I. Tame

Bestiarium


Скачать книгу

die ins Grüne führt. Der Pool muss noch renoviert werden. Im vergangenen Sommer – als sie gerade eingezogen waren – wurde er schmerzlich vermisst, so dass Keno momentan Angebote einholt, um ihn so herzurichten wie sie sich das vorstellen. Noch liegt er neben der neuen Sauna brach.

      Alles im Haus wurde frisch renoviert und neu eingerichtet. Nach einem Jahr kann man sagen, sie sind ‚angekommen‘. Hier haben sie selbst zu dritt Platz ohne Ende. Sich aus dem Weg zu gehen, wenn man mal Ruhe haben will, ist kein Problem. Und seine Ruhe will vor allem John öfters haben. Sobald er mit Kevin – seinem Kompagnon in Texas – an Programmierungen herumtüftelt, schließt John einfach seine Zimmertüre und hat Ruhe vor der Drama-Queen oder dem Kleinen.

      Diese Ruhe und den Respekt vor seiner geschlossenen Zimmertür musste sich John zwar erkämpfen, doch inzwischen haben es alle kapiert. Türe zu bedeutet: verpisst euch.

      Das Leben, das er heute führt, hat sich John immer erträumt. Zwar nicht unbedingt mit einem weiteren Kerl, doch – er zuckt unwillkürlich mit den Schultern – jetzt sind sie eben zu dritt. Und John liebt den Kleinen inzwischen so innig wie Keno.

      Während er die Einkäufe wegräumt, denkt John weiter über sein Leben nach. Seit ungefähr einem Jahr wohnen sie gemeinsam in ihrem neuen Zuhause und ihr Miteinander hat sich eingespielt.

      John glaubt es selbst kaum und hält es sich jeden Tag aufs Neue vor Augen: sie leben wie eine ganz normale Familie. In seiner Sturm- und Drangzeit hätte er sich niemals träumen lassen, dass diese Form zu leben einmal sein höchstes Ziel sein würde. Doch heute gibt es für ihn nichts Schöneres!

      Und das, obwohl Cat in letzter Zeit wieder eine latente Nervosität an den Tag legt. Er wird seine brutale Vergangenheit wohl nie so ganz bewältigen. John seufzt leise. Im Laufe der vergangenen Monate hatte er sich an die weiche und liebevolle Seite seines Chaoten gewöhnt. Nach der Therapie war sein Verhalten recht ausgeglichen. Cat lebte zu Anfang seine S/M-Gelüste intensiv mit Mika aus. Doch sein Drang danach war zurückgegangen. Natürlich konnte Cat Mika noch immer wunderbar dominieren und seine zickige Art – da muss John grinsen – würde wohl niemals ganz verschwinden. Aber er ist nicht mehr derselbe Kerl wie vor Mikas Verschwinden. Einerseits gut, andererseits … ungewohnt, sinniert John. Denn Mika … dessen devote Art törnt mittlerweile auch John mächtig an. Und zwar immer intensiver. Diese Herr-und-Diener-Sache … John hält in seiner Bewegung inne und starrt ein Loch in die Luft, während er nachdenkt. Mika kann so … herausfordernd nachgiebig sein. Wenn er leidet, seufzt und jammert … Fuck … dann merkt man sofort, dass er eigentlich mehr will. Inzwischen ist John längst nicht mehr so zurückhaltend wie zu Beginn ihrer Dreier-Beziehung. Er hat den Dreh ziemlich raus, wenn es um Bestrafungen und geile Zwänge geht. Und er spürt … nein, er weiß ganz genau, dass sich Mika oftmals eine härtere Hand herbeisehnt. Wie gesagt … Keno ist nicht mehr ganz der aufbrausende Top von früher. Nur seine innere Unruhe, die scheint ihn umzutreiben. Momentan ist er ständig auf Achse. Aber ich, denkt John abschließend, bin auch nicht mehr so wie früher. Auch ich spüre zunehmend dieses Verlangen nach dominanten Spielchen. Und ich vermisse die Zeit, als wir fast immer zu dritt Sex hatten. Cat und Mika zu beobachten war einfach heiß. Unser Verhalten hat sich ganz schön geändert. Wir zelebrieren es nicht mehr, wie zu Beginn.

      Ein unwilliges Brummen entfährt ihm, während er über Cats momentanes Verhalten nachdenkt. Doch wer ist er schon, seinen Teufel zu verurteilen?! Letztlich war dies immer die Seite an Cat, die John herausgefordert und angemacht hat.

      Als alle Einkäufe verstaut sind, greift er nach dem großen Korbtablett und bestückt es mit Saft und Keksen. Außerdem hat er an Mikas Lieblingspudding gedacht. Während sich John das freudige Strahlen des Kleinen vorstellt, lächelt auch er unwillkürlich.

      „Von wegen ‚Kleiner‘“, murmelt er und hebt das knisternde Tablett an. Auch Mika hat sich im vergangenen Jahr mächtig verändert. Natürlich steht er auf Unterwerfung beim Sex, doch er ist viel selbstbewusster als früher. Er weiß, was er will und er lässt sich nicht mehr so schnell aus der Bahn werfen. Auch seine Therapie ist abgeschlossen und er scheint an diesem ganzen Prozess gereift zu sein. Kaum flackern seine Ängste auf, hat er sie schon wieder im Griff. Besonders äußerlich gefällt John der blonde Strubbelkopf immer besser. Sie besuchen alle drei regelmäßig das nächstgelegene Fitness-Studio. Die Auswirkungen des Trainings gehen natürlich an Mika nicht spurlos vorüber. Er ist nicht mehr so zierlich. Schlank, ja! Aber zerbrechlich? John schmunzelt. „Nein, Sir!“, grinst er während er Mikas Zimmer ansteuert. Der Kleine strotzt vor Kraft. Seine Muskeln zeichnen sich sexy unter engen Shirts ab und sein Hintern ist noch knackiger als vorher. Ein Umstand, der vor allem Cat schier um den Verstand bringt.

      Ja, Mika ist immer mehr Johns ‚Ding‘. Seine Vorliebe für „echte“ Kerle wird ausgesprochen befriedigt. Ihm stehen zwei ausgesprochene Prachtexemplare zur Verfügung. Charakterlich unterscheiden sie sich wie Feuer und Wasser. Er gibt es vor Beiden nicht zu, doch deren unterschiedliches Wesen bringt Johns Verlangen zum Kochen.

      Kurz vor Mikas geöffneter Zimmertüre bleibt er lauschend im Flur stehen.

      Weint er oder holt er sich einen runter? So ganz kann John die bis auf den Gang zu vernehmenden Geräusche nicht einordnen. Ein Blick ins Zimmer reicht. Mika träumt. Er liegt im Bett, die Wangen vom Fieber gerötet, die Haare verschwitzt. Das Shirt hat er sich mal wieder im Schlaf vom Leib gerissen. Leise jammernd strampelt er unter der Bettdecke herum. Und diesmal törnt John Mikas Wimmern überhaupt nicht an. Ein Alptraum hat den Kleinen im Griff. Schnell stellt er das Tablett auf den Boden und setzt sich zu Mika auf die Bettkante. Sachte berührt er dessen nackte Schulter.

      „Hey, Kleiner“, spricht er ihn leise an. „Mika! Wach‘ auf! Alles okay, hörst du?“

      Zärtlich streicht er dem verschwitzten jungen Mann einige Strähnen aus der Stirn. John weiß, dass sein nun folgendes panisches Erwachen nicht zu verhindern ist. Es ist nie zu verhindern. Nicht seit Edward.

      Mikas Oberkörper katapultiert geradezu in die Senkrechte. Die Arme schnellen abwehrend vor. Das Gesicht verzieht sich zu einer schreckerfüllten Fratze. Er reißt Augen und Mund auf, als würde er ertrinken. Und genauso tief holt er Luft. Doch dieses Mal schreit er nicht die üblichen schreckerfüllten Worte. NEIN! NICHT! Diesmal flüstert er panisch.

      „Da kommt er! John … Keno … wo seid ihr“, presst er schreckerfüllt hervor. Sein Gesicht schnellt zur Seite, als er Johns ruhige Stimme vernimmt.

      „Schsch, alles gut, Kleiner! Ich bin da und du bist zu Hause!“

      „John!!“ stößt Mika befreit hervor und greift mit beiden Händen nach den starken Unterarmen. Selbst durch sein Sweat-Shirt spürt John die heißen Handflächen.

      „Wo ist Keno? Ist er auch hier? Oder ist er weg?“ Mikas heißer Atem streift Johns Gesicht, als er sich vorbeugt.

      „Da war so ein … Troll. Der hat mich verfolgt und dabei hat er gekichert; so … so unglaublich gehässig.“

      John löst sich aus dem fiebrig warmen Klammergriff und schiebt sich neben seinen Patienten aufs Bett. Sein linker Arm macht sich einladend hinter Mika breit. Ohne zu zögern drängt sich der Kleine an ihn. Als John seine rechte Hand auf Mikas Brust legt, spürt er dessen rasendes Herz. Erneut fährt er ihm durch die Haare und verteilt kleine Küsse auf dem feuchten Schopf.

      „Alles gut, Kleiner“, murmelt er besänftigend. „Du hast geträumt. Doch jetzt bist du wieder sicher in der Wirklichkeit gelandet. Nichts kann dir mehr passieren, okay?“

      Mika atmet hörbar erleichtert auf. „John! Es war furchtbar! Ihr beide wart auf einmal weg und ich konnte euch im Dunkeln nicht wiederfinden. Und dann dieses gehässige Lachen.“ Bei den letzten Worten versagt Mika fast die Stimme.

      Johns Rechte reibt inzwischen beruhigend über den zitternden Oberkörper. Der Daumen seiner linken Hand streichelt zärtlich Mikas Oberarm.

      „Es war nur ein Traum, Mika. Ein dummer Traum. Du hast immer noch Fieber und da träumt man eben solche Dinge. Doch jetzt ist alles vorbei. Hast du denn daran gedacht, deine Medikamente zu nehmen?“ Mit der letzten Frage versucht er Mika endgültig