Lars Hermanns

Fairview - Schleichender Tod


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nicht, Billy, dass ich es nicht gewollt hätte. Ich habe nur seither leider nicht die Richtige gefunden. Jeanne hatte sogar damals darauf bestanden, dass ich mich nach einer neuen Frau umsehen sollte. Im Gegensatz zu dir, mein Junge, war ich bereits 52 Jahre alt, als ich meine Frau zu Grabe tragen musste. Du bist zehn Jahre jünger und warst nicht bereits 27 Jahre lang verheiratet.«

      »Und seit 2007 bist du nun allein?«

      »Seit 2007 habe ich keine feste Partnerin, Billy. Das heißt aber nicht, dass ich deswegen immer allein war.«

      William wusste, dass er mit Gordon stets über alles reden konnte. Doch bis eben hatten sie noch nie über Liebesdinge gesprochen. Und er war selbst überrascht, wie locker er mit seinem alten Freund darüber sprechen konnte. Daher sah er seinen Mentor nur noch fragend an.

      »Guck nicht so, Billy. Natürlich habe ich hin und wieder Frauen kennengelernt und bin auch mit der einen oder anderen zu ihr nach Hause gegangen. Doch es war eben keine dabei, mit der ich es länger hätte aushalten wollen. Es gibt nicht mehr so viele, die einem Mann von über fünfzig ihr Herz schenken wollen. Bei einigen war es wohl eher kühles Kalkül mit der Aussicht auf ein angenehmes Leben, da ich Commissioner bin und nicht allzu schlecht bezahlt werde. Doch nicht eine war dazu bereit, außer ihrem Bett auch meine Sorgen mit mir zu teilen.«

      »Das tut mir leid für dich, Gordon.«

      »Das muss es nicht, mein Junge. Ich habe immer schnell gemerkt, woran ich war.«

      »Danke, Gordon.«

      »Wofür? Dass ich dir mal wieder den Kopf zurecht gerückt habe?« Gordon musste wieder lachen. »Das wird langsam zu einer lieben Angewohnheit.«

       State Route GA-92, Woodstock, Georgia

      Seit beinah zwei Stunden saßen O.C. Tomas und Michael Luther White bereits im IHOP, aßen ihre mittlerweile kalten Pfannkuchen, tranken Kaffee und unterhielten sich. Sheriff Thomas hatte dem jungen Deputy haarklein geschildert, um was für einen Posten es sich handelte. Weg vom Posten des Deputies und hin zum Officer eines Police Departments. Und er schilderte ihm auch, was in der Nacht zuvor passiert war.

      »Sie sehen also, Deputy, dass eine möglichst schnelle Antwort von Ihnen dringend vonnöten ist.«

      »Ich weiß doch gar nicht, ob Chief Justice mich in seiner Truppe haben möchte«, entgegnete der Deputy, der sich noch an seine Absage aus Canton erinnerte.

      »Das lassen Sie mal ruhig meine Sorgen sein, Deputy! Ich werde nachher mit ihm reden. Doch vorher möchte ich wissen, ob ich mit Ihnen rechnen kann.«

      Deputy White ließ sich einen Moment Zeit, um über die Worte des Sheriffs nachzudenken. Dann fragte er: »Wie sieht es mit den Arbeitszeiten aus?«

      »Besser als beim Sheriff Department. Sie haben feste Arbeitszeiten von 8 Uhr morgens bis 17 Uhr nachmittags. Keinen Schichtdienst, keine Wochenendarbeit. Die Samstagsschichten haben Chief Justice und ich im Police Department abgeschafft, da diese durch mein Sheriff Department abgedeckt werden können.«

      »Und sonst bleibt alles gleich?«

      »Nun ja, über Ihre Bezüge kann ich Ihnen nichts sagen; das ist Aufgabe Ihres Arbeitgebers, der dann die Stadtverwaltung von Fairview sein wird und nicht mehr das County.«

      Wieder überlegte Deputy White, und O.C. konnte sehen, wie sehr es hinter dessen Stirn arbeitete.

      »Soll ich mit Chief Justice reden, Deputy? Sind Sie dabei?«

      Michael White trank seine Tasse leer, die zwischenzeitlich immer wieder aufgefüllt worden war. »Ich muss mal kurz verschwinden«, antwortete er und begab sich in Richtung der Toiletten.

       Myers' Real Estate, Fairview, Georgia

      Cynthia fuhr um Punkt 12 Uhr mittags ihren Computer herunter. Sie hatte einige Interessenten ausfindig gemacht und per Email über Ihre Exposés in Kenntnis gesetzt. Am Montag würde sie dann merken, ob einer geantwortet hätte. Doch jetzt war es an der Zeit, das Büro abzuschließen und nach Hause zu fahren. Sie hatte sich überlegt, kurz ein Bad zu nehmen und die Beine zu rasieren. Danach würde sie sich etwas anderes anziehen, zum Walmart fahren und schließlich bei William vorbeischauen.

      Beschwingt eilte sie zu ihrem roten GMC Yukon, startete den Motor, setzte den Blinker und fuhr zügig zu sich nach Hause. Wieder hörte sie ihren bevorzugten Radiosender Eagle 106.7 mit Country Music, sang lauthals mit und bemerkte dabei nicht, dass sie wieder von einem dunklen BMW verfolgt wurde.

       State Route GA-92, Woodstock, Georgia

      Deputy White kam nach einem kurzen Moment von der Toilette zurück und setzte sich wieder an seinen Platz. O.C. blickte ihn nur fragend an und wartete auf eine Antwort.

      »Und Sie würden das dann auch mit meinem Sheriff klären?«, fragte Michael White plötzlich.

      »Ja, das würde ich. Er schuldet mir noch mehr als bloß einen Gefallen …«

      Wieder überlegte Deputy White und spannte O.C. auf die Folter.

      »Was ist? Sind Sie dabei?«

      Deputy White richtete sich auf seiner Sitzbank auf: »Ja, Sir, ich bin dabei.«

       Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia

      Nachdem William und Gordon beinah anderthalb Stunden vor dem Kamin sitzend verbracht hatten, standen sie nun auf, brachten ihre Tassen in die Küche und räumten auch diese in die Spülmaschine. Gordon nahm sich wieder etwas Wasser aus dem Kühlschrank, und William reinigte seine Pfeife.

      »Wann wollte deine Freundin vorbeikommen, Billy?«

      »Ich weiß nicht. Sie meinte: Gegen Nachmittag.«

      Plötzlich hörten sie einen Wagen, der auf die Auffahrt fuhr. Gordon nahm einen Schluck Wasser und schaute zur Tür.

      Wenige Augenblicke später schloss Cynthia die Haustür auf und kam mit einer großen, braunen Einkaufstüte bewaffnet herein. Sie nahm direkt Kurs auf die Küche und erblickte Gordon, der noch immer vor dem Kühlschrank stand.

      »Hi! Ich bin Cynthia Myers … Sie müssen demnach Commissioner Malone sein.« Sie stellte die Einkaufstüte ab, legte ihre Handtasche daneben und reichte Gordon die Hand.

      »Hallo, Miss Myers … ja, ich bin Gordon Malone und äußerst glücklich, Sie kennenzulernen.«

      William legte seine Pfeife auf den kleinen Beistelltisch und ging zu ihnen.

      Cynthia trat ihm entgegen und gab ihm einen flüchtigen Kuss zur Begrüßung. »Hallo, Chief! Ich habe beim Walmart ein bisschen eingekauft. Budweiser für O.C., Root Beer für dich und dann noch etwas Toast, Wurst, Käse, Salat, Tomaten und Zwiebeln für Sandwiches.«

      »Du bist ein Engel.« Er gab ihr nun seinerseits einen Kuss und ging wieder zum Kamin, um die Pfeife fertig zu reinigen.

      Cynthia wandte sich wieder der Küche und Gordon Malone zu. »Leider weiß ich nicht, was Sie am liebsten trinken, Commissioner. Doch hätten wir jetzt genügend Budweiser und Root Beer.«

      »Danke, Miss Myers, ich halte mich meistens an stilles Wasser aus Billys Kühlschrank.«

      »Billy? Ich habe nie gehört, dass jemand Billy zu William gesagt hätte.«

      »Nur Gordon nennt mich Billy«, antwortete William aus dem Kaminzimmer, »und auch meine Frau … manchmal.«

      »Mögen Sie Sandwich, Commissioner?«

      »Ja, sehr gern. Doch bitte, nennen Sie mich Gordon.«

      Cynthias Gesicht strahlte, als sie antwortete: »Cynthia! Freut mich sehr, Gordon.«

      William war gerade mit der Reinigung seiner Pfeife fertig und hatte sie soeben in einem Ständer auf dem Kaminsims verstaut, als vor dem Haus wieder ein Wagen zu hören war. Kurz darauf klingelte es an der Tür,