Leo selbst blickte ein wenig erstaunt drein, doch dann kam er wohl zu dem Schluss, dass wir uns in einem Land befanden, in dem noch die Bräuche der ersten Christen herrschten, und so erwiderte er die Umarmung.
Ich starrte ihn entsetzt an und erwartete, dass etwas Furchtbares geschehen würde, doch zu meinem Erstaunen schienen zwar einige der jüngeren Frauen verärgert, doch die älteren sowie die Männer lächelten nur leise. Als wir später die Bräuche dieses seltsamen Volkes besser kennenlernten, löste sich das Rätsel. Es stellte sich heraus, dass im Gegensatz zu allen anderen wilden Völkern der Erde bei den Amahaggern die Frauen den Männern nicht nur völlig gleichgestellt, sondern auch durch keinerlei feste Bande an sie gefesselt sind. Von Bedeutung ist lediglich die Abstammung mütterlicherseits, und die Menschen dort sind auf eine lange, vornehme mütterliche Ahnenreihe ebenso stolz wie wir auf unseren väterlichen Stammbaum. Sie erkennen keinen Mann als ihren Vater an, selbst wenn ihre väterliche Herkunft genau bekannt ist. Jeder Stamm oder Haushalt, wie sie ihn nennen, hat nur einen männlichen Führer, der Vater genannt wird und auserwählter und unumschränkter Gebieter ist. So war zum Beispiel Billali der Vater dieses Haushalts, der aus etwa siebentausend Seelen bestand, und außer ihm wurde kein anderer Mann so genannt. Wenn eine Frau zu einem Mann Zuneigung fasste, zeigte sie dies, indem sie zu ihm trat und ihn vor aller Augen umarmte, so wie es dies schöne und entschlossene Mädchen, das Ustane hieß, bei Leo getan hatte. Erwiderte er ihren Kuss, so war dies das Zeichen, dass er sie annahm, und diese Verbindung dauerte so lange, bis einer der beiden des anderen überdrüssig wurde. Ich muss jedoch betonen, dass der Gattenwechsel nicht so häufig war, wie man vielleicht annimmt. Er führte auch zu keinerlei Streitigkeiten, zumindest nicht unter den Männern. Wenn eine Frau sie eines anderen wegen verließ, so nahmen sie dies als ebenso natürlich hin wie wir die Einkommensteuer oder unsere Ehegesetze; als etwas Unabänderliches, das der Gemeinschaft dient, so unangenehm es für den einzelnen auch sein mag.
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