Michael Hamberger

Die Seelenräuberin


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sie darüber hinaus auch über weite Distanzen telepathisch miteinander kommunizieren.

      Auf den ersten Blick sah man den beiden gar nicht an, dass sie Schwestern waren. Während Layla mit blonden Haaren und tiefblauen Augen einen eher mitteleuropäischen Einschlag hatte, war Ana Maria die typisch südländische Schönheit. Sie hatte mittelbraunes Haar in einem herrlich gelbbraunen Farbton. Ihre Hautfarbe war etwas heller, als bei einem Südländer, jedoch nicht so hell, wie bei Layla. Was Ana Maria aber unverwechselbar machte waren ihre Augen. Layla hatte noch nie jemanden gesehen, der solche Augen hatte. Es waren große ausdrucksstarke Augen, die eine Güte ausstrahlte, die Layla noch niemals bei einem Menschen gesehen hatte. Einzigartig war auch der Farbton. Es war ein tiefes Smaragdgrün. Ana Maria wurde deshalb auch oft gefragt, ob sie Kontaktlinsen trug.

      Beide Frauen waren sehr klein. Layla war nur 1,60 Meter groß, überragte aber trotzdem Ana Maria um fast 10 Zentimeter.

      „Layla, es geht ihm gut. Wäre es nicht so, hätte sich Igor schon sicher gemeldet!“

      „Ja, sage dies aber einmal meinem Unterbewusstsein. Das wird das nie akzeptieren!“

      Das Problem war, dass Layla nicht einmal so einfach bei Mark anrufen konnte. Im Einsatz hatte er niemals ein Handy dabei, das ihn verraten konnte. Und Igor Dorojewski war als Leiter des Convento ein viel beschäftigter Mann. Was, wenn er einfach noch keine Zeit gefunden hatte, Layla anzurufen? Trotzig stampfte Layla mit dem Fuß auf und sagte mit kratziger, sorgenvoller Stimme:

      „Ich rufe Igor an!“

      Layla drehte sich um und ging in Richtung Telefon, das genau in diesem Moment zu klingeln begann. Das erste Klingeln war noch nicht verklungen, als Layla auch schon abhob. Sie konnte auf dem Display erkennen, dass sie in diesem Moment tatsächlich Igor Dorojewski anrief. Das Herz wollte ihr stehen bleiben. Ihr Unterbewusstsein zeigte ihr, wie die schlimmsten Befürchtungen wahr wurden. Deshalb sagte sie mit kratziger, sorgenvoller Stimme:

      „Igor, was gibt’s!“

      „Mann, Layla, an Deine Schnelligkeit gewöhne ich mich wohl nie. Es gibt schlechte Nachrichten. Mark ist verschwunden. Wir konnten ihn schon seit Stunden nicht mehr orten!“

      Also doch! Sie hatte es gewusst. Ihr Traum hatte sich schon wieder als wahr herausgestellt. Layla spürte mit jeder Faser ihres Körpers, dass Mark in großen Problemen war und dass er ihre Hilfe benötigte. Sie atmete tief durch um sich zu beruhigen, dann sagte sie:

      „Ich fliege nach Brasilien!“

      „Genau darum wollte ich Dich bitten. Weißt Du in welcher Angelegenheit Mark in Brasilien war?“

      „Ja, so in etwa. Es geht um Entführung, Gehirnwäsche und Persönlichkeitswechsel bei einem Mann! Hast Du genauere Informationen!“

      „Leider nein. Mark konnte bei seinem letzten Telefonat nicht genauer ins Detail gehen. Ich weiß nur, dass er in Floreanapolis an irgendetwas dran war!“

      „Dann fliege ich nach Floreanapolis!“

      „Layla, ich würde vorschlagen, Du siehst Dich erst in Sao Paulo um. Mark hat dort drei Tage lang recherchiert, bevor er nach Floreanapolis geflogen ist. Wir haben dort einen Kontaktmann, der Dir helfen kann! Er hat auch Mark unterstützt und weiß sicher mehr“

      „Gut, mach ich. Ich informiere nur kurz Peter!“

      „Das brauchst Du nicht. Mit Peter ist schon alles ausgemacht. Als offiziellen Auftrag schreibst Du die Geschichte über diesen Mann mit dem Persönlichkeitswechsel für die Basler Woche!“

      „Wann geht mein Flug!“

      „Schaffst Du es, in drei Stunden am Flughafen in Zürich zu sein!“

      „Ich bin schon dort!“

      „Am SWISS Schalter ist ein Ticket für Dich hinterlegt. Du fliegst direkt von Zürich nach Sao Paulo. Ein Anschlussflug mit offenem Datum nach Floreanapolis liegt auch dabei!“

      „Business Klasse?“

      „Und von was träumst Du in der Nacht? Ein abgebrochener Riese, wie Du hat in der Economie Klasse genug Platz!“

      Ohne weitere Worte legte Igor auf. Er war schon ein Wunder der Effektivität und des Zeitmanagements. Dass er dabei auch oft sehr hart und unfreundlich wirkte, störte ihn nicht weiter. Der Satz „Zeit ist Geld“ hätte von ihm selbst stammen können. Aber letztendlich war er ein herzensguter Mensch, der voll und ganz hinter seine Agenten stand und ihnen half, wo er nur konnte. Unter seiner Führung war das Convento Santo José zu der effizienten internationalen Spezialeinheit geworden, die sie jetzt war. Eigentlich war das Convento direkt der katholischen Kirche angegliedert und somit der Papst der oberste Boss, aber eigentlich konnte Igor Schalten und Walten wie er wollte. Seit Jahre rekrutierte er Menschen wie Layla und Mark, die irgendwie in den Kampf mit den bösen Mächten hineingezogen worden waren und sich dabei bewährt hatten, wobei „bewähren“ oftmals einfach bedeutete: Sie hatten überlebt. In Laylas, Ana Marias und Marks Fall war dies der Kampf gegen eine Organisation von Werwölfen gewesen, die unter der Führung von Sergio Alcazar in Mexiko ihr Unwesen getrieben hatte. Dabei war Layla dann selbst in einen Werwolf verwandelt worden.

      Layla lächelte, aber dieses Lächeln geht nicht auf ihre Augen über. Sie wirkte wild entschlossen. Sie würde alles tun, um Mark dort zur Seite zu stehen. Sie drehte sich um und wollte zum Schlafzimmer gehen.

      Ana Maria wusste offensichtlich schon Bescheid, denn sie hatte den Koffer, der immer gepackt vor Laylas Schrank stand schon in der Hand. Auch Iztel und Balam ihre beiden Adoptivkinder und ebenfalls Opfer von Sergio Alcazar, der ihre Familie ausgelöscht hatte, sowie „Moctezuma“, ihr Golden Retriever schienen etwas gespürt zu haben, denn sie kamen genau in diesem Moment neugierig aus ihren Zimmern. Die vier waren es gewohnt, dass sowohl Mark, als auch Layla öfters einmal überstürzt auf eine Reise gehen mussten. Iztel umarmte Layla und küsste sie auf die Stirn. Layla spürte die Liebe, die sie für dieses unglaubliche Mädchen empfand und umarmte sie stürmisch. Nur Balam tat wieder ganz cool. Nur seine Augen sprachen eine ganz andere Sprache. Layla hatte einen großen Kloß im Hals, obwohl sie wusste, dass sie die beiden Kinder bei Ana Maria und Peter in guten Händen hinterließ. Apropos Peter. Den musste sie natürlich noch anrufen. Immerhin war er ihr Chef. Offiziell arbeitete Layla bei der Basler Woche, einem wöchentlich erscheinendem lokalem Magazin. Im Moment hatte sie keine heiße Reportage, sodass sie es sich durchaus erlauben konnte, nach Brasilien zu gehen und da die Kosten für diese Reise eh vom Convento übernommen wurden, war es schon zweimal kein Problem, aber Peter wollte einfach darüber Bescheid wissen, wo Layla war, nicht nur als ihr Chef, sondern auch, als ihr väterlicher Freund. In wenigen Wochen würde er sogar ihr Schwager sein. Ja, Peter hatte es endgültig doch erwischt. Er, der ewige Junggeselle hatte sich Hals über Kopf in Ana Maria verliebt und hatte ihr letzter Woche einen Heiratsantrag gemacht, den diese natürlich freudestrahlend angenommen hatte.

      Nach dem zweiten Klingeln nahm Peter den Hörer ab. Er schien immer noch auf Wolke sieben zu schweben, denn er machte gar keine Anstalten, Layla ins Gewissen zu reden, sondern beließ es lediglich bei einem „Pass auf Dich auf“ bevor er ihr eine gute Reise wünschte.

      *

      Nur Minuten später war Layla auf dem Gehweg vor dem Haus indem sie wohnte. Ana Maria und Iztel winkten ihr vom Fenster aus zu. Das tapfere Mädchen hatte Tränen in den Augen. Sie wusste natürlich, dass wenn Layla so überstürzt aufbrach, es sehr gefährlich werden könnte. Ana Maria sprach beruhigend auf sie ein.

      Das Taxi stand schon am Bordstein und wartete auf sie. Der Taxifahrer war ein junger Italiener, der sie erst eingängig von oben bis unten begutachtete, bevor er ihr mit einem breiten Grinsen, den Koffer abnehmen wollte.

      „Na, Du wirst Dich wundern“, dachte Layla und übergab ihm den Koffer. Das dieser wesentlich schwerer war, als er aussah, das verschwieg sie ihm natürlich und amüsierte sich diebisch über sein verdutztes Gesicht, als er sich mit dem Koffer abmühen musste, den diese halbe Portion, die Layla bei knapp 45 kg Lebendgewicht nun einmal war, so mühelos hatte hochheben können. Der Taxifahrer sah in das belustigte Gesicht und gab augenblicklich alle Flirtversuche