Martina Dr. Schäfer

Allah ist unsichtbar


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in der grie­chi­schen Philosophie etwa ab dem 4. Jahrhundert v.d.Z. auf.

      Sie ist ausserdem, meiner Meinung nach, der logische Schritt, welcher sich aus der Entwicklung von polytheistischen Religionssystemen zu monothe­isti­schen ergibt.[3]

      Apophatische Theologie ist, zum Dritten, die klösterliche Schwester der weltlichen apophatischen Philosophie des Neuplatonismus oder, wenn man so will, die sakrale Variante, ein spiritueller Ausweg aus den ratio­nalisti­schen Höhenflügen, welche ansonsten zum Agnostischen oder gar Atheisti­schen führen würden – was ja nun mal nicht Jedermanns oder Jederfraus Sache ist.

      Ebenso wie umgekehrt: Philosophie als Rettung aus einem entweder kindlich-naiv, beschreibenden oder sogar allzu abstrakt ab geschwebten Gottesbild. [4]

      Spiritualität oder Mystik (ich erlaube mir, der Einfachheit halber diese beiden Begriffe, wie McGINN in seiner Einleitung[5] synonym zu ver­wenden[6]) ist dann in einem solchen Zusammenhang eigentlich der Versuch, sich dem Unnennbaren und Unbeschreibbaren doch irgendwie und irgendwann annähern zu können, wenn nicht sogar, sich mit diesem «Einen», mit «Gott» vereinen zu können. Mystik zu betreiben bedeutet also, Wege zu begehen, «Lebenswege»[7], Stufen, «Himmelsleitern»[8] zu ersteigen oder weitere Bemühungen des Erreichens dieses Unnenn­ba­ren, sich mit dieser sakralen Unbegreiflichkeit zu verbinden.

      Gott ist das nicht Erkennbare, niemals vollständig zu Erfassende, woraus dann folgt, dass Gott auch nicht beschreibbar ist, nicht auszudrücken.

      McGINN unterscheidet nun noch, ob das für alle Menschen gilt oder nur für bestimmte, nur zu einer gewissen Zeit oder jederzeit, usf.,[9] was ich hier aber einmal dahin gestellt lasse.

      Wenn Gott also nicht beschreibbar ist, denn jede Beschreibung würde dieses besondere zu Beschreibende Unendliche wieder einschränken, nicht definierbar, kann ich mich ergo einer Erkenntnis über Gott nur annähern, indem ich aus­drücke, was Gott n i c h t ist. Die mögliche Annäherung geschieht durch die Negation von Eigenschaften, weshalb man in Verbindung mit der Apophasie auch von Negativer Theologie spricht.

      Auch diese Negation muss sich allerdings in sich selber wieder durch ihr Gegen­teil auflösen, sonst wäre eine Negativbeschreibung (quasi durch die Hintertüre des Ausschlussverfahrens) doch wieder eine positive.

      Also beispielsweise: «Gott ist weder Mann» – notwendig muss nun folgen: «noch Frau noch Kind». Sonst wäre er ja das Ausgeschlossene.

      Oder auch: «Gott ist nicht in der Welt» – das würde den Begriff wieder be­schrän­ken, also muss es zwingend weiter heissen: «und auch nicht ausserhalb».

      «Gott ist weder endlich noch unendlich, übermächtig noch ohnmächtig, weder Geist noch Materie, … usw.».[10]

      Das bedeutet weiterhin, dass paradoxe Sprachspielereien, poetische Über­steigerungen oder eben das Verstummen zum sprachlichen Reper­toire der Apophasie dazu gehören und übrigens Musik für apophatische AutorInnen eben­falls ihre besondere Bedeutung hat.

      Apophatisches Sprechen ist per definitionem Auflösung von Sprache und vom Misstrauen gegen ihre Ausdrucksfähigkeit getragen.

      Apophatisches Sprechen ist ergo auch ein sehr modernes Sprechen – modern im Sinne der literarischen Strömung des Expressionismus, des­sen Zweifel an der Sprache dann im Extrem zum Silbenstottern oder Dadaismus führte. Oder in einer anderen Expressionismusrichtung zu eruptiven Ausdrücken reiner Gefühle und Leiden­schaften in Wort, Bild und teilweise auch in der Musik.

      Das Gegenteil der apophatischen, der negativen Theologie ist sodann die kata­phatische oder positive Theologie. Diese erscheint auf den ersten Blick dem Denken einfacher, denn mit ihrer Hilfe wird versucht, sich durch das Anhäufen von Beschreibungen, Zuschreibungen, substantivierten Tätigkeiten, etc. einem Verständnis dessen, was Gott sein könnte, anzunähern.

      Allerdings ist dieses Projekt natürlich von vorne herein mehr oder minder ebenso zum Scheitern verurteilt wie die negative Theologie, denn das Transzendente zeichnet sich ja nun gerade durch das Überschreiten, das Jenseitig-von-Allem-Sein, aus. Eine fast mathematische Frage wäre dann, ob denn eine unendliche Aufzählung positiver Beschreibungen oder negativer Paradoxien Gott darstellen könnte?

      Ein Gedanke, der sich beispielsweise im Islam durch die Aufzählung der 99 Namen Allahs ausdrückt. Wobei die Zahl «99» symbolisch gemeint ist und für die eigentliche Unendlichkeit beschreibbarer Möglichkeiten steht: Es könnten auch 999 Namen sein oder 9999 – eine vollständige Beschreibung Gottes kann nie erreicht werden.

      Positive Theologie ist jedoch in allen Religionen da von Nöten, wo Gott an­sprech­bar sein soll, wo die Gläubigen die Möglichkeit brauchen, eine vorstellbare Gestalt zu preisen oder um Gnaden zu bitten. Göttlichkeit zum Anfassen, zur Vorstellung, einen Gott der Phantasie … gleich kommen Heiligenbilder, Prozes­sionen, Statuen von Göttinnen und Göttern, Bilder, die «das Volk» sich machen muss, soll es glauben können – was immer auch das erste Gebot, die zweite Sure befehlen mögen. Weshalb man auch von «affirmativer» Theologie spricht.

      Hier hinein gehört auch die Vorstellung eines persönlichen Gottes, wie es Chris­ten­tum und Judentum pflegen, eine Vorstellung, welcher der Islam, wie ich weiter unten darstellen werde, eher ablehnend gegenüber steht oder die ver­schie­denen Vorstellungen von Offenbarung in den drei monotheistischen Religionen: Als konkrete Gesetzessammlung, als Mensch, als Buch.

      Origenes (185 Alexandria–254 in Caesarea) setzte diese Erkenntnis sehr prag­matisch in seinen Anleitungen zum Gebet um[11] und entwickelte entsprechend verschiedene Arten der Gebetsweisen.[12]

      Positive Theologie ist die Einschränkung des Göttlichen auf ein menschliches Mass – um der Menschen willen – sie ist Pastorale, nicht Philosophie, Impres­sio­nis­mus, lumen de lumine, l'art pour l'art wie die negative, apophatische Theolo­gie.

      Von daher verwendet kataphatisches Sprechen unterschiedliche Methoden des Ausdrucks: Vergleiche, Allegorien, Gleichnisse, weitere analoge Redeweisen, Ver­gleiche und Gleichnisse, Anhäufungen, Metaphern, etc. Kataphatische Texte, beson­ders wenn sie Erzählungen oder Berichte sind, ziehen Deutungen nach sich, brauchen den allegorischen Sinn, um so zu den Ausdeutungen der heiligen Texte zu gelangen.

      Über die Jahrhunderte hinweg entwickelten sich z.B. im Christentum Theorien, Methoden der «geistlichen Sinne», mit deren Hilfe Texte stufenweise gedeutet werden konnten.[13] Da gibt es den reinen «Wortsinn», welcher das Geschriebene wort-wörtlich nimmt, hermeneutisch vorgeht in seiner Interpretation, philolo­gisch den Ableitungen hinterher spürt, Origenes nennt ihn den «historischen Sinn», mit dessen Hilfe das Mythische in Geschichte und Tradition, also letztlich in Identität und Glaube umgewandelt wird. Eine weitere Deutungsmethode ist die «allego­rische», für die eben «eine Rose» nicht unbedingt nur «eine Rose»[14] ist – usw.

      Beginnt man – so RUH in seinem Kapitel zu Dionysius Areopagites – in apopha­tischer Rede von «unten», also bei denjenigen Zuschreibungen, welche «Gott» am fernsten sind, startet kataphatisches Sprechen «oben», bei jenen Eigen­schaften, welche «Gott» am ähnlichsten sind [15]. Und wie sich zwei parallele Gera­den doch im Unendlichen schneiden, geht auch kataphatisches Sprechen und Beten in apophatisches über.

      Wie Dionysius Areopagites diese auf- und absteigende Bewegung als Methode des individuellen Weges darstellt und diesen gleichzeitig in die Ordnung himm­lischer und irdischer Hierarchien hinein stellt, werde ich weiter unten erläutern.

      2 1000 Jahre «apophatische Theologie» in der griechischen Philosophie

      Wie bereits im Abschnitt 1.1. erwähnt, ist meiner Meinung nach apophatisches Denken und Reden eine logische Folge, besser ein zwingendes Ergebnis be­stimm­ter philosophischer und religiöser Entwicklungen in einer Kultur.

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