J. D. Möckli

Der Wüstensklave


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ihr zu kaufen. Hat sie keine anderen Stoffe?«, möchte Jamon missbilligend wissen, als er die Ballen wegräumt und das Leinen, in das sie eingewickelt waren, zum Trocknen auf eine extra dafür gespannte Wäscheleine hängt.

      Ren seufzt und setzt sich hin. »Kai kauft nur das Leinen bei ihr, weil die anderen Stoffe nicht seinen Qualitätsanforderungen entsprechen. Dafür ist sie günstig: Für diese vier Ballen hat er nur vierzig Silbermünzen bezahlt. Der Stoff ist aber auch nur zum Verpacken gut oder eben für die Leute, die sich nichts Besseres leisten können – und für Sklaventuniken. Zudem akzeptiert sie, ohne nachzufragen, dass er ab Herbst dickeres Leinen haben will als im Frühling oder Sommer.«

      »Verstehe«, murmelt Jamon und sieht zu dem alten Mann. »Du siehst müde aus. Ruh dich aus, ich wische gleich den Flur noch einmal und mach auch die Spuren im Laden weg, wenn ich schon dabei bin.«

      Dankbar erwidert Ren den Blick. »Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Der erste Schnee macht mir jedes Jahr zu schaffen. Das ist ganz normal. Dennoch danke, mein Junge.«

      »Du musst dich ganz sicher nicht bei mir bedanken, Großvater. Das ist doch selbstverständlich, dass ich dir helfe, so gut ich kann.«

      Jamon trägt die neuen Ballen noch schnell in der Tafel ein, ehe er rausgeht und sich zum zweiten Mal an diesem Tag den Flur vornimmt.

      Als Jamon auch im Laden die letzten Fußspuren beseitigt und das Putzwasser im Bad ausgeleert hat, kommt Ren und hält ihm ein Stück Apfelkuchen hin. »Hier, frisch aus dem Ofen und mit wirklich süßen Äpfeln gebacken.« Schmunzelnd beobachtet der alte Mann, wie Jamons Augen anfangen zu leuchten, als er den Teller mit dem Kuchenstück entgegennimmt und genüsslich ein Stück abbeißt.

      »Der ist ja lecker. Danke, aber gibt es nicht gleich Mittagessen?« Die Stirn leicht runzelnd reckt er den Hals, um einen Blick in die Küche werfen zu können.

      »Doch, aber ich dachte, dass ich dir ausnahmsweise den Nachtisch als Vorspeise gebe, wenn du dank der Fuku den Boden schon zweimal putzen darfst.« Den Wischmopp und den Eimer nehmend, zwinkert Ren seinem Enkel zu. »Ich räume dafür dein Putzzeug weg. Ich nehme mal an, dass du vor dem Essen noch mal in den Stall willst?«

      Schon in die Küche gehend, nickt Jamon. »Ja, ich wusste doch nicht, dass ich für den Boden so lange brauchen würde, und habe ihnen ihr Mittagessen noch nicht gegeben.« Den leeren Teller in die Spüle legend, blickt er nachdenklich vor sich hin. »Ich werde mich in Zukunft noch mehr zusammenreißen müssen«, murmelt er und greift nach einem Becher.

      Er trinkt noch schnell einen Schluck Wasser, ehe er an Ren vorbei wieder raus in den Flur tritt, wo er sich hastig die Schuhe anzieht und nach draußen in das Schneetreiben geht.

      Den Kopf schüttelnd sieht Ren ihm nach. »Glaubst du denn wirklich, dass du das schaffen wirst? Du bist viel zu sehr wieder du selbst.« Obwohl er weiß, dass Jamon ihn natürlich nicht hören kann, spricht er seine Gedanken aus, ehe er das Putzzeug wegräumt und sich wieder der beinahe fertigen Suppe widmet.

      Kurz darauf kommt Kai in die Küche und nimmt sich seufzend eine Tasse Tee. »Naoko nervt mit jedem Jahr mehr. Wann kapiert sie endlich, dass ich nicht an ihr interessiert bin?«

      Voller Mitgefühl sieht Ren ihn an. »Wenn du verheiratet bist. Es sei denn, du sagst ihr, dass du auf Männer stehst.«

      »Auf gar keinen Fall! Dann schleppt die mir noch Psycholimagi oder Wunderheiler an, damit die mich von meiner angeblichen Krankheit des Schwulseins heilen! Du weißt ja, wie sie drauf ist …« Kai fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Und das letzte Mal, als ich deswegen mit den Typen zu tun hatte … das hat mir wirklich gereicht.«

      »Ja, das war wirklich nicht schön. Zum Glück hat Aja damals spontan die richtige Idee gehabt und sich als deine Geliebte ausgegeben.« Mit einem Schaudern erinnert sich auch Ren daran zurück, als Kai nicht nur seinen Liebeskummer verarbeiten, sondern dank des Geredes der Leute auch noch beweisen musste, dass er so wie alle normalen Männer wäre … »Lass uns nicht mehr dran denken.«

      »Woran wollt ihr nicht mehr denken?«, fragt Jamon, als er in die Küche kommt, da er nur den letzten Satz mitbekommen hat.

      »Ach, nur an eine alte Geschichte, die sich nach meiner Trennung mit Linus zugetragen hat. Es ist nicht wichtig. Naoko hat mich nur daran erinnert.« Kai lächelt seinen Liebsten voller Liebe an, als er auf ihn zutritt und ihm einen Kuss auf die Lippen haucht. »Danke fürs Holz bringen.«

      Jamon erwidert den Kuss und nickt leicht. »Okay. Du musst dich nicht bedanken. Aber lass uns essen, bevor die Suppe kalt wird«, raunt er seinem Sharik zu und deutet auf den Tisch, wo Ren schon ihre Schalen füllt.

      Kapitel 2: Weihnachten

      Kai rekelt sich genüsslich, als er die Augen öffnet. Es ist hell im Zimmer, aber das stört ihn überhaupt nicht. Heute bleibt der Laden den ganzen Tag über geschlossen und das will er ausnutzen, indem er mal wieder in aller Ruhe mit seinem Liebsten kuschelt. Lächelnd dreht er sich um und schon verschwindet das Lächeln wieder aus seinem Gesicht, denn er liegt allein im Bett. Von Jamon ist weit und breit keine Spur zu sehen.

      Die Stirn runzelnd richtet Kai sich auf und schlägt die Decke zurück, nur um gleich darauf fröstelnd die Arme um sich zu schlingen. Es ist kalt im Zimmer. »Na toll. Müssen wir hier oben etwa auch schon heizen?«, murmelt er und steht auf. Hastig eilt er zum Schrank und holt warme Sachen heraus, die er sich aber nicht gleich anzieht. Er nimmt sie mit nach unten, wo er sie im herrlich warmen Badezimmer neben den Ofen legt, ehe er sich auszieht und gedankenverloren unter die Dusche steigt, nur um gleich darauf kreischend wieder herauszuspringen, als ihn eiskaltes Wasser trifft. »Verdammte Scheiße!« Brummelnd wartet er neben dem Wasserstrahl stehend darauf, dass das Wasser endlich warm wird.

      In der Küche lacht Jamon laut auf, als er Kai fluchen hört. »Kai ist wach«, stellt er breit grinsend fest, während er zusammen mit Ren einen Keks nach dem anderen aussticht und auf das Blech legt. »Warum backen wir eigentlich erst jetzt Weihnachtskekse? Oder besser gesagt: Warum feiert ihr das Fest überhaupt?«

      Auch Ren ist am Grinsen, doch sein Blick wird jetzt wehmütig. »Meine erste Frau, Kais Großmutter, hat diese Tradition eingeführt. Sie hat an den christlichen Gott geglaubt und irgendwie finde ich es eine schöne Tradition, auch wenn wir nicht die angebliche Geburt von diesem Jesus feiern. Wir backen Kekse und gehen dann später auf den Friedhof, um auch den Verstorbenen ein paar Kekse zu bringen. Am Abend sitzen wir mit unseren Freunden zusammen und genießen die Gesellschaft.«

      Spontan legt Jamon den Arm um Rens Schultern. »Das ist eine sehr schöne Tradition und es zeigt so viel mehr, was Weihnachten eigentlich sein sollte, als das, was die meisten Familien der Oberschicht tun, die sich Christen nennen.« Er hat nur leise gesprochen, irgendwie hatte er das Gefühl, dass lautere Worte den Moment gestört hätten.

      Tief durchatmend lehnt sich Ren kurz an ihn, ehe er sich wieder aufrichtet und den Keksen widmet. »Na komm, wir müssen uns beeilen, damit wir fertig werden.« Lächelnd sieht er den jungen Mann an, der in so kurzer Zeit einen so unglaublich weiten Weg zurück zu sich selbst geschafft hat.

      Jamon erwidert das Lächeln, wendet sich dann aber ebenfalls wieder dem Teig zu.

      Als sie das erste Blech voll haben, schiebt Ren es in den heißen Ofen und legt Holz nach.

      Endlich kommt auch Kai in die Küche. »Guten Morgen. Ihr habt schon angefangen? Warum habt ihr nicht gewartet?«, fragt er und gibt seinem Liebsten einen schnellen Kuss. »Allein aufzuwachen ist nicht schön, wenn ich schon mal im Bett liegen bleiben und in Ruhe mit dir schmusen könnte.«

      »Tut mir leid, aber ich bin im Morgengrauen aufgewacht und wollte dich nicht wecken. Darum bin ich leise aus dem Zimmer gegangen und habe die Pferde versorgt«, raunt Jamon seinem Sharik zu und gibt ihm noch einen Kuss. »Magst du mit mir Kekse ausstechen? Großvater will das Frühstück erst machen, wenn wir fertig sind.«

      »Na, dann helfe ich lieber mit. Nicht dass wir noch … ach, vergiss es.« Um seinen Beinahe-Patzer zu überspielen, nimmt sich Kai eins der Keksförmchen