Dieter Landgraf

Die Tote unter dem Schlehendorn


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Dieses Mal wird sie nicht wieder wie hilflos am Anfang des Anlegesteges stehenbleiben und unverrichteter Dinge kehrt machen. Für ein mögliches Zusammentreffen mit ihm hat sie sich schon die passenden Worte zurechtgelegt. Beim Hinabsteigen der Treppen zum Hafen sieht sie schon von weitem das blaue Persenning von Tim Sanders Boot leuchten. Mit einer gewissen Erleichterung stellt sie fest, dass er anwesend sein könnte. Betont langsam nähert sie sich dem Steg. Tim Sander verstaut auf dem Boot seine Angelutensilien. Unabsichtlich schaut er zum Ufer und erkennt seine Gesprächpartnerin aus der Brennerei. Mit ihren kastanienbraunen langen Haare, dem türkisfarbenen Blazer und den weißen Jeans sieht sie aus, wie ein Model aus dem Modekatalog - sind seine Gedanken beim Anblick von Cornelia Nicolai. Auf der Stelle springt er auf und kommt mit schnellen Schritten auf sie zu. Vergessen sind die Angelrute und seine Absicht, auf den See hinauszufahren. Er begrüßt sie sichtlich erregt: „Das ist ja eine tolle Überraschung … ich freue mich, sie so schnell wiederzusehen … sie sehen schon von weitem beeindruckend aus.“

      „Danke für das Kompliment … ich freue mich ebenfalls … bin nur zufällig vorbeigekommen … wollte eigentlich ein Eis essen … aber wenn wir uns schon einmal sehen, habe ich eine Frage … konnten sie schon etwas mit der Werbeagentur erreichen?“, bringt sie brav ihren vorher einstudierten Satz für eine Begegnung mit ihm heraus.

      „Leider nein … Freitagnachmittag ist es nicht ganz so einfach, jemanden ans Telefon zu bekommen … sie können sich aber auf mich verlassen … nächste Woche sage ich Bescheid … aber einmal etwas ganz anderes … ich würde ihnen gerne mein Boot zeigen.“

      Sie nickt zustimmend und beide begeben sich auf den Weg zum Anlegeplatz. Mit einem Lachen im Gesicht erklärt er: „Das ist eine reine Männerwirtschaft … ich kann ihnen nur ein Bier anbieten … aber das ist gekühlt“, und zeigt auf einen schwarzen Eimer in der Ecke, in dem mehrere Flaschen im Wasser stehen, „ich bin nicht auf Damenbesuch eingestellt.“

      „Gerne ein Bier … auch wenn ich in einer Likörfabrik arbeite“, erwidert sie ebenso humorvoll.

      „Und Gläser habe ich auch nicht an Bord.“

      „Macht nichts … aus der Flasche trinken hat etwas Urwüchsiges an sich.“

      An und für sich sollte das alles gar nicht so schnell gehen - sind ihre Gedanken, als sie am Sonntagmorgen langsam erwacht. Aber nun war es eben passiert - und sie hatte sich nicht dagegen gewehrt. Im Grunde genommen war es sogar ihr heimlicher Wunsch. Sie wollte einfach wieder einmal verführt werden. Sanft schlagen die Wellen an die Bordwand und verursachen ein sanftes Wiegen des Bootes. Mit einem Male ist sie hellwach. Richtig - überlegt sie - er wollte mir doch gestern Abend unbedingt sein Boot vorführen - aber zu einer romantischen Bootsfahrt sind sie gar nicht mehr gekommen. Es war eine lange Nacht voller heftiger Liebe und Zärtlichkeiten. Mit einem lauten: „Cornelia, das Frühstück ist fertig“, werden ihre Gedanken jäh unterbrochen. Bei diesen Worten wird ihr bewusst, dass sie nun per „Du“ sind. Hastig beginnt sie die in der Kajüte verstreut umher liegende Kleidungsstücke einzusammeln und begibt sich zu ihm an Deck. Tim Sander nimmt sie zärtlich in die Arme und flüstert ihr ins Ohr: „Es war eine bezaubernde Nacht … die verlangt nach einer Wiederholung.“

      „Finde ich auch … dagegen ist nichts einzuwenden“, erwidert sie selbstbewusst. Tim Sander hat inzwischen ein tolles Frühstück aus dem Cafe am Hafen besorgt. Scherzhaft sagt er: „Kaviar mit Sekt hatten sie gerade nicht vorrätig … aber ein starker Kaffee mit frischen Brötchen und Croissants sind auch nicht zu verachten.“

      „Ich komme mir bei dir wie im Urlaub vor … die frische Luft … das Wasser … und das Wetter meint es ja auch gut mit uns.“

      „Wenn du es möchtest … es könnte immer so sein“, sagt er vieldeutig. Ausgelassenen und fröhlich plaudern sie stundenlang und vergessen dabei die Zeit.

      „So … dann will ich dich nicht länger vom Angeln abhalten … es war wunderschön bei dir… jetzt werde ich mich auf den Weg machen … ist auch bald schon Mittag geworden.“

      „Ich komme mit und begleite dich gern auf dem Heimweg“, sagt er in einer so charmanten Art und Weise, dass sie fast geneigt ist, das Angebot anzunehmen.

      „Nein, nein … danke für deine Freundlichkeit … es ist ja nicht weit bis zu mir nach Hause … das schaffe ich schon allein“, erwidert sie. Nach nur einer Liebesnacht möchte sie nicht zum Gegenstand des Geredes im Ort werden. Erst will sie sich sicher sein, dass auch er die gleichen Gefühle empfindet, wie sie für ihn. Mit einem langen und innigen Kuss verabschieden sie sich. Beide spüren, dass es nicht die letzte Umarmung gewesen ist. Schon im Gehen begriffen fordert sie ihn freundlich auf: „Und rufe mich morgen bitte an … du weißt schon … wegen der Werbeagentur.“

      Es ist der Beginn einer wunderbaren, leider viel zu kurzen Liebesbeziehung.

      Auf dem Weg nach Akazienaue überlegt sie, ob Tim Sander vielleicht doch nur in ihr ein Objekt seiner männlichen Begierde sieht und sie für ihn nur eine kleine Abwechslung bedeutet. Doch diese Gedanken verwirft sie - so gut kann sich niemand verstellen - davon ist sie felsenfest überzeugt. Mit seinem Verhalten ihr gegenüber bestätigt er in den folgenden Tagen und Wochen ihre Gedanken. Zuvorkommend überraschte er sie auf das eine oder andere Mal mit kleinen Aufmerksamkeiten. Einmal waren es ein Paar Ohrringe aus der Modeschmuckabteilung und dann wieder nur eine große dunkelrote Rose. Gerade diese schlichte Art mochte sie an ihm so sehr. Aus der anfänglichen Verliebtheit wächst bei ihr eine tiefe innige Liebe. Heimlich hört sie schon die Hochzeitsglocken läuten. In ihre Zukunftspläne will sie ihn später einweihen. Erst einmal wartet sie auf seine Reaktion. Am schönsten könnte sie sich einen romantischen Heiratsantrag weit draußen auf dem See vorstellen. Sie beide ganz allein. Nahezu bildlich hat sie vor Augen, wie er vor ihr niederkniet und um ihre Hand anhält. Bei diesen Vorstellungen werden ihre Augen ganz feucht. Übermäßig viel Zeit wird sie ihm dafür nicht einräumen. Sie möchte klare Verhältnisse und sich auch öffentlich zu ihm bekennen. Schließlich ist sie eine moderne Frau mit genügend Selbstbewusstsein. Auch das Erlebnis in der Mensa, als er ihr das erste Mal aufgefallen ist, verschweigt sie noch. Das hebt sie sich bis nach der Vermählung auf. Damit hofft sie ihn auf eine ganz besondere Weise zu überraschen. Letztendlich ist es ein Liebesgeständnis der nicht geradezu alltäglichen Art. Das man ein solches Gefühl so viele Jahre in sich bewahrt besitz schon das Prädikat außergewöhnlich.

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