J.L. Stone

Sieben Schwestern - Geheimnisvolle Zauberwelten


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mir fiel nichts ein. Sie hatte die seltsame Pforte fast erreicht, als sich ein Wort aus dem gedanklichen Durcheinander heraus kristallisierte.

      Sterben!?!

      Was hatte sie damit gemeint?

      »Hey!« schrie ich und rannte ihr nach. »Wie hast du das eben gemeint – das mit dem Sterben?«

      Sie zeigte keinerlei Reaktion. Ging stur weiter und würdigte mich keines weiteren Blickes.

      »Verdammt!« fluchte ich verärgert. »Jetzt bleib doch stehen!«

      Es war zu spät. Übergangslos verschwand das schönste Mädchen, das mir seit langem über den Weg gelaufen war, in dem seltsamen Flimmern – ließ nichts zurück, außer dem zartem Duft ihres Haares.

      3 – Verborgene Welt

      Unentschlossen blieb ich vor dem merkwürdigen Gebilde stehen, bebend vor Wut.

      Wie konnte sie mir das nur antun?

      Was zum Teufel sollte das Ganze überhaupt?

      Und was sollte ich jetzt tun?

      Die Entscheidung wurde mir jedoch abgenommen, als ein greller Blitz vor mir in das Tor einschlug. Der Explosionsdruck riss mich fast von den Beinen. Ich konnte mich gerade noch im letzten Moment abfangen.

      »Verdammt!« entfuhr es mir abermals.

      Da schoss völlig unerwartet eine Hand aus dem Wabern hervor, packte mich am Sweater und zerrte mich mit einem Ruck in das goldene Pulsieren der Pforte hinein. Im Bruchteil einer Sekunde stand ich Nathalie wieder gegenüber, die mich mit glitzernden Augen ansah. Ich war total überrumpelt – aber auch froh, dass sie mich nicht im Stich gelassen hatte.

      »Das habe ich damit gemeint«, zischte sie leise.

      »Danke«, war das Einzige, das ich murmeln konnte.

      Sie zuckte hingegen nur stumm mit ihren entzückenden Schultern, drehte sich abrupt um und stolzierte hoch erhobenen Hauptes davon. Verblüfft sah ich ihr nach und wurde erst nach einer Weile der fremden Umgebung gewahr, die sich mir darbot und bei deren Anblick es mir den Atem verschlug.

      Das verwilderte Grundstück zwischen den beiden Häusern war verschwunden. An seiner Stelle erstreckte sich eine weitläufige, von grünen Hügeln durchzogene Landschaft, die entgegen aller Wahrscheinlichkeit bis zum Horizont zu reichen schien.

      Das konnte unmöglich wahr sein.

      Denn das hügelige Gelände umfasste ein weitaus größeres Gebiet, als es zwischen den beiden Gebäuden möglich gewesen wäre.

      Wie konnte das sein?

      Das war schon an sich verblüffend genug. Was meinen Blick in jeder Hinsicht sofort in den Bann zog, war die riesige Villa, die sich in einiger Entfernung inmitten der Hügel erhob. Sie wurde von uralten, hoch aufragenden Bäumen in einem Halbkreis umsäumt.

      Die Villa hatte solch gewaltige Ausmaße, dass ich sie kaum überblicken konnte, zumal unzählige Türmchen und Erker, die überall an ihr in die Höhe sprossen, ihr einen labyrinthähnlichen Anblick verliehen

      Wow!, dachte ich. Das nenne ich eine Residenz.

      Während ich mit staunenden Augen und offenem Mund dastand und diese unglaubliche Landschaft in mir aufnahm, war Nathalie zügig weiter gegangen und hatte schon fast die Hälfte des Weges zur Villa zurückgelegt, ehe sie erneut stehen blieb und mich energisch heran winkte. Erst da konnte ich mich von dem überwältigenden Anblick losreißen. Schnell hastete ich zu ihr – mit tausend Fragen auf der Zunge.

      »Wo sind wir hier?« stieß ich auch sofort hervor, sobald ich sie erreicht hatte.

      »Später«, vertröstete sie mich mal wieder und ging weiter einen schmalen Trampelpfad entlang.

      Wie ich das hasste!

      Langsam aber sicher brachte sie mich damit auf die Palme. Das ging eindeutig zu weit!

      Warum behandelte sie mich so?

      Okay, ich wusste, dass sie unter Stress stand.

      Aber hatte ich denn kein Anrecht auf Antworten?

      Missmutig stapfte ich stillschweigend neben ihr her. Zum einen, weil mir nichts anderes übrig blieb, zum anderen, weil ich keine Ahnung hatte, wo wir uns befanden. Zudem wartete auf der anderen Seite des Tores irgendetwas, das mich – aus welchem Grund auch immer – umbringen wollte.

      Mir blieb nur die vage Hoffnung, dass ich ein paar sinnvolle Antworten erhalten würde, sobald wir unser Ziel erreicht hatten. Darauf würde ich bestehen – komme was da wolle.

      Die Villa nahm immer gewaltigere Ausmaße an, je näher wir ihr kamen. Am Ende der steinernen Treppe, die zu den beiden riesigen Torflügeln hinauf führte, erkannte ich kurz darauf eine schlanke Gestalt, die in eine dunkle Robe gekleidet war. Ihr langes, seidig glänzendes, schwarzes Haar wallte in einer sanften Brise, die über die Hügel wehte, leicht hinter ihrem Rücken. Regungslos stand sie da und sah uns geduldig entgegen.

      »Oh, verdammt!« hörte ich Nathalie leise fluchen. »Das hat mir gerade noch zu meinem Glück gefehlt.«

      Nur wenig später erreichten wir den Fuß der weitläufigen Treppe und stiegen sie langsam hinauf. Wir hatten noch nicht einmal die Hälfte der Stufen erklommen, als sich die Frau mit einem Ruck um wandte und würdevoll im Innern der Villa verschwand. Sobald sie verschwunden war, blieb Nathalie stehen und wartete, bis ich neben ihr stand.

      »Wenn wir im Haus sind, dann überlässt du mir das Reden, okay?«

      »Na klar«, gab ich zurück, da ich sowieso nicht gewusst hätte, was ich hätte erwidern können.

      »Gut«, meinte sie zufrieden. »Ich werde dir später alles erklären.«

      »Wie gehabt«, stöhnte ich.

      »Hä?«

      »Du weißt ganz genau, was ich meine«, beschwerte ich mich. »Du vertröstest mich schon die ganze Zeit.«

      »Pah!« schnaubte sie, warf mir einen genervten Blick zu und ging entschlossen weiter die Treppe hinauf.

      Das durfte jetzt aber nicht wahr sein!

      Unwillig schüttelte ich den Kopf, folgte ihr jedoch voller Anspannung – nichts ahnend, was noch alles auf mich zukommen sollte.

      Die erste Überraschung bot sich mir, als ich die Villa durch einen der riesigen Torflügel betrat. Unvermittelt befand ich mich in einer gewaltigen Empfangshalle, in der ich mir regelrecht winzig vorkam.

      In der großen Halle schwangen sich zwei hölzerne Treppen in einem weiten Bogen zum nächsten Stockwerk hinauf. In dem dadurch gebildeten, großen Halbkreis stand die über zwei Meter hohe, eindrucksvolle Statue einer Frau, die mit herrischem Blick den Eingang zu bewachen schien.

      Nathalie trat zögernd zu der älteren Frau mit dem rabenschwarzen Haar, die abwartend davor stand und sie stumm musterte. Das Schweigen zwischen den beiden so unterschiedlichen Frauen wurde immer bedrückender und zog sich unangenehm in die Länge. Deutlich konnte ich die kleine Machtprobe spüren, die zwischen ihnen im Gange war.

      »Was?« platzte Nathalie schließlich der Kragen.

      »Wo warst du?« erkundigte sich die Frau ruhig, aber mit Nachdruck. »Und …«

      »Ich war in der Stadt«, wurde sie von Nathalie mit mühsam unterdrückter Wut unterbrochen. »Schließlich muss ja mal jemand unsere Vorräte auffüllen.«

      Ohne jede Hektik ließ die Frau ihre Augen über Nathalie schweifen. Diese wand sich sichtlich unter dem stechenden Blick, der sogar mir einen eisigen Schauder über den Rücken jagte. In diesem Moment wünschte ich mir, dass ich das Tor nicht benutzt hätte und absolut unwissend sehr weit weg wäre.

      »Bin nicht dazu gekommen«, gestand Nathalie nach einer Weile kleinlaut.

      »Aha!«