Lars Hermanns

Fairview - Schleichender Tod


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       Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia

      Um 12 Uhr aßen Gordon und William Chicken Wings, die sie aus dem Walmart mitgebracht hatten, dazu gab es Potatoe Wedges und Sour Cream. Ein Snack, wie sie ihn beide mochten, da er nicht viel Arbeit machte. Nach dem Essen packten sie das Geschirr in die nun wieder existierende Spülmaschine und setzten sich in ihre Sessel vor dem Kamin, in dem William ein Feuer schürte. Er nahm sich seine neue Pfeife, die er von seiner Frau zu Weihnachten hätte bekommen sollen, stopfte sie mit Boswell's Peach 'n Cream und zündete sie an. Gordon und er hatten sich zuvor je eine Tasse Kräutertee gekocht und blickten nun in die Flammen.

      »Kaum zu glauben, Billy, dass es gerade einmal etwas mehr als zwei Wochen her ist, seit wir beide zum letzten Mal gemeinsam vor deinem Kamin in North Arlington gesessen haben.«

      William zog einige Mal an seiner Pfeife, ehe er antwortete: »Hmm … ja. Und dennoch kommt es mir wie eine Ewigkeit vor.«

      »Ja, es ist seither sehr viel passiert.«

      »Wisst ihr mehr über Angelas Ermordung?«

      »Ja, ein bisschen.« Gordon nahm einen Schluck Tee, ehe er fortfuhr: »Das Morddezernat geht davon aus, dass man deine Frau vorsätzlich erschossen hat.«

      William zog an seiner Pfeife, deren Rauch einen angenehmen Duft verströmte, und dachte über Gordons Worte nach. »Seid ihr sicher?«

      »Ziemlich. Erinnerst du dich noch an die Worte des Pathologen?«

      William konzentrierte sich und antwortete: »Ja. Zwei Schüsse … Kleinkaliber … .22 Magnum … einer traf das Herz, der andere drang in den rechten Lungenflügel ein.«

      »Völlig korrekt, mein Junge. Und genau das ist der Punkt!«

      William dachte über die Worte nach, dann fiel es ihm auch auf: »Er sagte, sie sei aus nächster Nähe erschossen worden. Hätte der mutmaßliche Räuber im Affekt geschossen, wären die Kugeln wohl eher dicht beinander in den Körper eingedrungen … und nicht eine in den rechten und eine in den linken Lungenflügel.«

      »Ja«, bestätigte Gordon, »das sagt das Morddezernat auch.«

      William dachte weiter nach und zog derweil bedächtig an seiner Pfeife. »Gordon, wer auch immer auf meine Frau geschossen hat … er wollte sicher gehen, dass sie stirbt!«

      »Wie meinst du das, Billy?«

      »Gezielte Schüsse in beide Lungenflügel … die Lunge kollabiert, das Opfer ist nicht mehr in der Lage zu schreien, erstickt und ertrinkt im eigenen Blut. Gordon, selbst wenn der eine Schuss nicht ins Herz getroffen hätte, wäre jede Hilfe zu spät gekommen!« William wurde wütend, Tränen stiegen ihm in die Augen, und er legte seine Pfeife behutsam auf den kleinen Tisch zwischen den Sesseln. »Es war ein eiskalt geplanter Mord.«

      Gordon atmete langsam und ruhig ein. Williams Worte bestätigten ihm, was er und das Morddezernat vermutet hatten. Doch es gab noch einen weiteren Punkt, den er William nicht verheimlichen wollte: »Einige glaubten anfänglich, du stündest hinter dem Mord an deiner Frau.«

      »Na klar, wegen der $250,000 von der Lebensversicherung. Ach, ehe ich es vergesse … das Geld ist seit gestern auf meinem Konto. Erinnere mich bitte nachher dran, sollte ich es vergessen.« William nahm sich wieder seine Pfeife, glättete die Oberfläche der Asche und zündete sie neu an. »Als ob ich meine Frau hätte töten lassen können. Das ist absurd!«

      »Billy, der Verdacht ist aus der Welt geschafft. Das Morddezernat hatte mehrheitlich bereits gegen diese Theorie gestimmt, und eine Überprüfung der Policen ergab eindeutig, dass deine Frau ihre Police abgeschlossen hatte, nachdem du deine zugunsten Angelas veranlasst hattest. Und nichts deutet darauf hin, dass dies auf dein Geheiß erfolgt wäre. Ganz im Gegenteil! Die Versicherung hat mittlerweile bestätigt, dass deine Frau erwähnte, dich damit überraschen zu wollen. Und da beide Policen über jeweils $250,000 liefen und kein deutlich höherer Betrag eingesetzt wurde, hat man den Verdacht gegen dich fallen gelassen.«

      »Fragt sich nur«, fuhr William nach zwei leichten Zügen an seiner Pfeife fort, »wer alles für den Mord infrage kommt.«

      »Das fragen wir uns auch, mein Junge.«

      Die beiden Freunde saßen schweigend vor dem Kamin, genossen das beruhigende Spiel der Flammen und tranken ihren Tee.

      William rauchte weiterhin seine Pfeife, dann ergriff er wieder das Wort: »Gordon, ich glaube, mich hat ein dunkler BMW von New York aus bis nach Fairview verfolgt.«

      Gordon zuckte sichtlich zusammen, als er Williams Worte vernahm: »Ein dunkler BMW? Mit dunkel getönten Scheiben?«

      Jetzt wurde auch William hellhörig: »Ja. Woher weißt du …?«

      Gordon erzählte ihm nun ausführlich von dem dunklen BMW, der ihn bereits seit Tagen in New York verfolgte, und er erzählte ihm von dem Zwischenfall vor der Citibank im chinesischen Viertel, ganz in der Nähe der Police Plaza. William hörte aufmerksam zu, dann erzählte er wiederum, was sich hier in Fairview mit dem BMW zugetragen hatte.

      »Deine Maklerin wurde hier in deinem Haus auf den BMW aufmerksam?« Entgegen Williams Befürchtungen, lächelte Gordon ihn freudig an und fragte: »Möchtest du mir vielleicht verraten, was deine Immobilienmaklerin hier zu schaffen hatte? Nachdem sie dir dein Haus doch bereits verkauft hatte?«

      Der schelmische Blick Gordons entging William nicht, der innerlich unmerklich aufatmete. »Sie wollte im Erdgeschoss ein wenig putzen.«

      »So, so … erzähl mir von ihr!«

      Und William begann zu erzählen … wie sie sich kennengelernt hatten, wie sie sich ihm gegenüber verhalten hatte. Wie sie aussah, was sie so alles tat, ihre offene Art und Weise …

      »Liebst du sie, mein Junge?«

      »Ich weiß es nicht, Gordon. Ich mag sie … sehr sogar. Doch ich weiß nicht, ob ich schon bereit zu mehr bin.«

      »Weiß sie von deiner Frau?«

      »Ja. Und sie akzeptiert es.«

      »Nun, wenn ihr beiden euch arrangiert habt und wisst, woran ihr jeweils seid, ist es doch toll. Billy, ich freue mich für dich!«

      William fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Dennoch hatte er seine Bedenken: »Ich weiß nur nicht, ob es richtig ist … Angela ist gerade mal seit zwei Monaten beerdigt.«

      »… und sie hätte sicherlich nicht gewollt, dass du in Melancholie versinkst und dein Leben wegwirfst. Hör mir zu, mein Junge: Du warst deiner Frau stets ein liebevoller und treuer Ehemann … und das wusste sie auch. Sie würde mit Sicherheit wollen, dass du glücklich bist.«

      An seiner Pfeife ziehend, blickte William während dieser Worte ins Feuer. Auch Cynthia hatte ihm bereits gesagt, dass es nicht schlimm sei, und sie musste immerhin akzeptieren, dass er seine Frau noch immer liebte und wohl auch immer lieben würde.

      »Wirst du sie mir vorstellen?«

      »Sie kommt nachher vorbei. Ich wollte erst mit dir allein sein …«

      »… um es mir schonend beizubringen?« Gordon lachte. »Billy, du bist ein verdammt guter Cop … knallhart und nicht umsonst so erfolgreich. Doch in manchen Dingen bist und bleibst du einfach ein Kindskopf.«

      William sah mit seinem Dackelblick zu Gordon, der sich sichtlich amüsierte, und zog wieder an seiner Pfeife.

      »Hättest du etwas mit einer anderen Frau angefangen, während du mit Angela verheiratet warst, hätte ich dir wahrlich die Leviten gelesen. Du weißt, dass ich dich immer als Sohn und sie als Schwiegertochter betrachtet habe. Auch ich habe deine Frau geliebt … ihr wart so ein schönes Paar. Doch denke bitte daran, dass ich dich in den Süden geschickt habe, eben damit du ein neues Leben anfängst. Mache einen Neuanfang, werde glücklich!«

      »Vielleicht hast du recht, Gordon …«

      »Was heißt hier: vielleicht? Und ob ich