Tom Sailor

Es sind doch nur drei Wochen


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Kurz darauf springt sie wieder an. Erik wartet darauf, dass sie wieder ausfällt, doch sie läuft diesmal weiter. Erleichtert geht Erik in die Küche, um die Kaffeemaschine zu bedienen. Als er den Wasserhahn in der Küche öffnet, läuft eine braune Brühe in den Behälter, die Erik etwas angewidert sofort wieder ausschüttet und den Wasserhahn laufen lässt. Es dauert eine Weile, bis das Wasser halbwegs klar aussieht. Tatsächlich ist es nicht wirklich klar, sondern zeigt immer noch eine leicht bräunliche Farbe. Er erinnert sich, dass Wilfried ihm erzählt hat, dass das Camp einen eigenen Tiefbrunnen hat. Es ist also das Wasser, was direkt aus der Erde kommt und daher mit allen möglichen Mineralien gesättigt ist. Als er den Eindruck hat, dass es nicht mehr besser wird, füllt er den Behälter der Kaffeemaschine und steigt dann unter die Dusche. Im Anschluss beschließt er, zwei Plastikwannen mit Wasser zu befüllen um dem nächsten Stromausfall nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Wenn man dann eingeseift unter der Dusche steht, ist das ziemlich unangenehm ohne Wasser. Als er dann aber den steigenden Wasserspiegel in der weißen Wanne beobachtet, kann er auch hier deutlich die braune Färbung des Wassers erkennen.

      Etwas misstrauisch füllt er anschließend in der Küche eine Tasse mit dem frischen Kaffee. Als erstes versucht er, am Geruch zu erkennen, ob sich eine Auffälligkeit zeigt. Unentschlossen, ob er einen Schluck wagen soll oder nicht steht er einen Augenblick mitten im Raum, um schließlich seine Widerstände zu überwinden. Zum einen lockt ihn der Kaffeeduft und zum anderen ist das Wasser ja gekocht, beruhigt er seine innere, warnende Stimme. So richtig schmeckt ihm der Kaffee aber nicht, so dass er beschließt, es bei einer Tasse zu belassen. Erik überlegt sich, dass er eigentlich noch keine Ahnung hat, wie die Abläufe im Camp und bei der Arbeit sind. Gerade als er beschließt, vorzulaufen und Willy danach zu fragen, klopft es an der Tür. Als er öffnet, stehen drei junge Inder vor seiner Tür, die der Wachmann vom Gate begleitet hat und nun im Hintergrund wartet. Sie wurden wohl von Wilfried ausgesucht und bewerben sich um den Job als Hausboy. Fremde Inder dürfen wohl nicht so einfach im Camp herumlaufen, weshalb der Aufpasser vom Gate sie begleitet.

      »Good Morning. What is your name?«, fragt Erik den Ersten.

      Er lächelt Erik freundlich an, antwortet aber nicht.

      »What is your Name.«, fragt Erik den Zweiten.

      »My name is Kumar, Sir.«, antwortet dieser laut und aufgeregt.

      Also, der hat mich zumindest verstanden überlegt Erik.

      »And you?«, wendet er sich an den Dritten.

      »My name is Shekar. Please Sir, read this.«, wobei der Dritte ein Schreiben entgegenhält und einen deutlich ruhigeren Eindruck vermittelt.

      Erik sieht das Logo der Firma Siemens auf dem Papier. Er kann sich ein Lachen kaum verkneifen, als er den Text liest. Auf dem offiziellen Briefpapier kann er lesen, dass der Besitzer dieses Schreibens das Recht hat, bei Regen einen Regenschirm und Gummistiefel zu tragen. Das Ganze sieht hochoffiziell aus, mit Stempel und Unterschrift. Entsprechend stolz ist Shekar auf das Dokument. Erik kann sich ein Schmunzeln kaum verkneifen. Er hat davon gehört, dass Monteure sich im Ausland derartige Scherze mit den Einheimischen erlauben. Gleichzeitig überlegt er aber, dass der junge Mann vermutlich einige Zeit in den Diensten eines Europäers gestanden haben muss, wenn er ihm am Schluss solch ein Dokument ausstellt. So ist er zumindest mit der grundsätzlichen europäischen Mentalität vertraut. Aufgrund der vorliegenden Referenzen beschließt Erik, Shekar einzustellen.

      Erik wendet sich also an Shekar, fordert ihn auf, mit in das Haus zu kommen und bedankt sich bei den anderen Indern, die ihn weiterhin anlächeln. Erik erklärt Shekar, dass er jeden Morgen kommen soll, die Wohnung fegen, das Bad reinigen und einmal durchwischen. Bei allen Erklärungen wackelt Shekar mit dem Kopf, wobei nicht klar ist, ob er den Sinn der Erklärung verstanden hat, oder ob das Wackeln lediglich zeigt, dass er gar nichts verstanden hat. Erik beschließt, dass er Shekars Arbeit im Zweifel auch noch später optimieren kann und entlässt ihn für heute. Als er wieder die Tür öffnet, stehen immer noch der Aufpasser und die zwei anderen Kollegen davor. Erik hatte erwartet, dass sie mittlerweile von alleine gegangen sind, doch anscheinend warten sie auf eindeutige Ansagen. Nun erklärt Erik dem Wachmann, dass Shekar eingestellt ist und morgen früh kommen soll.

      Erik steht noch kurz in der Tür und schaut dem kleinen Trupp hinterher, als er beschließt, den Moment zu nutzen um sich das Camp anzusehen. Im Augenblick leben mit ihm noch zehn weitere Europäer im Camp. Zu Spitzenzeiten lebten hier sogar Familien mit kleinen Kindern, so dass es eine Gruppe von insgesamt 60 Europäern war. Jetzt ist das Leben im Camp deutlich ruhiger geworden. Die Partys, die sonst regelmäßig am Wochenende gefeiert wurden, hat es schon lange nicht mehr gegeben. Was auffällt, sind die Bäume. Es sind die einzigen Bäume weit und breit. Sie wachsen nur, weil die Camp-Bewohner sie zwischen den Häusern angepflanzt haben und regelmäßig gießen, bzw. gießen lassen. Zuständig für alle solche Arbeiten sind die Hausboys. Und es gibt nur Boys für derartige Arbeiten. Junge Frauen als Haushälterin sind nicht vorgesehen, da es bei den Indern ein klares Rollenbild gibt, in dem so etwas nicht möglich ist. Frauen, die ohne männlichen Begleiter bei einem anderen Mann arbeiten, gelten als schamlos und werden von der Dorfgemeinschaft verachtet.

      Die Sonne brennt inzwischen mit viel Energie, so dass der Schatten, den die Bäume werfen, sehr wohltuend ist. Die Luft ist zwar flirrend heiß, aber das Klima ist unter den Bäumen tatsächlich angenehmer. Dadurch haben sogar einige Blumen die Chance, den ansonsten lehmig grauen Boden mit ihrer Farbe zu schmücken. Erik stellt auf seinem Weg durch das Camp fest, dass sich inzwischen auch Vögel eingefunden haben, die in den Sträuchern und Bäumen nach Nahrung suchen. Die Vögel sind jedoch nicht zu hören. Maximal ein leises Piepsen als Warnung an die Kollegen, wenn er sich nähert. Die Hitze kostet vermutlich so viel Kraft, dass keine Energie mehr übrig ist, um noch irgendwelche Lieder zu trällern.

      Erik hat von Wilfried erfahren, dass es eine Kantine und eine Bar im Camp gibt. Als Erik an der Kantine eintrifft, wirft er einen Blick hinein. Ein Inder mit schöner weißer Kochmütze steht dort mit zwei Helfern und bereitet das Mittagessen vor. Auf Nachfrage von Erik erklärt der Koch, dass es heute Reis mit Büffelfleisch gibt und dazu irgendeinem Gemüse, das Erik nicht kennt. Jetzt erst sieht er Wilfried durch die Tür zum Essenssaal wie er die Dekoration der Tische überprüft. Er ist also nicht nur Lagerist und Campverwalter, sondern auch Küchenchef.

      Mit einem Mal öffnet sich die Tür auf der Gegenseite und der erste Schwung an hungrigen Kollegen tritt ein. Sie sind gerade mit den Fahrzeugen von der Baustelle gekommen. Die Fahrer haben jetzt Hochbetrieb. In jedes Auto passen drei Personen. Bis alle Mitarbeiter hergebracht wurden, müssen die Fahrer die Strecke zwischen Baustelle und Camp jeweils drei Mal zurücklegen. Erik beschließt, in den Essenssaal zu gehen und die Kollegen zu begrüßen. Tatsächlich kennt er keinen von ihnen. Sie reisen von einer Baustelle zur nächsten, so dass sie, wenn überhaupt, nur kurz ins Büro kommen, um ihre Angelegenheiten zu klären. Erik geht auf den ersten Tisch zu und sagt: »Hi, ich bin Erik.«

      »Ach, der Neue ist da. Was hast Du verbrochen, dass man Dich hierher schickt?«, fragt ihn ein etwa 40 Jahre alter Mann, der eine Halbglatze und eine Brille trägt.

      »Willkommen am Ende der Welt, ich bin Alfred.«, stellt er sich vor.

      »Peter.«, stellt sich der Zweite vor und reicht Erik die Hand, ohne aufzustehen. Er ist deutlich jünger und recht schlank. Vielleicht etwa 35 Jahre alt, mit schwarzen Haaren, in denen sich allerdings die ersten grauen Strähnen zeigen.

      »Gunter.«, hält ihm der Dritte seine Hand hin. Er hat eine braun gebrannte Glatze und einen imposanten Bierbauch.

      »Hi, ich bin Frank.«, stellt sich schließlich der Letzte vor, in dem er die Hand zum Gruß hebt. Frank ist schlank, etwa 30 Jahre alt, hat blonde kurze Haare und eine Brille.

      »Hier ist noch Platz, kannst Dich ruhig setzen.«, wird Erik von Alfred eingeladen.

      Erik setzt sich zu ihnen an den Tisch und versucht, nicht unangenehm aufzufallen. Er kennt die ungeschriebenen Spielregeln noch nicht und möchte nicht gleich am ersten Tag anecken. Es wird aber nichts aus der Idee, nur still am Tisch zu sitzen und die Kollegen zu belauschen. Diese Baustelle ist so weit weg von der Zivilisation, dass jeder Neuankömmling begierig nach aktuellen Themen ausgefragt wird. Plötzlich