wird, diesen Pfad zu praktizieren. Der endgültige Nutzen besteht darin, daß die makellose Erfüllung der Buddhaschaft durch das Vertrauen in diesen Text tatsächlich im eigenen Bewußtsein realisiert werden kann.
Der endgültige Nutzen hängt vom vorübergehenden Nutzen ab. Der vorübergehende Nutzen hängt von der Bedeutung des Textes ab, der seinerseits vom Text selbst abhängt. Diese Abhängigkeit wird als Beziehung des Textes bezeichnet. Deshalb weist im ersten Vers Shantidevas Versprechen, den Text zu verfassen, darauf hin, daß sein Text in Übereinstimmung mit den Schriften Buddhas verfaßt wurde und die vier Qualitäten der Bedeutung, des vorübergehenden Nutzens, des endgültigen Nutzens und der Beziehung enthält.
DER GRUND, DEN TEXT ZU VERFASSEN
[2] Shantideva erklärt als nächstes, was seine Gründe sind, den Text zu verfassen. Er gibt zu, daß nichts darin enthalten sein werde, was nicht schon früher einmal erläutert worden sei. Da er keine besonderen Fähigkeiten in der Kunst der Rhetorik oder Poesie besitze, habe er auch nicht die Absicht, denjenigen zu helfen, die die Unterweisungen Buddhas schon verstanden hätten. Er habe seinen Text vielmehr deshalb geschrieben, damit sich seine eigene Tugend vergrößere, sein eigenes Verständnis der Schriften nicht abnehme und sein eigener Geist mit den eben erklärten Realisationen der Schriften besser vertraut würde.
[3] Weiter sagt Shantideva, daß er durch die Kraft seines Vertrauens, des Verfassens des Textes und seiner Weisheit die Bedeutung aller Schriften erläutern werde. Dadurch würden für einige Zeit auch seine eigenen Realisationen zunehmen. Er hoffe, daß sich dieser Text auch für andere Studierende, die genauso großes Glück hätten wie er selbst, als sinnvoll erweisen würde.
Dies beschließt die einleitende Erklärung. Im vierten Vers beginnt Shantideva mit der Erklärung des eigentlichen Pfades, der von denjenigen befolgt werden sollte, die in die Lebensweise eines Bodhisattvas eintreten wollen.
DIE EIGENTLICHE ERKLÄRUNG DER STUFEN DES PFADES ZUR ERLEUCHTUNG
Die Erklärung besteht aus zwei Hauptteilen:
1. Die Ermutigung, die Bedeutung dieses kostbaren menschlichen Lebens zu erfassen
2. Die Methode, dieses perfekte menschliche Leben bedeutungsvoll zu machen
DIE ERMUTIGUNG, DIE BEDEUTUNG DIESES KOSTBAREN MENSCHLICHEN LEBENS ZU ERFASSEN
[4] Shantideva erinnert uns als erstes daran, daß wir jetzt einen äußerst seltenen und kostbaren Besitz unser eigen nennen: die voll ausgestattete menschliche Form. Im Gegensatz zu der überwältigenden Mehrzahl der Wesen im Universum - einschließlich der meisten Menschen - haben wir die Möglichkeit, unserem Leben einen wirklichen Sinn zu geben. Wir sind frei von bestimmten Einschränkungen und im Besitz bestimmter Fähigkeiten und nützlicher Umstände, die es uns ermöglichen, Ziele zu erlangen, die weit jenseits der Reichweite der meisten Wesen liegen. Wenn wir aber nicht den bestmöglichen Gebrauch von unserem jetzigen Leben machen, dann wird es sehr schwierig sein, erneut eine solch perfekt ausgestattete Form zu erlangen. Damit uns der große Wert stärker bewußt wird, müssen wir uns mit der folgenden detaillierten Analyse vertraut machen.
Wieso ist unsere gegenwärtige Existenzform so selten und so schwierig zu erlangen? Der Grund dafür ist, daß wir nicht zufällig als Mensch geboren wurden. Jede Wirkung hat eine Ursache, und unsere gegenwärtige Existenz als Mensch - und zudem als besonders ausgestatteter Mensch - ist das Resultat einer Anzahl von besonderen und schwierig zu erschaffenden Ursachen. Im allgemeinen hängt eine Geburt als Mensch von der Einhaltung reiner moralischer Disziplin und der Praxis des Gebens in früheren Leben ab. Im einzelnen hat jeder Aspekt einer voll ausgestatteten menschlichen Form seine eigene ihm entsprechende Ursache, wie es weiter unten beschrieben wird. Damit wir diese Form erlangen konnten, müssen wir außerdem reine Gedanken oder Gebete für ein körperliches Fahrzeug gemacht haben, das uns die Möglichkeit und Freiheit geben würde, unseren Geist durch die fortgesetzte Dharma-Praxis oder spirituelle Unterweisungen weiterzuentwickeln. Um wirksam zu sein, durften diese Gebete nicht durch Anhaftung an vorübergehende Annehmlichkeiten und Glück verschmutzt sein. Da es selten ist, daß wir auch nur eine dieser notwendigen Ursachen erzeugen, folgt, daß das Ergebnis, das aus einer Kombination aller dieser Ursachen heranreift, äußerst selten zu finden ist.
Unsere gegenwärtige Situation kann anhand der folgenden Analogie verstanden werden: Wenn jemand einen Klumpen Gold findet, seine Seltenheit und seinen Wert aber nicht erkennt, wirft er ihn vielleicht weg. Wir haben jetzt einen kostbaren menschlichen Körper erlangt, der weitaus mehr wert ist als Gold. Wenn wir aber seinen wahren Wert nicht erkennen, neigen wir dazu, ihn für sinn- und ziellose Aktivitäten zu verschwenden. Deshalb ist es zuerst einmal sehr wichtig, die acht Freiheiten und zehn Ausstattungen dieser seltenen und kostbaren Möglichkeit zu verstehen.
Die acht Freiheiten beziehen sich auf acht einschränkende Zustände. Vier davon werden auch von Menschen erfahren. Die vier Freiheiten von Einschränkungen durch nichtmenschliche Existenzen sind:
(1) Freiheit von einer Wiedergeburt als Höllenwesen
(2) Freiheit von einer Wiedergeburt als Hungriger Geist
(3) Freiheit von einer Wiedergeburt als Tier
(4) Freiheit von einer Wiedergeburt als Langlebensgott (Skrt. Deva)
Die vier Freiheiten von Hindernissen innerhalb der menschlichen Existenz sind:
(5) Freiheit von einer Wiedergeburt in einem Land, in dem kein einziges Wort des Dharmas gefunden werden kann
(6) Freiheit von einer Wiedergeburt mit geistigen oder körperlichen Behinderungen
(7) Freiheit von einer Wiedergeburt mit falschen Sichtweisen, wie nicht an das karmische Gesetz von Ursache und Wirkung, den Fortbestand des Bewußtseins und so fort zu glauben
(8) Freiheit von einer Wiedergeburt in einer Zeit, in der kein Buddha erschienen ist
Wieso werden diese Umstände die acht Freiheiten genannt? Weil diese acht Zustände frei von den Hindernissen sind, die unserer Dharma-Praxis im Weg stehen oder sie sogar verhindern.
Die zehn Ausstattungen können in zwei Kategorien unterteilt werden: die fünf persönlichen Ausstattungen und die fünf Ausstattungen der Umwelt. Die fünf persönlichen Ausstattungen sind:
(1) Als Mensch geboren worden zu sein
(2) In einem sogenannt zentralen Land geboren worden zu sein, einem Ort, wo der Dharma blüht
(3) Mit vollständigen Sinneskräften geboren worden zu sein
(4) Keine der fünf Handlungen sofortiger Vergeltung begangen zu haben. Diese sind: das Töten der eigenen Mutter, des eigenen Vaters, eines Arhats, das Vergießen des Blutes eines Buddhas und das Verursachen einer Spaltung in einer spirituellen Gemeinschaft
(5) Vertrauen in die drei Körbe (Skrt. Tripitaka) von Buddhas Unterweisungen sowie in die gesamte buddhistische Lehre zu haben
Die fünf Ausstattungen der Umwelt sind:
(6) Eine Wiedergeburt in einer Zeit zu erlangen, in der Buddha erschienen ist
(7) Eine Wiedergeburt in einer Welt zu erlangen, in der dieser Buddha den Dharma gelehrt hat
(8) Eine Wiedergeburt in einer Welt zu erlangen, in der dieser Dharma stabil ist und blüht
(9) Eine Wiedergeburt in einer Welt zu erlangen, in der Praktizierende diesem Dharma folgen
(10) Eine Wiedergeburt in einer Welt zu erlangen, in der es freundliche Gönner gibt, die die Notwendigkeiten für die Dharma-Praxis wie Nahrung, Kleider und so fort bereitstellen
Diese zehn Zustände werden Ausstattungen genannt, weil sie die Umstände vervollständigen, die für die Dharma-Praxis förderlich sind.
Aufgrund unserer verdienstvollen Handlungen (Skrt. Karma), die wir angesammelt haben, haben wir jetzt diese kostbare menschliche Form mit den oben genannten achtzehn