Peter J. Gnad

Der Regulator und ich


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so lange keine schönen Frauen mehr gesehen, ich konnte mich gar nicht sattsehen. Am liebsten hätte ich mir wohl gleich eine ganze Truppe mitgenommen oder hätte mich auch mitnehmen lassen wollen, wohin auch immer, Hauptsache ins verheißene Paradies, samt allen Genüssen.

      Dann einige Schritte weiter, um eine dunkle Ecke, ein Hinterhof, mit Abfalltonnen und jeder Menge Dreck auf dem Boden. Da waren Schreie und jemand - ein Mann - der laut fluchte, er schrie, ich konnte nicht verstehen was. Aber ich sah, dass er wütend auf eine Frau einprügelte, sie saß schon auf dem Boden, er trat nach ihr. Ihre Freundin, die hinter ihm stand und alles mit ansehen musste, versuchte ihn von ihr abzuhalten. Aber der Mann kannte keine Gnade, prügelte weiter auf die Frau ein, sie lag nun schon auf dem Boden. Er wollte gerade weiter auf sie eintreten, als ich es nicht länger ertrug, dem traurigen Schauspiel zuzusehen. Ich trat ins milchige Licht des Hinterhofes und räusperte mich. Der Mann nahm mich gar nicht zur Kenntnis. Ich rief ihn an, sagte. "Hey, du Schwein !"

      Er drehte den Kopf zu mir, ließ von der Frau ab, kam auf mich zu. Ich musste ihn erst einmal stoppen, um die Frauen aus der Gefahrenzone entkommen zu lassen.

      Ich befahl ihm innezuhalten, innerlich, konzentrierte mich ganz auf das quasi Erstarren seiner Glieder. Seine Schritte wurden langsamer, er hielt inne, kam mitten in einem Schritt breitbeinig zu stehen, starrte mich hasserfüllt an, konnte aber weder sprechen, noch sich bewegen. "Schnell, hauen Sie ab, dieser Mann wird Ihnen jetzt nichts tun. Verschwinden Sie, solange es geht."

      Ich drehte mich ebenfalls um, der Mann stand noch immer wie angewurzelt, starrte den Frauen und mir wütend nach. Man konnte es sehen, sein Kopf war ganz dunkelrot vor Wut.

      Eine der Frauen, die unverletzte, sie stützte die Andere, rief im Weggehen, dass sie wünschte, er wäre tot. Ich bog um die Ecke, zurück zu den Huren, sah aber noch im Weggehen, wie der Mann langsam in die Knie ging und dann, wie in Zeitlupe, auf die Seite fiel und sich nicht mehr regte.

      Dies war meine erste, gezielte Tötung gewesen, noch kein "Mord", denn es geschah ja ohne Planung, vielmehr geradezu aus Not der Situation geboren und gestorben.

      Ein "Louis", ein Zuhälter, ein Blutsauger, ein mieses Schwein weniger. Wer würde nach ihm weinen ? Ja, ja, sicher, auch der hatte eine Mutter und so weiter, war mal geliebt worden, etc., aber vielleicht auch nicht. Es rannten ausreichend verbogene Krüppel, geistiger Natur herum, die zu allem fähig waren. Das lag schon so in der Natur des Menschen, der schlimmsten aller Bestien, wie man so nonchalant, allgemein sagte. Kein Tier war so bösartig, wie der Mensch schlechthin. Er hatte eigentlich auch sein Überleben auf diesem Planeten nicht verdient. Irgendwann würde er sich zweifellos selbst vernichten, und das war gut so. Dann konnten sich, irgendwann, im Laufe der Jahrtausende, wieder andere intelligente Lebewesen weiterentwickeln, ohne von uns Menschen in unserem maßlosen Egoismus, ausgerottet zu werden.

      Ich hatte kein schlechtes Gewissen, als ich wieder im Hotel war, aber die Lust war mir vergangen. Ich genehmigte mir noch ein Sandwich und ein Bier an der Bar, bevor ich mich wieder schlafen legte.

      IV

      Hier musste ich die Lektüre von Hans Maiers Aufzeichnungen unterbrechen, mir schwirrte der Kopf. Es war eine Art Vermächtnis, was ich da in der Hand hielt. Mir war ganz und klar unklar, was ich mit dem Manuskript anfangen sollte. Hans hatte es mir ja nicht gegeben, um damit zur Polizei zu gehen. Abgesehen davon, würde man diese Geschichten überhaupt glauben, oder sie als bloße Hirngespinste eines Autors abtun, der seiner Fantasie freien Lauf gelassen hatte. Die Idee eines "Zorro'" war ja nicht unbedingt neu, auch der originale Zorro war ja ein Rächer, der die Reichen beraubte oder "erledigte", gewissermaßen ein edler Ritter, der den Armen und Unterdrückten half, ein mexikanischer Robin Hood. Wahrscheinlich würde man ihm raten, einen Verlag zu suchen und die Mär zu veröffentlichen, vielleicht fand sich ja eine Leserschaft.

      Man hatte mir mitgeteilt, seitens des Rechtsanwaltes, dass Hans Maier in Kalamata, Griechenland, am Peloponnes, vor einer Woche verstorben war, ganz plötzlich.

      Man hatte ihn gefunden, im Badezimmer seines Hotelzimmers, er war wohl offensichtlich vom WC gefallen, lag mit heruntergezogener Hose daneben. Ein Gehirnschlag, ein Aneurysma, wie der medizinische Bericht des Arztes der den Totenschein ausgestellt hatte, besagte. Eine Ader im Gehirn, die durch den Überdruck geplatzt war. Ganz allgemein, statistisch gesehen, eine durchaus häufige Todesursache, ob nun im Bauch die Hauptschlagader oder im Kopf auch nur ein kleines Blutgefäß platzte, das Endergebnis war meist dasselbe.

      Dass Hans ausgerechnet so gestorben war, erschien mir da nicht unbedingt zweifelhaft. Das gab es. Erst viel später fiel mir dann auf, dass Hans diesen ganz speziellen Tod, auf dem WC, vielleicht doch etwas zu oft im Mund gehabt hatte. Das Thema war, vor allem bei fortgeschrittener Stunde, schon des Öfteren in Erwähnung geraten, das sei "das Letzte". Hans hatte immer gelacht, dabei.

      Und nun, genau dies als seine eigene Todesursache, es war fast schon aberwitzig. Hans hätte wahrscheinlich auch darüber noch gelacht, so wie ich ihn gekannt hatte.

      Es war mir schwer ums Herz, als ich seine Urne in der Hand hielt, als wir ihn formal "beerdigten", oder besser, seine Asche in einer Trauerwand deponierten.

      Ich würde nicht wollen, dass man meine Überreste in einer Wand abstellte. Sollte doch der Wind sie davontragen oder ein Fluss sie ins Meer bringen, aber nicht so banal, wie hier, in einer Wand zu enden, irgendwie geradezu schändlich oder mickrig.

      Aber nun habe ich wohl schon etwas zu weit vorgegriffen. Denn als Hans aus Tibet zurückkam, fing ja die ganze Geschichte erst zu laufen an. Was ich allerdings, zu diesem Zeitpunkt, nicht erahnen konnte, naiv, wie ich war, wie ein neugeborenes Lamm. Auf der anderen Seite, wer konnte schon so eine Geschichte erahnen, es war zu abgehoben, was ich später noch herausfand, und ich zweifelte, ob nicht doch alles nur Wunschdenken des Autors, eine Projektion war. Man stelle sich vor, in meiner Position zu sein, das Manuskript in Händen zu halten, samt aller Verantwortung, aber den posthumen Schutz des Freundes ebenfalls im Visier zu behalten. Ein "guter Mörder", gab es so etwas ? Gab es diese Position des Rächers, war sie legitim, und wer hatte den betreffenden auf diese Ebene gehoben, autorisiert anderen Menschen das Leben zu nehmen. Es fiel mir nicht leicht, meinen alten Freund in solch einem Licht sehen zu müssen. Der liebe, harmlose, kleine "Hansi", ein Mörder, ein kaltblütiger Killer, das konnte doch nicht sein !

      Ich traf Hans Maier auf der Straße wieder. Mehr zufällig als geplant, obwohl ich automatisch alle unsere Treffpunkte aufsuchte. Ein irischer Pub, gleich in der Nähe oder wahlweise, wenn schönes Wetter war, ein italienisches Café auf der Promenademeile, wo man sich blicken ließ. Es war Sommer und ich wusste um Hans' optische Faszinationen, er beobachtete leidenschaftlich gern, was ihm generell, auch in seinem Beruf natürlich zugutekam. Er war ein guter Spürhund, wenn es sein musste.

      Und da saß er dann auch, im "Cafè Gattopardo", unserer alten Mafiosokneipe, mitten auf der "Meile", hatte einen weißen, etwas breitkrempigen Hut auf dem Kopf, dunkle Sonnenbrillen und eine Zigarre in der Hand, sah selbst aus wie ein "Pate". Drei Zeitungen lagen auf dem Tisch, er blätterte gelangweilt in deren Seiten, ohne wirkliches Interesse, sah hoch, als ich näher kam.

      "Ah, Herr Baron, setzen Sie sich doch, erweisen sie mir die Ehre, darf ich Sie auf ein Gläschen einladen ?"

      Ich schlug ihm auf die Schulter, grinste ihn an, freute mich den alten Schulfreund wohlbehalten und quicklebendig wiederzusehen.

      "Ich habe deine Reportage gesehen, über das tibetische Kloster, hat mir sehr, sehr gut gefallen. Du findest immer wieder einen besonderen Zugang zu den Geschichten, die du dann schreibst oder machst, wie jetzt, da beim Fernsehen."

      Er grinste mich breit an, sog an seiner Zigarre, die eigentlich viel zu groß für den kleinen Mann aussah, ein bisschen überdimensioniert oder war er unterdimensioniert.

      "Du das war ganz leicht, das ist so anders das Leben und die Philosophie, die Realitäten, alles sehr grundsätzlich und auch ungestört – ich habe sehr viel da gelernt."

      "Das glaube ich, lieber Freund, ich beneide Dich noch immer, Tibet war schon immer eine meiner ungestillt gebliebenen Sehnsüchte ".

      "Dabei könntest du da schon hinfahren, da kannst du eine richtige