Lars Hermanns

Fairview - Schleichender Tod


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zuversichtlich. Doch lass uns was bestellen; ich habe seit dem Frühstück vorhin nichts mehr in den Bauch bekommen.«

      Sie bestellten beide etwas zum Mittagessen und unterhielten sich dabei über die vielen Möglichkeiten, die sich ihnen böten, sollten der Sheriff oder der Chief sich melden und Michael die Stelle bestätigen.

       Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia

       O.C. grinste wie ein Honigkuchenpferd. Diesen Moment wollte er vollends auskosten. Er sah die hoffnungsvollen Blicke Williams und auch den abwartenden Blick des Commissioners. »Ja, er ist interessiert.«

      William konnte es kaum glauben. »O.C., danke!« William freute sich, trank einen Schluck Root Beer, als ihm etwas einfiel: »Ab wann könnte er anfangen? Und was wird der Sheriff von Cobb County dazu sagen?«

      »Nun, am besten wäre es wohl, wenn er am 1. März anfangen könnte.« O.C. musste immer breiter grinsen.

      »Am 1. März? Aber das wäre dann ja bereits …«

      »… morgen!«, beendete O.C. Williams Satz und grinste weiter vor sich hin. »Ich bin von Woodstock aus direkt nach Marietta gefahren, um meinen Kollegen vor Ort zu konsultieren. Er schuldet mir so manchen Gefallen. Ich hatte Glück – er war im Büro. Also erzählte ich ihm von Ihnen, William, und von Michaels Wunsch, im Cherokee County tätig zu sein. Sollten Michael und Sie sich einig werden, genügt ein Anruf von mir, und der Mann gehört Ihnen.«

      William war bar erstaunt, was der Sheriff für ihn heute alles auf die Beine gestellt hatte. »O.C., wie kann ich Ihnen danken?«

      O.C. tat so, als überlegte er angestrengt. Dann lachte er kurz auf, stellte seine leere Bierdose neben sich auf den Boden und antwortete: »Ganz einfach … drei Gefallen: Erstens, wir sollten das ›Sie‹ lassen. Wir sind Pfeifenbrüder, wir sind Kollegen und wir sind Freunde! Zweitens, meine Dose Budweiser ist leer und drittens … ich habe einen Bärenhunger! Lasst uns Cynthia in der Küche helfen und das Essen auffahren.«

      Die drei Männer lachten herzhaft, reichten sich die Hände und gingen zurück ins Haus, wo Cynthia bereits das Essen angerichtet hatte.

      »Na, ihr habt ja eine blendende Laune!«, stellte sie vergnügt fest. »Gut, dass ihr rein kommt; das Essen ist soweit fertig.«

      Cynthia hatte alles schön auf Tellern angerichtet und einen Haufen Sandwiches belegt. Daneben gab es Mabels Muffins. Genug, um eine halbe Kompanie zu verpflegen.

      William nahm sie liebevoll in den Arm, gab ihr einen Kuss und sagte leise zu ihr: »Danke, du bist echt ein Engel.« Dann wandte er sich O.C. zu: »Wann und wo kann ich den Mann erreichen?«

      »Am besten jetzt auf seinem Handy. Er hat mir gesagt, dass er bei seiner Freundin auf dich warten wolle; sie arbeitet hier, in Fairview … beim Cracker Barrel

      »Er ist hier, in Fairview? Ich fahre sofort zu ihm …«

      »Stop!«, rief auf einmal Cynthia. »Hier und jetzt fährt niemand irgendwohin! Zuerst essen wir etwas. Oder meinst du wirklich, ich stelle mich hier in die Küche, belege euch die Sandwiches und bleibe dann allein mit dem Essen daheim?«

      O.C. lachte wieder, setzte sich hin und nahm sich einen Muffin. »William, das war ein Machtwort. Komm, lass uns erst etwas essen. Dann begleite ich dich und stelle euch beiden einander vor.«

      Gordon, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte, nahm neben O.C. Platz, griff sich ein Sandwich, sah Cynthia an und meinte dann: »Cynthia, während O.C. und William weg sind, können wir beide uns mal ein bisschen unterhalten.« Dabei zwinkerte er ihr verschwörerisch zu, was auch William nicht verborgen blieb.

      »Okay, okay … ihr habt ja recht. Und Cynthia: O.C. und ich werden uns beeilen. Versprochen!«

       Cracker Barrel, Fairview, Georgia

      Michael saß nun schon seit mehr als zwei Stunden im Cracker Barrel und schaute immer wieder auf sein Handy, das er erwartungsvoll neben sich gelegt hatte. Abigail war bereits seit mehr als anderthalb Stunden wieder bei der Arbeit, und er bestellte einen Kaffee nach dem anderen. Es war bereits 16 Uhr durch, und noch immer hatte sich niemand gemeldet.

      Doch auf einmal sah er Sheriff Thomas, wie er auf dem Parkplatz einem roten Pick-up entstieg und zusammen mit dem Fahrer des Trucks, einem kräftigen Mann mit blonden Haaren und einem Bart um den Mund herum, auf das Restaurant zuging. War dies vielleicht der Chief? Michael trank seine Tasse Kaffee leer und trocknete sich die Hände an einer Papierserviette ab.

      Kurz darauf betraten die beiden Männer den Bereich des Restaurants, der sich hinter dem Country Store befand. Sie entdeckten ihn am Fenster und kamen auf ihn zu.

      »Michael Luther White«, grüßte der Sheriff ihn, »darf ich Ihnen Chief William Justice vom Fairview Police Department vorstellen?«

      Michael stand auf, gab William die Hand und stellte dabei fest, dass dieser zwar ein Stückchen kleiner war, dafür aber einen kräftigen Händedruck hatte. »Angenehm, Sir!«

      Sie setzten sich hin, wobei O.C. und William sich nebeneinander Michael gegenüber setzten. William sah, dass der junge Deputy recht nervös war und beruhigte ihn: »Kein Grund zur Aufregung, Deputy White. Ich beiße nicht.«

      O.C. musste angesichts der Worte grinsen, da er sie William gegenüber ebenfalls gebraucht hatte, als dieser ihn in Canton im Sheriff Department besucht hatte.

      »Deputy White«, fuhr William unbeirrt fort, »Sheriff Thomas sagte mir, dass Sie gern bei uns in Fairview mitarbeiten würden. Ist das korrekt?«

      »Ja, Sir!«

      »Gut.« William blickte ihn lang und durchdringend an, und Michael White hielt seinem Blick stand. »Haben Sie ein Problem damit, wenn man Sie Nigger nennt?«

      Michael starrte William erschrocken an. »Wie meinen Sie das, Sir?«

      O.C., der Williams Grund für die Frage von ihrem Gespräch auf der Veranda her kannte, übernahm die Beantwortung von Michaels Frage: »Deputy, der Chief möchte wissen, wie Sie mit Rassismus umgehen, der Ihnen entgegenschlagen könnte.«

      William fuhr entsprechend fort: »Ich habe einen Mitarbeiter in meiner Truppe, der gewisse … Abneigungen Latinos und Schwarzen gegenüber hat, um es mal gelinde auszudrücken.«

      »Wie stehen Sie zu meiner Hautfarbe, Sir?«

      »Ich habe mit Schwarzen keine Probleme, und auch nicht mit Latinos, Asiaten oder sonst einer Bevölkerungsgruppe. Mir ist nur wichtig, dass Sie Ihren Job gut machen. Und sollte man sich Ihnen gegenüber rassistisch äußern, dann erwarte ich, dass Sie mir das unverzüglich melden.«

      »Jawohl, Sir!«

      »Tun Sie mir bitte einen Gefallen, Deputy?«

      »Gern, Sir! Was darf ich für Sie tun?«

      »Nennen Sie mich bitte nicht Sir

      »Gern, Sir … Chief!«

      William musste grinsen. Der Junge gefiel ihm.

      O.C. ergriff wieder das Wort: »Deputy, ich habe vorhin mit Ihrem Boss in Marietta gesprochen. Sollten der Chief und Sie sich einig werden, würden Sie bereits am Montag in Fairview anfangen.«

      Michael wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte.

      Zum Glück ergriff William wieder das Wort: »Deputy, O.C. ist ein guter Freund von mir geworden, und ich vertraue seinem Urteil. Ihr erster Eindruck hat mich überzeugt, und ich denke, dass wir gut miteinander auskommen werden. Wenn Sie also bei uns in Fairview arbeiten wollen, sollen Sie den Posten haben.«

      Deputy White war immer noch sprachlos. Stundenlang hatte er hier gesessen und auf einen Anruf gewartet, nun saßen Chief Justice und Sheriff Thomas ihm gegenüber und teilten ihm mit, dass er bereits übermorgen beim Fairview Police Department anfangen könne.

      »Deputy White, haben Sie verstanden?«

      »Äh … ja,