Sharon Lee

unglückselig verdammt


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nehme an, die italienische Polizei hat das Auto damals untersucht?»

      «Die Polizei... Dort unten stecken sie doch alle unter einer Decke!»

      «Das verstehe ich nicht. Aber mal angenommen, du hast mit deiner Vermutung recht: Wer sollte so was tun?»

      Was Josef Hartmann antwortete, traf Maya wie ein Blitz.

      «Dein leiblicher Vater kennt die Wahrheit. Da bin ich mir ganz sicher.»

      Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus.

      «Lebt mein Vater?»

      Statt einer impulsiven Abwehrhaltung, entgegnete er ihr unerwartet nüchtern, als hätte er mit ihrer Frage gerechnet: «Man weiß nie, ich denke – ja.»

      Innerlich jauchzte Maya auf und senkte gleich wieder schuldbewusst den Blick. Aus Respekt ihrem Großvater gegenüber unterdrückte sie mit Mühe eine steigende Euphorie.

      «Lebt er in Italien?»

      «Das kann schon sein.»

      Für Maya war es eigenartig, mit ihrem Großvater ein Gespräch über ihren Vater zu führen. Seine Worte brachten Bewegung in Mayas Welt, die geheimnisvolle Tür zur Wahrheit ihrer Herkunft stand ihr plötzlich offen.

      «Meinst du, er will mich kennenlernen?»

      «Das weiß ich nicht.»

      «Wo finde ich ihn?»

      Josef Hartmann sank in sein Kissen zurück und schloss die Augen. Ausgerechnet jetzt brach er das Gespräch ab. Seine Atmung ging schneller, er hustete und beruhigte sich anschließend wieder.

      Entschieden sah er Maya an: «Dein Vater ist nicht gut für dich.»

      Ihr lief es heiß und kalt über den Rücken. Ihre Euphorie verpuffte im Nichts. Maya fand die Behauptung ihres Großvaters höchst deplatziert und ungerecht. Warum dachte er schlecht über ihn? Maya war überzeugt, dass er ihm damit Unrecht tat. Schließlich hatte ihre Mutter ihn einst geliebt. Und wenn ihr Vater ein so schlechter Mensch wäre, dann sie auch. Es war sein Blut, das durch ihre Adern floss.

      Josef Hartmann war der momentane Zwiespalt seiner Enkelin nicht entgangen. Dass er den Herzinfarkt noch überlebt hatte, war ein Geschenk des Himmels gewesen und der Anstoß, sein Schweigen zu brechen.

      Er bedauerte, Mayas Gefühle wegen seiner eigenen Sturheit und Wut auf diesen Mann verletzt zu haben. Einsicht war gekommen und Josef fand inzwischen, dass Maya sehr wohl ein Recht darauf hatte, ihren Vater kennenzulernen. Genauso wie ihrem Großvater nicht zustand, dazwischen zu stehen. Genau das sollte sich heute ändern. Doch die Angst um seine Maya wuchs mit jedem Satz.

      «Maya, wir haben dich zu einem vernünftigen Menschen erzogen. Was immer du vorhast, denke mit dem Kopf. Dein Herz ist ein zu gutes und es könnte dich leicht ins Verderben führen. Genauso wie es deiner Mutter passiert ist. Ich will dich nicht auch noch verlieren, Maya.»

      «Versprochen. Ich kann auf mich aufpassen. Du kennst mich, von dir habe ich gelernt, den Menschen mit einer gesunden Portion Misstrauen zu begegnen.»

      Nicht, dass es ihn beruhigt hätte, doch Josef Hartmann tat es aus Liebe zu seiner Enkelin. Den Namen zu nennen, kostete ihn reichlich Überwindung:

      «Dein leiblicher Vater heißt Giulio Bonfortuni.»

      «Giulio Bonfortuni …», wiederholte Maya den Namen andächtig. Sie war Feuer und Flamme: «Wo genau lebt er?»

      «Ob er noch lebt, weiß ich nicht. Jedenfalls stammte er aus Santa Berta, einem kleinen Küstendorf in Süditalien.»

      «Santa Berta. Nie gehört. Wo liegt das?»

      «Du bist schlau genug und wirst es herausfinden. Aber ich warne dich: Vergiss nie, dass deine Mutter genau auf der Schnellstraße verunfallt ist, die aus Santa Berta hinausführt.»

      So plötzlich und unerwartet war der Augenblick gekommen. Es war der unbeschreibliche Moment, auf den sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte. Wie oft hatte sie nachts geweint, dann, wenn sie alleine war und es niemand sehen konnte.

      Den Namen ihres Vaters zu hören, war für Maya ein unbeschreibliches Gefühl. Sie glaubte zu träumen – doch sie war hellwach, gepackt von einem Hochgefühl und einer Leichtigkeit, die jedes innere Warnsignal übertönten.

      Überglücklich verließ Maya die Krankenstation, beschwingt und voller Drang, ihren Vater zu finden.

      «Giulio Bonfortuni», flüsterte Maya vor sich hin, «aus Santa Berta in Süditalien.»

      Während den darauffolgenden Tagen durchforschte Maya das Internet nach einem Mann namens Giulio Bonfortuni. Auch nach stundenlangen Recherchen hatte sie noch kein Suchergebnis. Es war zermürbend, doch Aufgeben war keine Option.

      Ihre beste Freundin Nadine brachte sie auf die Idee, diesem Giulio Bonfortuni einen Brief zu schreiben und die Nachricht per Post nach Santa Berta senden. Im Zeitalter des Internets hatte sie den guten alten Postweg ausgeblendet. Nadines Argumente waren stichhaltig: Wenn es denn in Santa Berta überhaupt einen Giulio Bonfortuni gäbe, würde er Mayas Brief erhalten. Wenn nicht, wäre es immerhin den Versuch wert gewesen.

      Maya war inzwischen verzweifelt genug, um nicht weiter über Tun oder Lassen nachzudenken. Fast alle Maßnahmen waren ihr recht, um ihren Vater zu finden. Noch am selben Abend verfasste sie einen Brief:

       Lieber Giulio

       Du wirst erstaunt sein, diesen Brief zu erhalten. Ich heiße Maya Hartmann und bin die Tochter von Karin Hartmann und Giulio Bonfortuni aus Santa Berta.

       Wenn du mein Vater bist und dich dieser Brief erreicht, bitte melde dich bei mir.

       Deine Tochter

       Maya

      Mehr als eine halbe Stunde war sie verunsichert, wie sie den Brief abschließen sollte. War es richtig, wenn sie «Deine Tochter» schrieb oder würde sie ihm damit zu nahe treten, und sollte sie den Brief nicht doch besser schlicht mit «Maya» unterschreiben?

      Nach eingehender Überlegung kam Maya zum Schluss, dass ersteres primär ihre persönlichen Gefühle zu ihm widerspiegelte, entschied sich am Ende dann aber trotzdem dafür, mit der Begründung, dass die Formulierung rein aus biologischer Sicht gesehen der Wahrheit entspräche.

      Vergnügt unterzeichnete sie mit «Deine Tochter» und gleich darunter notierte sie ihre vollständige Postadresse.

      Am darauffolgenden Vormittag fuhr sie gleich am Morgen los zur nächsten Poststelle. Maya war hibbelig wie kaum zuvor. Was von nun an geschehen würde, entzog sich ihrer Kontrolle.

      Das Warten auf ein Lebenszeichen von einem Mann namens Giulio Bonfortuni hatte begonnen.

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