Lars Hermanns

Fairview - Schleichender Tod


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in Fairview arbeitet. Die ewige Fahrerei zwischen Kennesaw, Marietta und Canton war eine ziemliche Belastung. Und jetzt erfahre ich, dass ich bereits am Montag in Fairview arbeiten darf!?«

      »Sie nehmen das Angebot also an?«, fragte William rein der Form halber. Er sah, dass Deputy White kurz davor stand, vor Freude zu tanzen.

      »Ja, Chief, ich nehme das Angebot an. Sie ahnen gar nicht, wie sehr ich Ihnen beiden danken möchte!«

      »Wunderbar! Deputy White, ich erwarte Sie am Montagvormittag pünktlich um 8 Uhr vorm Rathaus von Fairview.«

      »Ich werde da sein, Chief.«

      O.C. holte sein Handy aus der Brusttasche und ging zum Telefonieren vor die Tür. William ahnte, dass er den Sheriff von Cobb County informieren würde.

      »Sehr gut! Bitte kommen Sie in zivil. Denken Sie bitte daran, dass Sie bereits ab morgen nicht mehr beim Sheriff arbeiten und folglich die Uniform nicht mehr tragen dürfen.«

      Michael nickte und hörte aufmerksam zu.

      »Am Montag werde ich Sie zunächst dem Bürgermeister vorstellen. Dort werden wir die Formalitäten erledigen, bevor ich Sie Ihren Kollegen vorstellen werde. Anschließend werde ich Ihnen den restlichen Tag frei geben, damit Sie sich um eine neue Uniform kümmern können. Ist das soweit für Sie okay?«

      »Ja, Chief.«

      »Dann, Deputy White, freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen.« William stand auf und reichte Michael die Hand. »Und seien Sie am Montag bitte pünktlich!«

      »Das werde ich, Chief. Worauf Sie sich verlassen können.«

       Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia

       Gordon war begeistert von Cynthia. William hatte recht, sie sah nicht nur phantastisch aus, sie hatte auch das gewisse Etwas. Seit O.C. und William zum Cracker Barrel aufgebrochen waren, hatten Gordon und Cynthia es sich vor dem Kamin gemütlich gemacht. Und Gordon spürte, dass Cynthia William deutlich mehr als nur reine Sympathie und Freundschaft entgegen brachte. Er war sich sicher, dass sie ihn liebte. Hoffentlich würde das nicht in Tränen enden. William hatte ihm gesagt, dass er noch nicht wüsste, was er wollte. Und Gordon hoffte sehr, dass der Junge bald wieder klar sehen würde. Cynthia war so eine Frau, wie Gordon sie sich nach Jeannes Tod immer gewünscht hatte: Aufmerksam, verständnisvoll, liebevoll … und Williams Erzählungen nach wohl auch sehr zärtlich. Was für ein Glückspilz!

      Es war beinah 17 Uhr als William und O.C. zurückkehrten. Beide schienen sehr zufrieden und lachten, während sie ins Haus kamen. Gordon und Cynthia standen von ihren bequemen Plätzen auf und gesellten sich zu den beiden Männern in der Küche.

      »Und? Ist der Mann der Richtige?«, fragte Gordon, während er sich wieder Wasser aus dem Kühlschrank nahm.

      »Ich denke schon, dass er der Richtige für mein Team sein wird«, antwortete William und nahm sich eine Sandwichecke. »O.C. hatte vollkommen recht – der Junge hat Potenzial.«

      O.C. nahm sich einen Muffin und setzte sich neben William auf einen der Hocker am Küchentresen. »Mit dem Sheriff von Cobb County ist alles geklärt; Deputy White wird bereits übermorgen in Fairview anfangen.«

      William erklärte Cynthia und Gordon, wie das Gespräch mit Michael Luther White verlaufen sei und auch, was dessen Beweggründe waren, sich nach Cherokee County zu bewerben. Anschließend sprachen die vier Freunde noch über alles Mögliche, was auch Mabels Backkünste mit einschloss.

      Der Sheriff blieb noch gute zwei Stunden, ehe er sich zurück nach Canton aufmachen musste. Seine Regierung würde abends immer auf ihn warten; und wehe, es würde zu spät werden! Lachend verabschiedete er sich von allen und begab sich auf den Heimweg. William war ihm unendlich dankbar. Sobald das Wetter es zuließe, überlegte er, würde er sich einen Grill besorgen, damit sie draußen auf der Veranda und im Garten ein BBQ abhalten konnten.

      Nachdem sie alles wieder weggeräumt und die Spülmaschine angestellt hatten, setzten sich William und Gordon mit Kräutertee vor den Kamin, in dem William diesmal auch wieder ein Feuer entzündete. Cynthia verzog sich nach oben. Sie wollte ein heißes Bad nehmen und die beiden Männer für sich lassen.

      William stopfte sich wieder eine Pfeife, diesmal jedoch nur zur Hälfte mit Boswell's Chocolate Cream. Gordon schätzte den Duft sehr, da er ihn an frisch gebackene Fudge Brownies erinnerte. So saßen sie schweigend vor dem Kamin und betrachteten das Züngeln des Feuers.

      Erst Gordon brach nach ein paar Minuten das Schweigen: »Sie gefällt mir.«

      »Wer? Cynthia?«

      »Natürlich! Wer denn sonst?« Gordon grinste und nippte an seinem Tee. »Sie mag dich sehr …«

      »Ich mag sie auch.«

      »Und?«

      »Das ist nicht so einfach«, antwortete William nach einem kurzen Überlegen. »Du erinnerst dich doch, worüber wir bereits gesprochen hatten.«

      »Da tue ich, mein Junge. Und du wirst dich sicherlich daran erinnern, was ich dir über mein Leben seit Jeannes Tod erzählt habe.«

      »Dass du lange suchen musstest, und trotzdem niemals die Richtige dabei war?«

      Gordon nickte bloß und trank einen weiteren Schluck von seinem Tee. Schließlich antwortete er doch: »Ich wünschte, mir wäre eine Frau wie deine Cynthia über den Weg gelaufen.«

      »Ja, sie ist toll.«

      »Und worauf wartest du dann? Frauen wie deine Angela und jetzt Cynthia wachsen nicht auf Bäumen!«

      William sagte lange nichts, rauchte nur seine Pfeife und nahm ab und zu einen Schluck Tee, während er ins Feuer schaute und über Gordons Worte nachdachte. So vergingen mindestens zwei bis drei Minuten, ehe er Gordon beipflichtete: »Vermutlich hast du recht.«

      Die beiden Männer saßen anschließend noch eine gute halbe Stunde schweigend und nachdenklich vor dem Kamin und schauten dem Feuer zu. Als William anfing, seine Pfeife zu reinigen, hörten sie, wie Cynthia oben aus dem Badezimmer ging und sich dem Schlafzimmer zuwandte.

      Gordon erhob sich. »Ich werde mal nach oben gehen, mich im Bad fertigmachen und ins Bett gehen. Ich möchte noch ein bisschen lesen und wünsche dir eine gute Nacht, mein Junge!«

      »Danke, Gordon. Ich dir auch.« William stocherte mit dem Schürhaken im Kamin herum, damit dieser schneller erlöschen konnte. Danach ging er ins Gästebad im Erdgeschoss, duschte und stieg anschließend die Treppe nach oben. Cynthia erwartete ihn bereits im Schlafzimmer, und keine zehn Minuten später schlief er mit ihr im Arm ein.

      Sonntag, 1. März 2015

      Gordon erwachte bereits sehr früh an diesem Morgen. Als sie alle zu Bett gingen, war es gerade mal knapp 20:30 Uhr. Zu dieser Zeit hatte er oftmals noch im Büro beim NYPD gesessen. Nun freute er sich, dass William offensichtlich zu einem etwas anderen Rhythmus gefunden zu haben schien, seit er in Fairview arbeitete. Gordon hatte vor dem Schlafengehen noch in den Ermittlungsunterlagen geblättert. Doch auch jetzt wollte ihm nichts Neues dazu einfallen. So war er gegen kurz nach 21 Uhr in einen zunächst unruhigen, später jedoch tiefen Schlaf gefallen und bereits gegen 6 Uhr frisch und erholt aufgewacht.

      Er schlich sich nach unten ins Gästebad, in dem William am Abend zuvor geduscht hatte. Hier duschte er nun ebenfalls kurz, zog sich seine Schuhe und seine Jacke an und ging hinaus in den Garten. Er spazierte durch das feuchte Gras hinunter zum Bootssteg und schaute nachdenklich auf das Wasser. Gordon sah, wie leichte Nebelschwaden aufstiegen. Die Temperaturen lagen noch knapp unter dem Gefrierpunkt, sollten heute aber im Laufe des Tages auf bis zu 14°C ansteigen, wenn man der Wettervorhersage des Weather Channel glauben durfte. In New York würde er derzeit nur mit Grauen an den Hudson River denken. Während William hier früh morgens die Ruhe des Sweetwater Creeks genießen durfte, zogen die Beamten der Water Patrol in New York immer öfter Leichen aus dem Fluss.