Dr. Hanspeter Hemgesberg

Burnout


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erkennen – sprich diagnostizieren – und verstehen, das sind die beiden Seiten derselben Medaille!

      Wenngleich Burnout nahezu in jedermanns/-frau Munde ist, darüber tagtäglich in der gesamten Medienlandschaft zu hören, sehen und zu lesen ist, so bleibt dennoch in der weit überwiegenden Zahl der Menschen hierzulande das Wissen über Burn-out – um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken – mehr als bescheiden.

      Leider nicht nur bei Laien, sondern auch Therapeuten stellen hier keine Ausnahme dar.

      Ich darf hier einige Textfragmente und -passagen zitieren aus „Psychosoziale Gesundheit“ (Prof. Dr. med. Volker Faust):

      … „Burnout ist ein beklagenswerter Zustand, der immer häufiger wird. Und der verhängnisvolle Konsequenzen für den Betroffenen und sein Umfeld hat: Beruf, Partnerschaft, Familie, Freundeskreis, nicht zuletzt für die Gesundheit.“ …

      Kurzum:

      „Burnout-Teufelskreis“!

      Was muss man wissen?

      Nachfolgend eine komprimierte Übersicht zum Erkennen und Verstehen.

       Unter Burnout verstand man ursprünglich die negativen Folgen der beruflichen (Über-)Beanspruchung mit gemütsmäßiger Erschöpfung, innerer Distanzierung und schließlich Leistungsabfall.

      Oder – wie es früher beschrieben wurde –, ein „Stress-Syndrom der helfenden Berufe" bzw. auf einen kurzen Nenner gebracht:

      „Die Folgen von schlechten Bedingungen, unter denen viele gute Leute tätig sind und sein müssen!"

      Inzwischen handelt es sich um ein reichlich komplexes Beschwerde- bzw. Leidensbild, das zwar immer mehr Betroffene belastet, aber nur zögerlich Eingang in Wissenschaft und Lehre und damit in Beratung, Klinik und Praxis findet.

      Was kann zum Burnout führen?

      Zur Frage „was kann zum Burnout führen?" besteht bisher kein einheitliches Meinungsbild.

      Manche Wissenschaftler betonen Faktoren wie Mangel an Autonomie, Rollenkonflikte, zu hohe Erwartungen, Unklarheiten in den hierarchischen Strukturen, inadäquate Ziele und Konzepte, unzureichende Unterstützung durch Vorgesetzte usw.

      Andere weisen vor allem auf Beziehungskonflikte hin, was dann tatsächlich Berufe mit Patienten, Kunden, Schülern/Studenten usw. besonders anfällig macht.

      Wieder andere betonen die Diskrepanz zwischen dem anfänglich hohen Engagement („lodern“), verbunden mit ggfls. irrealen persönlichen Erwartungen und der desillusionierenden Realität.

      Was heißt das alles konkret?

      Nachfolgend in Stichworten die häufigsten Ursachen, wie sie beim Burnout-Syndrom immer wieder genannt werden (wobei immer wieder neue Belastungsformen hinzukommen):

      Hohe Arbeitsbelastung

      schlechte Arbeitsbedingungen

      Zeitdruck oder zu großes Pensum in einem zu eng gesteckten Zeitrahmen, vor allem stoßweise

      schlechtes Betriebsklima

      wenig tragfähige Beziehungen zu den Mitarbeitern

      wachsende Verantwortung;

      Nacht- und Schichtarbeit, Wochenend- und Feiertags-Schichten

      vor allem dort, wo man sich nicht arbeitsphysiologischen Erkenntnissen anpassen will oder kann

      unzulängliche materielle Ausstattung des Arbeitsplatzes

       schlechte Kommunikation unter allen Beteiligten (Arbeitgeber, aber auch Mitarbeiter untereinander)

      zu geringe Unterstützung durch den Vorgesetzten

      wachsende Komplexität und Unüberschaubarkeit der Arbeits-Abläufe und -Zusammenhänge

      unzureichender Einfluss auf die Arbeitsorganisation

      Hierarchieprobleme

      Verwaltungszwänge

       Verordnungsflut (gestern neu, heute zurückgenommen, morgen modifiziert usw.)

      Termin- und Zeitnot

      unpersönliches, bedrückendes oder Intrigen-belastetes Arbeitsklima, vom Mobbing ganz zu schweigen

      ferner ständige organisatorische Umstellungen, ohne die Betroffenen in Planung und Entscheidung einzubeziehen, bei Misserfolgen aber verantwortlich zu machen

      zunehmende, immer neue und vor allem rasch wechselnde Anforderungen

      zuletzt die wachsende Angst vor Arbeitsplatzverlust u.a.m. …

      Einige psychologische Aspekte des Burn-Out-Syndroms:

      Die Liste äußerer Belastungen ließe sich beliebig verlängern.

      Dabei ist aber folgendes zu beachten:

      Ihre Bedeutung bemisst sich nicht nach dem, was „man“ für richtig hält, sondern orientiert sich an den Grenzen, die den Betroffenen seitens seiner seelischen, geistigen und körperlichen sowie psychosozialen Fähigkeiten her gesetzt werden.

      Hier wäre/ist man dann bei den psychologischen oder inner-seelischen Aspekten eines Burnout-Syndroms.

      Das ist nicht sehr populär.

      Hinsichtlich der äußeren Belastungen sind alle einer Meinung, während man sich innerseelische und psychosoziale Schwachstellen nur bei anderen vorstellen kann. Doch spielen meist beide Aspekte eine Rolle. Dabei ist es im innerseelischen Bereich zuerst einmal ein Faktor, der im Grund nur Gutes verheißt: Einsatz, Initiative, Engagement, ja Überengagement. Das aber schließt auch die Gefahr von Überforderung und Erschöpfung mit ein.

      Oft wirkt schon die Diskrepanz zwischen hohem persönlichen Einsatzwillen, großen Erwartungen und dem grauen Arbeitsalltag ernüchternd. Dazu kommt in manchen Fällen die mangelhafte gemütsmäßige Belastbarkeit im Umgang mit Patienten, Kunden, Schülern usw.

      Natürlich werden diese auch immer anspruchsvoller, fordernder, reizbarer oder aggressiver:

      Jeder scheint nur noch seine Rechte, kaum einer noch seine Pflichten zu kennen. So ist es sicher nicht falsch, wenn vor allem auf das engere Umwelt für das Entstehen von Ausbrenn-Syndromen! hingewiesen wird. Doch sind wir auch gehalten, psychologische Einflüsse zu klären. Denn die Kombination beider Aspekte ist wahrscheinlich das Naheliegendste.

      Häufig sind es auch Menschen mit Leistungswillen und Idealismus, die ihren beruflichen Aufgaben zwar gerecht werden wollen, dann aber bitter feststellen müssen, dass die erwarteten Erfolge und Anerkennungen ausblieben, ganz zu schweigen von einem Minimum an Lob, das heute tatsächlich kaum mehr zu haben ist. So werden Misserfolge im Arbeitsfeld dann nicht nur als Kränkungen, sondern sogar als persönliche Niederlagen erlebt und erlitten. Das führt schließlich im Laufe der Zeit zu Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls, zu Kommunikationsstörungen, schließlich Leistungseinbruch, depressiv und ängstlich gefärbten Erschöpfungszuständen und zuletzt zu vegetativen Funktionsstörungen (Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Wirbelsäulenbeschwerden usw.).

      Nicht wenigen Burnout-Betroffenen macht im übrigen Leben auch eine zunehmende Sinnleere zu schaffen. Bei fehlendem Sinnbezug drohen aber noch rascher Erschöpfung, Entfremdung und Erholungsunfähigkeit – und im Gefolge davon neurotische und psycho-somatische Störungen, bei denen sich seelische Probleme in körperlichen Krankheitszeichen niederschlagen.

      Manche Menschen unterschätzen auch ihre berufliche Qualifikation und damit Leistungsfähigkeit und sind getrieben von blindem Ehrgeiz mit all seinen Folgen. Kommen noch entgleiste Selbstbehandlungsversuche mit Alkohol, Nikotin, Medikamenten oder gar Rauschdrogen hinzu, ist die Situation schließlich völlig verfahren.

      Der Wille zum Helfen und zur hervorragenden Leistung ermöglichen im Übrigen auch das Erlebnis,