Ханс Фаллада

Bauern, Bonzen und Bomben


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Stuff glotzt beschwörend.

      »Todsicher nicht. Weder geklaut noch Verführung zum Meineid, noch Abtreibung, noch Bomben, noch sonst was.«

      »Ich glaube, er lügt diesmal wirklich nicht«, sagt Stuff. »Dann ist Perduzke ein Idiot. Laß ihn ruhig nachlaufen, Tredup, der tut dir nichts. Der meint wen anders.«

      »Aber ich habe Angst, Stuff. Immer, wenn ich mich umdrehe, ist da jemand. Und am schlimmsten ist es, wenn keiner da ist, dann habe ich den Kopf ewig im Nacken, bis ich ihn wiedersehe.«

      »Feigling! Du solltest bei uns im Felde ...«

      Aber Tredup fährt unbeirrt fort: »Es ist da eine Stelle auf meinem Hinterkopf, die fühle ich ständig. Weißt du, quer über den Schädel, ein schmaler Streifen. Hier, vom Wirbel ab. Das ist kein Scherz. Da sitzt ewig ein Druck und ich weiß, da kriege ich mal einen mit der Hacke über den Schädel. Das fühl ich schon. So von hinten über den Schädel. Und dann liege ich da und bin weg.«

      Er starrt Stuff erwartungsvoll an.

      »Wir hatten da einen Vizefeldwebel im Felde«, setzt Stuff ein. »Mit dem fing es auch so an.«

      »Rede nicht«, unterbricht Tredup. »Du sollst mir sagen, was ich tun kann. So werde ich noch verrückt.«

      »Der Vizefeldwebel«, widerspricht Stuff hartnäckig, »kam auch in eine Anstalt ...«

      Tredup steht brüsk auf. »Guten Abend, Stuff. Du machst wohl die Zeche in Ordnung.«

      Nimmt seinen Hut und geht.

       7

      Es ist immer noch Sommernacht draußen, eine dunkle, mondlose Sommernacht, in der sich die Baumblätter leise bewegen. Das Wasser über dem Wehr rauscht noch immer, und auf der schwarzen Fläche des Teichs liegen die glänzenden Reflexe der Gaslaternen.

      Tredup lehnt mit seinem Rücken gegen einen Baum und mustert aufmerksam den Weg in die Stadt. Die Fahrbahn liegt unbewegt und klar im Schein der Laternen da, und auch der Bürgersteig ist leer und fast schattenlos.

      Aber die Bäume stehen auf jeder Seite in zwei Reihen, und hinter den starken Lindenstämmen kann ein Mann sich verstecken, oder zwei, man weiß es nicht. Und dann springen sie zu, und da ist die Stelle am Hinterkopf ... Haben sie erst geschlagen, dann ist es nicht so schlimm, aber der Augenblick der Erwartung muß grauenhaft sein.

      »Am besten ginge ich noch mal ins Lokal und telefonierte mir eine Taxe vom Bahnhof her«, überlegt er. »Aber nein, da ist Stuff. Und ich komme nicht los von ihm, und das Saufen fängt wieder an und die Weibergeschichten ...«

      Tredup tritt in die Mitte der Fahrbahn und beginnt langsam und zögernd vorwärts zu gehen. Ist er auf der Stammhöhe zweier Bäume, so späht er erst lange und vorsichtig hinter sie. Dann geht er weiter.

      Zehn, zwölf Bäume sind schon vorbei, und vor ihm tauchen am Ende der Allee die Lichter des Marktplatzes auf, da bewegt sich rasch aus dem schwärzesten Schatten ein kleiner kugliger bärtiger Mann auf ihn zu ... jener, den er gestern schon sah, heute ...

      Tredup sieht etwas wie eine ausgestreckte Hand auf sich zu ... Er macht einen ungeheuren Satz, nach dem Marktplatz hin, stößt einen Schrei aus, beginnt zu laufen.

      Hinter sich hört er eiliges Schrittetrapsen, nun sind es schon zwei. Einer ruft: »Stehenbleiben oder ich schieße!«

      Tredup rast.

      Eine andere Stimme ruft: »Laß, Perduzke. Den kriegen wir auch so.«

      »Perduzke?« denkt Tredup flüchtig. »Perduzke? Wer ist Perduzke?« Aber er muß laufen, sie kriegen ihn sonst, sie schlagen ihn sonst auf die schmerzende Stelle am Hinterkopf.

      Er ist über den erleuchteten Marktplatz fortgelaufen, der jetzt, nach Mitternacht, menschenleer liegt. Dann gegenüber in die Probstenstraße.

      »Das ist ein Umweg nach Haus«, denkt er. »Ach, wäre ich doch bei Elise!« Und läuft rascher.

      Hinter ihm scheint jetzt nur noch einer zu sein, Tredup bekommt Hoffnung zu entrinnen, der Mann keucht so. Und ganz in der Nähe von hier sind die städtischen Anlagen, wenn er dahin kommt, da ist es dunkel, da finden sie ihn nicht.

      Er schlägt einen Haken. Der Verfolger ist mindestens zwanzig Schritt hinter ihm.

      Dann knirscht der Kies unter seinen Füßen. Hier ist es herrlich schwarz und Nacht, Tredup überspringt einen Rasenstreifen, wirft sich prasselnd durch ein Gebüsch, läuft ein Stück lautlos auf Gras – und sieht, während er auf der andern Seite in die Calvinstraße einbiegt, ganz hinten den Verfolger mit einer Taschenlampe suchen.

      Als Tredup eine Viertelstunde später seine Wohnungstür öffnet, sitzt auf dem Stuhl an der Kommode der schwarzbärtige Dicke. Elise hockt verweint, in ihre Decke geschlagen, auf der Bettkante. Die Köpfe der Kinder zeigen sich und verschwinden wieder.

      »Kommen Sie man rein, Herr Tredup«, sagt der Dicke. »Draußen ist noch einer. Jetzt hauen Sie mir nicht wieder ab. Mein Name ist Perduzke von der Kriminalpolizei. Es sollte mich wundern, wenn Herr Stuff Ihnen heute nicht von mir erzählt hätte.«

      »Sie waren es doch«, fragt Tredup gespannt, »der mir vorhin bei der Grotte nachlief?«

      »Ich und mein Kollege«, bestätigt Perduzke. »Meinen Kollegen scheinen Sie ja wieder losgeworden zu sein.«

      »Und Sie sind es gewesen, der mir auch in den letzten Tagen nachgelaufen ist?«

      »Seit vorgestern Abend.«

      »Na, wenn ich das gewußt hätte«, sagt Tredup aufatmend. »Dann hätte ich mir diesen Dauerlauf erspart.«

      »Na, na«, meint Perduzke ungläubig. »Das sagen Sie jetzt, wo wir Sie haben. – Jedenfalls muß ich Sie verhaften.«

      »Und warum?«

      »Warum? Überlegen Sie sich mal.«

      »Ich weiß nichts.«

      Perduzke sagt bestätigend: »Jeder stellt sich so dumm, wie er kann. Aber darüber sprechen wir dann morgen. Das sieht alles ganz anders aus, wenn man erst einmal eine Nacht in der Zelle gesessen hat.«

      »Max«, flüstert Frau Tredup. »Max, wenn du etwas getan hast, vielleicht wenn du gleich gestehst, daß der Herr dich hier läßt.«

      »Überlegen Sie es sich«, sagt Perduzke. »Ihre Frau ist vernünftig.«

      »Nichts, Elise, sorge dich nicht. Es ist Unsinn. Aber geh morgen gleich auf das Rathaus zu Bürgermeister Gareis und sage ihm, daß ich verhaftet bin und ihn sprechen müßte.«

      »Gareis? Was haben Sie mit dem Bürgermeister?«

      »Also, nicht wahr, Elise, du tust es bestimmt? Nicht vergessen, nicht aufschieben, dann bin ich morgen Abend wieder bei dir.«

      »Das bringt nun nicht einmal ein roter Bürgermeister fertig. Dann kommen Sie man, Herr Tredup.«

      »Und dem Stuff Bescheid sagen. Nicht dem Wenk. Dem Stuff. Gute Nacht, Elise.«

      »Gute Nacht, Max. Ach, Max, wie werde ich denn schlafen können ... und die Kinder ... Ach, Max.«

      »Nichts. Nichts, Elise. Es ist sogar gut, daß er mich verhaftet hat. Hab ich doch wieder eine ruhige Nacht.«

      »Ach, Max ...«

       8

      Bei Bürgermeister Gareis sitzen an einem klaren sonnigen Julinachmittag des folgenden Tages vier Herren beisammen. Durch die großen Fenster brechen Fluten fröhlichen Lichtes und beleuchten das liebenswürdige fette Gesicht des schwersten Mannes von Altholm, die beweglichen, jetzt etwas betrübten Züge von Assessor Meier, Vertreter der Regierung in Stolpe, das recht verkniffene unzufriedene Gesicht von Polizeioberst Senkpiel und die beflissen aufmerksame Miene des Polizeioberinspektors Frerksen.

      Gareis sieht noch liebenswürdiger aus, lächelt noch freundlicher: »Aber, meine sehr verehrten Herren aus Stolpe,