäftiges Treiben allerorten. Die vielfältigen Möglichkeiten zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Handeln und das da­durch gestärkte Selbstbewußtsein jedes Ein­zelnen führte zu einer erheblichen Reduzie­rung streßbedingter psychischer Erkran­kun­gen.

      Besuch von Freunden

      Samstagabend. Eppelmanns waren zu Besuch bei Wangs. Herr Eppelmann sah müde aus. Er hatte den ganzen Tag über ein ziemlich anstrengendes Besuchsprogramm zu absol­vie­ren, um seine potentiellen Kunden, eine Delega­tion von Regierungsangehörigen der Süd­ameri­­ka­ni­schen Union, die schon seit Anfang der Woche zu Verhandlungen über den Erwerb breit­bandi­ger, multi­funktionaler Sensorsysteme im Hause waren, für einen Vertrags­abschluß zu gewin­nen. Von der Leistungsfähigkeit und Qualität der Produkte hatten sie während der Präsenta­tionen und Demonstrationen auf dem Versuchsgelände schon bald überzeugt wer­den können, trotzdem zogen sich die Verhandlungen in die Länge. Dabei ging es letztlich immer wieder um den Preis und – wie sich im Laufe der Verhandlungen immer deutlicher herausstellte – vor allem um das Know-how. Sie wollten eigentlich nur die Technologie, um solche Systeme dann selber herstellen zu können. Aber das wollte Eppelmann natürlich nicht, seine Firma lebte ja schließlich davon, solche Systeme zu entwickeln, zu produzieren und zu verkaufen. Wenn er das dafür notwendige Know-how verkaufte, dann würde er sich ja selbst die Geschäfts­grund­lage entziehen. Nur nicht zweimal denselben Fehler machen, hieß seine Devise. Das erste Mal hatte seine Firma genau diesen Fehler – zwar schon vor Jahrzehnten – in China gemacht, als sich das Land politisch öffnete, wirtschaftlich liberali­sierte und jede Menge ausländische Inves­to­ren mit großen Geschäftsversprechungen ins Land lockte. Aber kaum hatten diese ihre Investitionen dort getätigt, ihre Firmen dort aufgebaut, da verlangten die cleveren Chinesen den Know-how-Transfer. Ob der schon getätigten Investitionen ließen sich die meisten Firmen erpressen und gaben ihr Wissen preis. Zu ihrem großen Leidwesen dankten ihnen die Chine­sen jedoch nicht mit lukrativen Geschäften, son­dern nutzten dieses Wissen zu ihrem eigenen Vorteil und machten fortan selbst die Ge­schäfte, während die Investoren nicht nur mit leeren Händen dastanden. Schlimmer noch: Sie hatten sich ihre eigene Konkurrenz großgezogen! Viele Unternehmen hatten sich auf diese Weise förmlich ihr eigenes Grab geschaufelt. Das wußte Klaus Eppelmann aus ent­sprechenden Berichten noch zu gut, als daß er sich jetzt selbst auf einen solchen Kuh-Handel einlassen wollte. Der Schock saß immer noch tief.

      So gab es zähe, langwierige, ermüdende Verhandlungen – leider ohne den erhofften Erfolg. Verschiedene Optionen und Geschäfts­modelle waren diskutiert worden, von Lizenzrechten bis Joint Ventures, aber eine Einigung kam nicht mehr zustande. Immerhin waren die Ver­hand­lungen nicht abgebrochen, sondern nur vertagt worden. Aber ein Erfolg war eben auch noch nicht in Sicht.

      „Ja, ich bin etwas abgespannt heute“, räumte Klaus Eppelmann denn auch bereitwillig ein, nachdem ihn Chan schon gleich bei der Begrüßung besorgt gefragt hatte, ob er sich nicht wohl fühle.

      „Er hatte eine ganz anstrengende Woche“, bestätigte Ellen Eppelmann sogleich.

      „Aber Klaus, wenn du dich nicht wohl fühlst, dann können wir unser Treffen doch auf ein ander­mal verschieben“, schlug Chan vor, die sichtlich besorgt schien. „Warum habt ihr nicht einfach angerufen? Wir haben doch Verständnis dafür, wenn es dir heute nicht gut geht.“

      „Nein, nein! So schlimm ist es nun auch wieder nicht“, wiegelte Klaus Eppelmann ab. „Außer­dem, du weißt doch: Ein Guter hält‘s aus!“

      Alle lachten.

      „Also, wenn du schon wieder Witze machen kannst, dann ist es wohl doch nicht so schlimm“, entgegnete Qiang. „Dann kommt mal rein!“ Und mit einer einladenden Geste zeigte er in Rich­tung Wohnzimmer. „Du mußt mir aber versprechen, daß du ehrlich sagst, wenn es dir zuviel wird, wenn du lieber heimgehen möchtest. Versprichst du mir das?“

      „Ja, okay! Jetzt macht euch aber um mich keine Sorgen“, versuchte Klaus Eppelmann seine Gastgeber zu beruhigen. „Hier erwartet mich ja schließlich keine Arbeit mehr, im Gegenteil, es ist das reine Vergnügen, bei euch zu Gast zu sein.“

      „Also gut, dann kommt endlich rein“, forderte Qiang nochmals seine Gäste auf.

      Die Kinder hatten sich schon lange in den Hobbyraum verzogen. Klaus und Ellen Eppelmann gingen ins Wohnzimmer, die Gastgeber folgten ihnen.

      „Was darf ich euch als Aperitif anbieten?“ fragte Qiang seine Gäste. In seiner Heimat, China, war es nicht üblich, einen Aperitif vor dem Essen zu nehmen, aber Qiang war inzwischen sehr gut vertraut mit den europäischen Sitten und Gebräuchen, und als guter Gastgeber wußte er, was seine Gäste von ihm erwarteten.

      „Du kennst uns doch“, antwortete Ellen Eppelmann, noch bevor Qiang so richtig zu Ende ge­sprochen hatte. „Wir nehmen sehr gerne einen Prosecco.“

      „Ich habe es mir schon gedacht! Aber es hätte ja auch sein können, daß ihr ausgerechnet heute vielleicht mal den Gustus auf etwas anderes gehabt hättet. Deshalb frage ich lieber immer nochmal nach“, scherzte Qiang und gab Robby Anweisung, den kaltgelegten Prosec­co zu servieren.

      Während sie sich zuprosteten, gab Klaus Eppelmann schmunzelnd die Devise aus: „Heute abend wird nicht mehr über Geschäftliches gesprochen! Ich will den ganzen Abend nichts mehr davon hören, okay?“

      „Damit sind wir sehr einverstanden, nicht wahr Chan?“ pflichtete Ellen Eppelmann ihrem Mann spontan bei.

      „Ja, natürlich!“ beeilte sich Chan zu bestätigen. „Es ist mir sehr recht, wenn wir mal nicht übers Geschäftliche reden müssen! Es gibt ja wirklich genügend andere interessante Themen.“

      „Zum Beispiel?“ fragte Klaus Eppelmann.

      „Nun, zum Beispiel Politik oder Kultur oder Gesellschaftsthemen . . .?“

      „Hm, . . .“, stöhnte Klaus Eppelmann, „bloß nichts Anstrengendes heute abend.“ Dabei schau­te er Robby zu, wie dieser das Licht im Raume etwas dimmte. „Ich glaube, ich habe erstmal ein paar Fragen technischer Art an Qiang. Ihr wißt ja, ich bin gelernter Kaufmann. Von der Tech­nik habe ich keine Ahnung. Da nutze ich gerne mal die Gelegenheit für ein paar Fragen an unseren Chefingenieur hier.“ Und dabei klopfte er Qiang anerkennend auf die Schulter.

      Die Frauen schauten sich wortlos an und rollten vielsagend mit den Augen, bevor sie die Köpfe zum angeregten Plausch zusammensteckten.

      „Also gut“, räumte Qiang bereitwillig ein, denn die Wünsche seiner Gäste waren ihm stets eine Verpflichtung. „Ziehen wir beide uns ins Eck zurück. Die Damen interessiert das be­stimmt nicht, die wollen sich in der Zeit sicher über wichtigere Themen unterhalten“, be­merkte er leicht ironisch.

      Sie machten es sich gemütlich in der einen Ecke des Wohnzimmers, während die Damen in einer anderen Ecke Platz bezogen.

      Während Robby noch einen Prosecco nachschenkte, fragte Qiang: „Also, was willst du wissen?“

      „Hm . . .“, begann er zögernd, „vielleicht ist die Frage in deinen Augen ja töricht . . .“

      „Nur zu!“ ermutigte Qiang ihn.

      „Ich habe da gerade beobachtet, wie dein Roboter die Lichteinstellung verändert hat, ohne daß er irgendwo dran gedreht hat." Kurze Pause. „Und überhaupt, diese Lichtvariationen?“

      „Ja, das ist im Grunde ganz einfach“, begann Qiang zu erklären. „Sieh mal, wir beherrschen heu­te die Technik dieser hohen Frequenzen im sichtbaren Bereich, das ist einfach ‚state of the art’, wie wir sagen. Der für den Menschen sichtbare Bereich des elektromagnetischen Spek­­trums deckt ein bestimmtes Frequenzband von etwa 430 bis 750 Terahertz ab ent­sprechend den Wellenlängen von etwa 400 bis 780 Nanometern.