I. Tame

Bestiarium


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Cats penetrante Ader kann auch schon mal ihr Gutes haben!“

      Mika entfährt ein keuchendes Lachen. „Allerdings. Eigentlich geht’s mir auch schon viel besser. Ich hab‘ heute viel geschlafen. Doch dann …“

      Er beißt sich verlegen auf die Unterlippe. „Tut mir leid, wenn ich mich wie ein Baby benommen hab‘.“

      John blickt Mika gespielt böse an. „Ja, noch EIN Mal und ich versohl‘ dir den Hintern, du Weichei!“

      Jetzt lacht sein blonder Engel und prompt ändert sich die ganze Atmosphäre im Zimmer. Wenn er lacht, geht die Sonne auf, denkt John und drückt den hustenden Kerl fest an sich.

      „Ist gut, ist gut!“, brummt er zärtlich, während sein rechter Arm nach der Saftflasche angelt. „Hier! Trink‘ mal einen Schluck.“

      Gierig saugt Mika an dem köstlich frischen Inhalt. Atemlos setzt er nach einer Weile ab. „Wo ist Keno?“, presst er hervor und trinkt erneut.

      John verzieht ein wenig den Mund. „Ich vermute mal, dass er mit Jackson rumhängt.“

      „Er hängt NUR noch mit Jackson rum!“, mault Mika aufbrausend.

      Jackson! Wer kennt ihn nicht in Loewenherz? Der Freizeitmusiker und Lebenskünstler mit den blauen Haaren. Durch seine eigenwillige Art und die schrillen Haare ist er bekannt wie ein bunter Hund. Dass ihre ruhelose extrovertierte Art die beiden einmal zusammenführen würde war zu erwarten. Doch dass sie dermaßen aufeinander abfahren … das hätte selbst John nicht geahnt. Jacksons große Liebe – Luca – ist das genaue Gegenteil. Auch hier sieht John gewisse Parallelen zu sich und Mika. Trotzdem mag er nicht in die gleiche Kerbe wie Mika schlagen.

      „Na komm! Jetzt sei nicht unfair!“, versucht John ihn zu beruhigen.

      „Unfair?“, protestiert Mika hustend. „Das mit seinem Motorrad-Tick geht ja schon eine ganze Weile so. Doch seit er in Jackson einen Seelenverwandten gefunden hat, befürchte ich wirklich Schlimmeres!!“

      Beide blicken sich vielsagend in die Augen.

      „Ich sag‘ nur …“ setzt Mika an.

      „BMW S 1000 RR“, vollendet John gemeinsam mit ihm den Satz.

      „Schneller als ein Laserstrahl.“ Geheimnisvoll zitiert John einen von Kenos Lieblingsvergleichen. „Hundertmal besser als die Agusta …“

      „… und tausendmal besser als die Hayabusa“, ergänzt Mika eindringlich.

      „Damit fick‘ ich Jackson ins Knie!“, führt John ihr kleines Wortgefecht fort.

      „Ins Knie und in seinen fetten Arsch!“ Gespielt hämisch zieht Mika die Mundwinkel nach unten. „Denn die S 1000 RR“, betont er ironisch die Motorradmarke, „ist mein schwarzer Panther, mein Feuerball … mein verfickter Bolide“, beendet Mika krächzend ihren Wortwechsel.

      „Fans nennen sie auch ‚Srr‘“, frotzelt John weiter. „Weil sie wie eine Nähmaschine surrt.“

      Mika lacht keuchend, bevor er erneut an der Saftflasche nuckelt. Anschließend hält er sie mit beiden Händen auf dem Schoß und knibbelt am Etikett.

      „Warum tut er das?“, fragt er nachdenklich.

      John lehnt sich an das Kopfende des Bettes und verschränkt die Arme im Nacken.

      „Das fragst du mich allen Ernstes?“, frotzelt er. Doch auch er kann nicht ganz verbergen, dass ihm die Vorstellung eines Geschwindigkeitsfanatikers wie Keno auf dieser Maschine ein mulmiges Gefühl beschert. Mehr als mulmig.

      „Er tut das, was er immer tut.“

      „Nämlich?“, fragt Mika obwohl er die Antwort kennt.

      John zuckt einmal mit den Schultern. „Er setzt seinen Willen durch. Du kennst ihn doch. Hat er sich einmal was in den Kopf gesetzt, dann …“ Er beendet den Satz mit einer fahrigen Geste seiner Hand.

      Mika nickt leicht; seine Stimme zittert. „Ich wünschte, ich könnte ihn davon abhalten. Ich wünschte …“

      „Schsch …“ Erneut nimmt er Mika beruhigend in seine Arme. „Lass‘ ihn. Wenn wir es ignorieren, tobt er sich ein wenig aus und dann verstaubt das gute Teil in der Garage. Es nervt ihn nur, wenn du rumnörgelst und er merkt, dass du dir Sorgen machst. Dann reagiert er noch dickköpfiger.“

      Mika seufzt und lässt sich schläfrig gegen Johns Brust sacken.

      „Ich wünschte, er würde sich nicht so benehmen. Er war die letzten Monate so anhänglich und schmusig. Daran hab‘ ich mich gewöhnt. Er hat sich geändert.“ Schnurrend schmiegt er sich noch ein wenig näher an den wärmenden Brustkorb. „Nicht immer, aber …“

      John grinst, da er genau weiß, was Mika meint. „Ja, das gefällt mir auch!“ pflichtet er dem Kleinen bei. Vor seinem geistigen Auge ziehen etliche nicht jugendfreie Szenen vorüber. Wenn Cat nicht dominieren will, sondern sich hingibt, dann aber mit vollem Einsatz. Oh Mann! Ein Ziehen in Johns Eiern ist die natürliche Reaktion auf sein Kopfkino. Dieser zügellose ungezähmte Kerl … sein emporgereckter Hintern … und dabei der Ausblick auf den tätowierten Rücken. Wenn er dann noch über seine Schulter durch die dunkle Mähne blinzelt, gibt das seinem Geliebten den Rest. John fickt ihn nicht einfach. Er bezwingt ein wildes Tier, das sich nur widerwillig darauf einlässt. Denn so ganz ohne Gegenwehr überlässt sich ihm sein Teufel dann doch nicht. Genüsslich leckt sich John bei dieser Vorstellung die Lippen. Ein wirklich herausfordernder Akt. Er kann ihn noch so oft besteigen – zähmen wird er ihn nie.

      „Ich will nicht, dass er wieder so wie früher ist! Er grenzt uns aus! Jackson ist immer wichtiger als wir!“ maunzt Mika erneut und schnieft.

      „Er tut alles für dich!“ antwortet John ernst.

      „Er denkt nur noch an das bescheuerte Motorrad!“ mault er weiter. Mika ist krank und ungerecht.

      „Gestern hattest du fast vierzig Fieber“, übergeht John Mikas Vorwurf. „Als ich abends von meinem Besuch bei Darleen und Ralf zurückkam, stand er vor der Haustüre.“

      „Na und?“ schnieft Mika schmollend.

      John krault ihm mechanisch den Kopf. „Na ja, es war ja schon sieben Uhr und draußen waren es nur sechs Grad. Cat stand bibbernd vor der Haustüre, wippte von einem Bein auf das andere und hielt die Arme vor der Brust verschränkt.“ John lacht leise auf. „Sogar sein Kopf wippte, als würde er Heavy Metal hören.“

      „Und?“ Jetzt ist Mika doch neugierig.

      „Und?“ wiederholt John schmunzelnd. „Er stand barfuß in Boxershorts und T-Shirt da.“

      „Was?!“ Mika rückt ein Stück zur Seite, um John ins Gesicht sehen zu können. „Er stand bei der Kälte quasi nackt vor der Türe? Und wieso?“

      „Das hab‘ ich ihn auch gefragt. Er meinte nur, dass du immer noch Fieber hättest. Ich hab‘ ihn dann gefragt, ob er auch scharf drauf wäre, weil er nur in Shorts in der Kälte rumsteht. Doch er lachte nur einmal auf und erwiderte lapidar ‚Ich geh‘ ihn jetzt kühlen‘. Dann ist er hochgeflitzt und hat sich zu dir ins Bett gelegt. Du weißt es wahrscheinlich nicht mehr, doch du fandst es richtig geil; hast geseufzt und dich an ihn gedrückt.“

      John fährt Mika sanft mit einem Zeigefinger über die geröteten Wangen. „Das hat er übrigens noch zweimal gemacht.“

      „Du lügst“, antwortet Mika leise, obwohl er genau weiß, dass John niemals lügen würde.

      „Sei nicht eifersüchtig auf Jackson und schon gar nicht auf ein blödes Motorrad“, rät er dem verschwitzten Mika, als er sich aus dem Bett stemmt.

      Im Türrahmen verschränkt er grinsend die Arme vor der Brust.

      „Nimm deine Tabletten und werd‘ gefälligst schnell gesund. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn noch im Zaum halten kann.“

      Mikas schiefes Grinsen spricht Bände.