Stephen Red

Nacht ohne Wiederkehr - Band 1


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hatte schreckliche Angst. Der Schweiß lief ihm in Strömen über den Körper, seine Hände zitterten und er wollte nur noch weg und dieser grauenvollen Situation entfliehen. Betty konnte durch einen Luftschlitz in der Schranktür alles mit ansehen, wagte es jedoch nicht, sich zu bewegen. So war es ihr möglich, die beiden Männer zu beobachten, was sie dort mit Arthur trieben. Noch wirkte alles normal.

      Die Wände durchfuhr ein grauenvolles tiefes Stöhnen. Betty hätte schwören können, dass es klang wie ein Tier. Sehen konnte sie nichts, bis sie spürte, wie sich die Wand hinter dem Schrank in den Raum drückte. Sie erschrak und wollte schreien. Da biss sie sich mit aller Kraft in die Hand. Durch diesen Schmerz verbot sie quasi ihrem Körper, laut zu werden. Die Wände verformten sich weiter. Nun konnte sie es auch an der gegenüberliegenden Wand sehen. Es wirkte fast so, als wenn irgendetwas durch die Wände kroch. Aber wie sollte das möglich sein? Durch festes Mauerwerk kann man sich nichts bewegen. Dennoch, ihre Augen spielten ihr keinen Streich, das war ihr bewusst. Es wirkte grauenvoll. Das Licht begann zu flackern, als plötzlich an mehreren Stellen die Wand aufbrach und Blut herauslief. Betty biss sich noch stärker in die Hand, schloss die Augen und versuchte zu verdrängen, dass das gerade passierte. Sie fühlte sich, als wäre sie in einem Horrorfilm gefangen. „Oh Gott, wie sollte es Arthur nur gehen?“, dachte sie. „Schließlich ist er da bei den beiden Männern und muss alles hautnah miterleben.“ Sie fasste einen Plan. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, wie sie den beiden Männern entfliehen konnten. Schließlich wussten diese nicht, dass sie im Schrank stand und alles mit anhörte.

      Die Wand brach nun gänzlich auf und hervor kam ein schwarzer, dicker, hässlicher Wurm mit riesigen Zähnen. Er kroch in den Raum hinein und biss Arthur den Oberkörper bis zum Rumpf ab. Betty schossen Tränen in die Augen und sie wimmerte leise in sich hinein. „Wie kann das nur wahr sein? So etwas gibt es nicht, Würmer in der Wand, die sich durch das Mauerwerk bewegen und Menschen fressen. Das sind Hirngespinste.“ Sie musste träumen. Das durfte einfach nicht real sein. Bettys Blase gab nach und so urinierte sie in den Schrank. Sie zitterte sehr, biss sich in den Arm, bis es blutete, und betete zu Gott: „Bitte, bitte, bitte, lass mich diesen Wahnsinn überleben!“ Als sie ihre Augen, welche sie kurzfristig geschlossen hatte, weil sie es nicht mehr ertragen konnte, das mit anzusehen, wieder öffnete, war der Wurm aus dem Raum entschwunden. Alles wirkte wieder sauber, die Männer waren fort. Betty bekreuzigte sich, öffnete den Schrank und trat ins Licht. Arthur war weg. Betty ging langsam in Richtung Tür, als sie plötzlich stürzte. Sie schaute an sich herunter, um zu sehen, worüber sie gefallen war und dann sah sie die Beinstümpfe von Arthur auf dem Boden liegen. Da schrie sie auf: „AAAARRRRGGGGHHHH!!!!“, und begann zu laufen. Sie lief den Flur hinunter zum Fahrstuhl und drückte hier wie wild die Taste zum Öffnen. Aus ihren Augenwinkeln sah sie, wie etwas den Flur hochkam. Es folgte ihr etwas, jemand, sie konnte es nicht erkennen. Ihre Augen tränten und sie wendete sich ab. Die Tür des Fahrstuhls glitt auf und sie sprang hinein. Beim Schließen derselben sah sie, wie eine grauenvolle Fratze auf sie zukroch. Ihre langen fleischbehangenen Arme versuchten noch in den Schlitz zwischen die Türen zu greifen, aber da setzte sich die Kabine schon in Bewegung. Das Gewürm wurde abgeschnitten, als der Fahrstuhl das Stockwerk passierte. Betty legte ihr Gesicht in die Hände und schüttelte sich. Sie konnte einfach nicht fassen, was da gerade passiert war. Arbeitete sie in der Hölle und wusste es nur nicht? Ihr schossen Millionen von Gedanken durch den Kopf. Nie wieder wollte sie auch nur einen Fuß in dieses Gebäude setzen. Als der Fahrstuhl im Erdgeschoss hielt, wurde sie schon von Hector empfangen.

      „Hallo Betty“, sagte er freundlich. „Wie geht es Ihnen?“, fragte er. Betty war immer noch kreidebleich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Warum war Hector nur so ruhig, gehörte er auch dazu, was war hier los, wem konnte sie noch trauen, gab es hier überhaupt Menschen im Gebäude oder arbeitete sie für den Satan? Betty rannte im Entree herum, taumelte, schrie und taumelte wieder. Ihr Handy, ja, das hatte sie noch. Sie könnte die Polizei rufen, und genau das tat sie und brach bewusstlos zusammen.

      Als die ersten Sonnenstrahlen sie weckten, blinzelte Betty noch etwas benommen und fragte sich sogleich, wo sie war. Das Erste, was sie tat: Sie inspizierte den Raum nach möglichen Waffen. Vor ihr entdeckte sie ein Brotmesser. Das krallte sie in ihre Hände, sprang aus dem Bett und stach dem Pfleger sogleich das Messer in den Augapfel. „Du Bestie wirst mich niemals kriegen!“, schrie sie lauthals heraus. Der Pfleger spuckte Blut und krepierte vor ihren Augen. Betty zog das Messer wieder heraus und stach noch dreißig Mal in sein Gesicht ein. „Aaaarrrrgggghhhh!!!, ich töte dich, du Wurm. Mich bekommst du nicht, aaaarrrrgggghhhh!!!!“ Anschließend lief sie blutverschmiert den Gang hinunter. Der Flur maß 23 Meter und hatte am Ende drei Türen. Sie suchte Arthur, konnte ihn jedoch nicht finden. Pfleger rannten auf sie zu. Betty jedoch sah nur zwei Männer mit ekligen Fratzen anstelle von Gesichtern. Und so sprang sie ihnen entgegen und fuchtelte wild mit dem Messer vor ihren Augen. Eine Schwester injizierte ihr Valium, intravenös, und kurze Zeit später kippte sie ins Koma.

      Tief im Delirium bekam nur noch ihr Unterbewusstsein Fetzen von den Gesprächen um sie herum mit. Da fielen die Worte: „Sie hatte wieder einen Rückfall. Sven ist tot, sie hat ihn niedergestochen mit den Worten „Du bekommst mich nicht, du Wurm.“ Der Doktor der Nervenheilanstalt protokollierte: „Patientin Betty Mindhurst, 31 Jahre alt, von Beruf ehemals Reporterin beim New Yorker Journal, leidet an einer schweren Psychose. So bildet sie sich ein, ein großer schwarzer Wurm käme aus der Wand und würde ihren Arbeitskollegen bis auf den Beckenknochen abfressen. Die Pfleger, die ihr dann zu Hilfe eilen, identifiziert sie als Pete und Jack, zwei widerliche Helfer des Satans, und attackiert diese auch sofort.“

      Tag: 17.11.2012

      Patientin Betty Mindhurst musste wieder fixiert werden. Sie hatte sich in der Nacht das Gesicht von ihrem Schädel gekratzt und mit Blut auf den Boden geschrieben: „Du Wurm, mich bekommst du nicht!“

      Das Trauma wurde ausgelöst durch den tragischen Tod ihres ehemaligen Arbeitskollegen Arthur Blacksmith. Wie es zu der teuflischen Verkettung mit dem Wurm in der Wand kam, ist bis heute rätselhaft. Ihre maßlose Fantasie sucht ihresgleichen. Denn sie kann dieses Geschöpf auf den Zentimeter genau beschreiben.

      Beschäftige mich seit drei Jahren mit Betty Mindhurst. Meine Prognose lautet: „Lebenslanger Aufenthalt, da sie gemeingefährlich, auch sich selbst gegenüber, ist.“

      … Tagebuch von Betty Mindhurst…

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