Jacques Varicourt

Die Villa


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und Harmonie, nicht zuletzt deshalb, weil Birgit ihr Freund „Achim“, und von Jochen die Freundin „Maren“, sich im Laufe des Nachmittags mit zu uns gesellten. Ich war zwar der Älteste in der Runde, aber ich genoss es auch. Endlich hörte man mir mal wieder zu, man nahm mich ernst, man respektierte mich und man suchte meinen Rat in verschiedenen Fragen des Lebens, denn ich hatte ja die Erfahrung und das Geld, und war somit zu einem Führer und Vordenker der Jugend geworden. Und als wir alle so die Nähe des oder der anderen genossen, fiel mir auf, wie schön Birgit geworden war, sie hatte die gleichen wundervollen Haare wie ihre Mutter, auch die Figur war das Werk von Carina ihren Erbanlagen, die Augen allerdings hatte sie von mir mitbekommen, aber dennoch, sie war für eine Sechzehnjährige ungeheuer stark mit Sex-Appeal ausgestattet, und ihr Freund Achim, ein blonder Jugendführer der HJ, hing deutlich an ihren Lippen, er vergötterte sie. Ich wusste, dass er sie liebte und eines Tages würde er sie wohl ehelichen, meinen Segen hatte er jetzt schon. Jochen und Maren waren auch ein schönes Paar, Jochen dominierte, er spielte gerne den harten Typen der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ, Maren hingegen war ein hübscher, flotter Käfer, mit einem frechen Mundwerk, sie zog häufig und gerne die Aufmerksamkeit auf sich, wenn ihr irgendetwas nicht passte, aber im Übrigen war sie der ruhende Pol an Jochens Seite. Auch Ludwig Rösser, unser wortgewandter, zu Boshaftigkeiten neigender Nachbar, war von Birgit stark beeindruckt gewesen; nicht selten lud er Birgit nebst ihrem Achim, zu einem Eis am Alster-Pavillon ein, anschließender Kinobesuch inbegriffen. Rösser riss sich förmlich den Arsch auf, wenn er in Birgits Nähe war, er hatte sich in sie verguckt und er glaubte, dass er sich unauffällig verhalten würde, aber er irrte sich, denn Birgit hatte längst begriffen, was Ludwig Rösser von ihr wollte. Aber anstatt ihn zurecht zu weisen, ließ sie sich von diesem alten Sack hofieren und aushalten, Achim tolerierte das Ganze zwar, aber, er war aufgrund seiner körperlichen Beschaffenheit, zu allem bereit, denn er schwor auf Blut und Ehre, und ich glaube Rösser wusste, was ihm bevorstehen würde, sollte es einmal zu einer Eifersuchtsszene zwischen ihm und Achim kommen. Also zog Rösser den Schwanz ein, er gab Birgit fast auf, er beobachtete Birgit allerdings weiterhin mit dem Fernglas, wenn sie mit ihren Freundinnen in der Elbe badete, oder wenn sie nur mit Achim, in den späten Abendstunden, nackend, vorwiegend am Wochenende, im Wasser herumtollte und alles um sich herum vergaß. Ich weiß nicht warum Rösser ausgerechnet Birgit ins Bett kriegen wollte, aber als ich auch bei Doktor Feldermann ähnliche Absichten entdeckte, führte ich mit meiner ältesten Tochter ein Gespräch, welches allerdings zu nichts führte. Birgit ergötzte sich an der Tatsache, dass zwei wesentlich ältere Männer auf sie flogen, und daraus offenbar keinen Hehl mehr machten.

      Bei Rösser war es die Monotonie einer intakten Ehe, die ihn zu solchen Aktivitäten verleitete, aber, dass der gleichaltrige Doktor Feldermann fast genauso für meine Tochter empfand, das war mir dann doch nicht so ganz geheuer. Denn, gerade Doktor Feldermann, ein ergebener Nazi der aller ersten Stunde, ein verheirateter und karrieresüchtiger Vorstadtarzt, und darüber hinaus ein exzellenter Diagnostiker, gerade er, hätte doch wissen müssen, was er da vor hatte, aber er schmolz förmlich dahin, wenn er Birgit gelegentlich „zufällig“ begegnete, und ob das nun immer tatsächlich nur Zufälle waren, nein, sicherlich nicht, aber soviel vorweg: Die Liebe, welche Rösser wie auch Doktor Feldermann meiner Tochter entgegen brachten, wurde nur auf platonischer Basis erwidert. Birgit blieb Achim treu, bis kurz, bevor der Krieg ausbrach, - soviel vorweg, es machte ihr dennoch Spaß, verehrt und bewundert zu werden, besonders, wenn Leute wie Ludwig Rösser oder auch Doktor Feldermann sich ihr gegenüber wie die verliebten Gockel aufführten. Als Doktor Feldermann und auch Ludwig Rösser einsahen, dass ihr Balzen, welches gelegentlich groteske Formen annahm, noch zu nichts führte, zogen sie sich zurück, nicht dass beide aufgaben, oh nein, sie warteten nur auf eine Chance Birgit zu imponieren, um sie so vielleicht doch noch rumzukriegen. Offen gesprochen wurde über derartige Gelüste niemals. Feldermann wie auch Rösser, die sich nach wie vor unbeobachtet fühlten in ihrem Herumgespanne und latenten Anzüglichkeiten, hätten sowieso alles energisch abgestritten, weil beide ja glücklich verheiratet waren, und beide hatten dadurch vielerlei zu verlieren, unter anderem ihren „Ruf“ in der Nachbarschaft, welche (die Nachbarschaft ist gemeint) für jeden Skandal immer ein offenes Ohr hatte. Nienstedten hatte in Bezug auf Skandale recht wenig zu bieten, und damit das auch so blieb, bediente ich mich gegenüber Doktor Feldermann wie auch gegenüber Ludwig Rösser, der leisen versteckten Anspielung, die eigentlich immer wirkte, das ist geschichtlich sogar bewiesen, und als beide die Signale empfangen hatten, da wurde es plötzlich ruhiger, das Gebalze fand ein jähes Ende. Feldermann wie auch Rösser lebten, von nun an, ihren Wunsch nach jungem, knackigen Gemüse in diversen Etablissements aus, wo sie für viel Geld das erhielten, was sie verlangten; denn in ihren sexuellen Wünschen nach etwas Bereicherung konnten die eigenen Ehefrauen nicht mehr mithalten, deshalb gingen beide diese neuen Wege. In wie weit die besorgten Ehefrauen mitspielten oder wegsahen, das kann ich nicht beurteilen, aber, und das ist sicher, Rösser wie auch Feldermann – der mit Vornamen Dietmar hieß, waren im Laufe der Zeit die dicksten Freunde geworden. Und bei einem von beiden, fand in den Sommermonaten, immer irgendeine Gartenparty oder Strandparty statt, und ich wurde jedes Mal mit eingeladen, besonders gerne sahen es Ludwig Rösser und Dietmar Feldermann, wenn ich die Freunde und die Freundinnen meiner beiden Großen mitbrachte. Ja, selbst Britta, meine Dauergeliebte – obwohl wir längst heimlich geheiratet hatten, waren die Gelüste von Rösser und Doktor Feldermann nicht entgangen, sie nahm es allerdings mit Humor, sie war nicht zu knacken, weil sie nur „mir“ alles gab, was sie zu bieten hatte, Experimente waren für Britta kein Thema, denn Erfahrung hatte sie, vor der Zeit, in der sie mit mir zusammen war, ausreichend gesammelt. Rösser und Feldermann nahmen diese Tatsache mit einem Schmerz von Enttäuschung zur Kenntnis, aber sie kamen trotzdem zum Zug, denn auf einer der Partys brachte mein Sohn wieder mal einige junge Frauen mit, und da schlugen Rösser wie auch Feldermann zu, kaum hatten sie die Beute entdeckt, da setzten sie Charme, Geld und unzählige Versprechungen ein, um ans Ziel zu gelangen; Feldermann wie auch Rösser verführten ihre Eroberungen abseits der lauten Strandparty im Gebüsch, keuchend stürzten sie sich auf das junge Fleisch und ließen ihren Trieben freien Lauf, genauso hatte ich einst die wilde Britta gezähmt und mir untertan gemacht. Ich musste einfach nur lachen, als mir bewusst wurde, was Ludwig Rösser und Doktor Feldermann doch für alte Schweine sind, denn sie hatten doch auch eine Vorbildfunktion, der eine aus Sicht seines ehemaligen Regiments, und der andere aus ethischen, moralischen und Gott allein weiß, aus was für Gründen sonst noch, na ja, jedem das Seine. Auf jeden Fall war ich froh, dass Ludwig und Dietmar endlich von meiner Tochter Birgit abließen, denn sie hatten, nun endlich, das, was sie immer wollten, – die jüngere Geliebte, die einem Mann das gibt, was er neben der: Eigentlichen Ehe am nötigsten braucht - und das ist Aufmerksamkeit, sowie das Gefühl sich wirklich als Mann zu fühlen, wenn die Ehe nur noch so dahinplätschert und im Grunde genommen die Luft raus ist, vor allem in sexueller Hinsicht. Rösser sowie Feldermann hatten „mich“ sozusagen als Vorbild und Buhmann genommen, um das zu tun, was schon längere Zeit in ihnen gärte, aber noch nicht so richtig zum Ausdruck kam, erst die Tatsache, dass ich mich von Carina trennte, oder sie sich von mir, dass sie es mit unserem ehemaligen Fahrer trieb, und dass sie diesen Verräter auch noch heiraten würde, alle diese Dinge zusammengefasst, ermöglichen Ludwig wie auch Dietmar, den Weg zur wahren Liebe und zum wahren Glück, jedenfalls aus ihrer sehr eingeschränkten Sicht. Dass es bei mir ein Zufall war, der mich in die Arme von Britta hatte stürzen lassen, das schien meinen beiden Nachbarn egal zu sein, sie wollten mit mir gleichziehen, sie wollten nicht zurückstehen, sie wollten ihre Jugend zurück, und als Beweis, dass sie es geschafft hatten, diente ihnen eine wesentlich jüngere Frau an ihrer Seite, doch dazu später mehr...

      Feldermann ging sogar noch einen Schritt weiter, als ihm die natürliche Liebe zwischen Mann und Frau nicht mehr genügte, wandte er sich einer Lust zu, die unter Verbot stand; und hätte man ihn damals bei dem Vollziehen der widernatürlichen Liebe mit einem jüngeren Mann entdeckt, durch die Gestapo, oder durch die Denunzierung eines sich ungerecht behandelten Patienten, ich glaube Feldermann wäre im KZ gelandet. Kaum einer wusste von Feldermanns privaten Leben und Aktivitäten, nun gut, er war verheiratet, er hatte zwei Töchter, er war NSDAP Mitglied, er war Arzt mit Leib und Seele, er besaß ein Boot auf der Alster, er galt in den Kreisen in denen er sich sonst so bewegte: als Beau, als Smartie, als Schönling und als erzkonservativ. Seine einst katholische Erziehung hatte wohl aber auch gewisse Abweichungen in seiner normalen Sexualität mit sich gebracht. Nicht