Henry Rider Haggard

SIE


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giftigen Ausdünstungen der Sümpfe, vor denen wir auf dem Wasser sicherlich besser geschützt waren. So entzündeten wir eine Laterne, verspeisten zum Abendbrot wieder eine eingemachte Rindszunge und versuchten sodann zu schlafen, was jedoch, wie wir bald feststellen mussten, unmöglich war. Ob sie durch die Laterne angelockt wurden oder durch den ungewohnten Geruch weißer Männer, auf die sie seit tausend Jahren gewartet hatten, weiß ich nicht; jedenfalls wurden wir plötzlich von Zehntausenden der blutdurstigsten und größten Moskitos, die mir je untergekommen sind, angegriffen. In ganzen Wolken stürzten sie sich auf uns und stachen und summten, bis wir fast verrückt wurden. Tabakqualm schien sie nur noch mehr anzustacheln, und schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als uns bis über den Kopf in Decken einzuhüllen und uns schwitzend und kratzend und fluchend ihrer zu erwehren, so gut es ging. Während wir so saßen, ertönte plötzlich wie ein Donnergrollen in der Stille das Brüllen eines Löwen, dem gleich darauf das eines zweiten folgte; anscheinend schlichen die beiden durch das etwa sechzig Meter von uns entfernte Uferschilf.

      »Ein Glück«, sagte Leo, seinen Kopf aus der Decke hervorstreckend, »dass wir nicht an Land sind, was, Onkelchen?« (So pflegte Leo mich zuweilen in seiner respektlosen Art zu nennen.) »Verdammt! Ein Moskito hat mich in die Nase gestochen«, rief er und zog rasch wieder seinen Kopf ein.

      Wenig später ging der Mond auf, und trotz des Gebrülls, das immer wieder vom Ufer zu uns herüber drang, schliefen wir, uns völlig in Sicherheit wähnend, allmählich ein.

      Was mich veranlasste, meinen Kopf aus der Decke hervorzustrecken, weiß ich nicht; vielleicht hatte ich bemerkt, dass die Moskitos durch sie hindurchbissen - jedenfalls hörte ich, als ich es tat, Job erschrocken flüstern: »Oh, mein Gott, sehen Sie nur!«

      Sofort blickten wir alle auf und gewahrten im Mondschein nahe dem Ufer zwei große, sich immer mehr erweiternde Kreise und in ihrem Mittelpunkt zwei dunkle, sich bewegende Gestalten.

      »Was ist das?«, fragte ich.

      »Diese verdammten Löwen, Sir«, antwortete Job in einem Ton, in dem sich Gekränktsein, Respekt und Angst seltsam mischten. »Sie schwimmen hierher, um uns zu fressen.«

      Ich blickte wieder hin - kein Zweifel, ich sah deutlich das Funkeln ihrer wilden Augen. Angelockt durch das Fleisch des erlegten Bockes oder durch uns selbst, schickten die hungrigen Bestien sich tatsächlich an, unsere Stellung zu stürmen.

      Leo hatte bereits sein Gewehr ergriffen. Ich riet ihm zu warten, bis sie näher heran waren, und hob ebenfalls mein Gewehr. Gleich darauf erreichte auch schon das erste Tier, die Löwin, eine fünfzehn Fuß von uns entfernte Sandbank, wo das Wasser nur etwa fünfzehn Zoll tief war. Sie schüttelte sich und brüllte laut. In diesem Augenblick feuerte Leo, und die Kugel drang ihr mitten in den offenen Rachen und kam hinten am Hals wieder heraus. Sie sank zusammen und fiel ins hoch aufspritzende Wasser. Gleich dahinter kam der andere Löwe, ein voll ausgewachsenes Männchen. Er setzte eben die Vorderpranken auf die Sandbank, als etwas Seltsames geschah. Etwas bewegte sich im Wasser, so dass es aussah, wie wenn in einem englischen Teich ein Hecht einen kleineren Fisch verschlingt, nur tausendmal heftiger und wilder, und plötzlich stieß der Löwe ein fürchterliches Gebrüll aus und sprang, etwas Schwarzes hinter sich her ziehend, auf die Sandbank.

      »Allah!«, schrie Mahomed, »ein Krokodil hat ihn am Bein gepackt!« Er hatte recht. Wir sahen den langen Rachen mit den schimmernd weißen Zähnen und dahinter den Körper des Krokodils.

      Und dann folgte ein ganz außergewöhnliches Schauspiel. Der Löwe erklomm die Sandbank ganz, während das halb darauf, halb im Wasser liegende Krokodil sein Hinterbein festhielt. Er brüllte, dass die Luft von dem Geräusch erzitterte, und dann drehte er sich mit einem wilden Knurren um und umklammerte mit seinen Pranken den Kopf des Krokodils. Das Krokodil, dem er, wie wir später feststellten, ein Auge ausgerissen hatte, ließ das Bein los und drehte sich auf die Seite, und im gleichen Moment biss es der Löwe in die Kehle, und sie wälzten sich, schrecklich miteinander ringend, auf der Sandbank. Es war unmöglich, ihren Bewegungen zu folgen, doch als sich uns wieder ein klareres Bild bot, hatte sich das Blatt gewendet: das Krokodil, dessen Kopf nur noch eine einzige blutige Masse war, hatte den Löwen mit eisernem Biss um die Weichen gepackt und schüttelte ihn hin und her. Das gequälte Tier biss, in seinem Todeskampf laut aufbrüllend, um sich, schlug mit seinen Pranken nach dem schuppigen Kopf seines Feindes und zerfetzte mit den Klauen seiner Hinterbeine den weichen Hals des Krokodils.

      Ganz plötzlich kam das Ende. Der Kopf des Löwen sank auf den Rücken des Krokodils, und er starb mit schrecklichem Stöhnen, während das Krokodil noch einen Augenblick regungslos dastand und dann langsam, die Zähne immer noch in den Rumpf des Löwen eingegraben, auf die Seite rollte.

      Dieses Todesduell war ein zugleich wundervolles und entsetzliches Schauspiel, wie es wohl nur wenige Menschen gesehen haben. Als es zu Ende war, befahlen wir Mahomed Wache zu halten und verbrachten die restliche Nacht so ruhig, wie die Moskitos es uns gestatteten.

      Am nächsten Morgen erhoben wir uns bei der ersten Dämmerung, säuberten uns, so gut es ging, und rüsteten uns zum Aufbruch. Als es so hell war, dass wir unsere Gesichter erkennen konnten, musste ich laut auflachen. Jobs feistes rundliches Gesicht war durch die Moskitostiche zum nahezu doppelten Umfang angeschwollen, und Leo sah nicht viel besser aus. Von uns dreien war ich noch am besten weggekommen, vermutlich infolge der größeren Zähigkeit meiner dunklen Haut und der Tatsache, dass sie größtenteils mit Haaren bedeckt war, denn seit unserer Abreise aus England hatte ich meinen von Natur aus üppigen Bart ungehindert wuchern lassen. Die beiden anderen hingegen waren verhältnismäßig gut rasiert, was dem Feind natürlich ein viel größeres Angriffsfeld geboten hatte. Nur Mahomed hatten die Moskitos gänzlich verschont - wahrscheinlich weil sie in ihm den wahren Gläubigen witterten. Wie oft wünschten wir uns in den nächsten Wochen, so zu riechen wie ein Araber!

      Als wir uns, soweit das unsere geschwollenen Lippen zuließen, ausgelacht hatten, war es hell, und vom Meer her wehte eine frische morgendliche Brise, welche die über dem Sumpf hängenden Nebelschwaden zerriss und sie da und dort in großen bauschigen Ballen vor sich her trieb. Wir setzten unser Segel, warfen noch einen Blick auf die toten Löwen und das Krokodil, deren Häute wir leider zurücklassen mussten, da uns die Mittel, sie zu präparieren, fehlten, und verließen die Lagune. Als gegen Mittag der Wind abflaute, entdeckten wir zum Glück einen Fleck trockenen Landes, der sich zum Kampieren eignete. Wir zündeten ein Feuer an und brieten uns zwei wilde Enten und ein Stück Fleisch von dem erlegten Wasserbock. Das restliche Bockfleisch schnitten wir in Streifen und hängten es zum Trocknen in die Sonne, um nach Art der Buren Biltong daraus zu machen. Auf diesem trocknen Fleck Land blieben wir bis zum nächsten Morgen und brachten die Nacht natürlich wieder im Kampf mit den Moskitos zu, doch ansonsten ohne Störung. Auch die nächsten ein, zwei Tage vergingen ohne besondere Abenteuer, abgesehen davon, dass wir einen überaus graziösen hornlosen Bock schossen und mancherlei Arten von Wasserlilien in voller Blüte sahen; einige davon waren blau und von besonderer Schönheit, doch kaum eine unversehrt, da es in dieser Gegend zahlreiche weiße Wassermaden mit grünen Köpfen gab, die sich von ihnen nährten.

      Am fünften Tage unserer Reise, als wir uns nach meiner Schätzung einhundertfünfunddreißig bis einhundertvierzig Meilen westlich der Küste befanden, hatten wir das erste bedeutsame Erlebnis. An jenem Vormittag gegen elf Uhr legte sich der Wind, und nachdem wir noch ein Stück gerudert waren, machten wir erschöpft an einer Stelle halt, wo unser Fluss sich mit einem anderen von etwa fünfzig Fuß Breite vereinigte. Am Ufer wuchsen einige Bäume, unter denen wir kurz rasteten. Da das Land ziemlich trocken war, gingen wir sodann eine kurze Strecke den Fluss entlang, um die Gegend zu erkunden und ein paar Wasservögel zu schießen. Schon nach kaum fünfzig Metern erkannten wir, dass es unmöglich war, mit dem Walboot noch weiter stromauf zu fahren, denn keine zweihundert Meter von der Stelle, wo wir an Land gegangen waren, befand sich eine Reihe von Untiefen und Sandbänken, über denen das Wasser höchstens sechs Zoll maß. Wir waren in eine Wassersackgasse geraten.

      Wir machten kehrt und gingen ein Stück das Ufer des anderen Flusses entlang, wobei wir bald aus verschiedenen Anzeichen den Schluss ziehen konnten, dass es sich um gar keinen Fluss, sondern um einen alten Kanal handelte,