Vermeidung der gefährlichen Sandbank vor der Tana-Mündung die See zu erreichen. Der Kanal vor uns war offenbar in einem fernen Zeitalter von Menschenhand angelegt worden, woher auch die aufgeworfenen Ufer rührten, die einstmals sicherlich als Treidelpfade gedient hatten. Von wenigen Stellen abgesehen, wo sie ausgehöhlt oder eingestürzt waren, standen diese aus festem Ton bestehenden Ufer im gleichen Abstand voneinander, und auch das Wasser schien überall gleich tief zu sein. Es hatte so gut wie keine Strömung, und so war seine Oberfläche dicht mit schwimmenden Pflanzen bedeckt, zwischen denen Wasservögel, Leguane und anderes Getier schmale Wasserbahnen freigehalten hatten. Da wir auf dem Fluss nicht mehr weiter konnten, gab es für uns nur zwei Möglichkeiten: zu versuchen, den Kanal zu benützen, oder zum Meer zurückzukehren. Hier konnten wir jedenfalls nicht bleiben, wenn wir uns nicht von der Sonne braten, den Moskitos auffressen lassen oder am Sumpffieber zugrunde gehen wollten.
»Nun, ich glaube, wir sollten es wagen«, sagte ich, und die anderen stimmten auf ihre Weise zu - Leo, als hätte ich den besten Witz der Welt gemacht; Job mit höflich unterdrücktem Widerwillen; und Mahomed mit einer Anrufung des Propheten und einer Verwünschung aller Ungläubigen und ihrer Art, zu denken und zu reisen.
So brachen wir denn, als die Sonne schon ziemlich tief am Horizont stand, wieder auf. Etwa eine Stunde lang konnten wir, wenn auch mit großer Mühe, das Boot rudern, doch dann wurden die Wasserpflanzen so dicht, dass wir uns einer höchst primitiven und beschwerlichen Methode bedienen und das Boot schleppen mussten. Zwei Stunden lang mühten Mahomed, Job und ich, den man für stark genug hielt, soviel wie die beiden anderen zu ziehen, uns am Ufer ab, während Leo im Boot saß und mit Mahomeds Messer die Pflanzen, die sich an seinem Bug sammelten, wegstieß. Nach Einbruch der Dunkelheit rasteten wir ein paar Stunden zur Freude der Moskitos, doch um Mitternacht zogen wir, die verhältnismäßige Kühle der Nacht nützend, weiter. Vor Morgengrauen ruhten wir wiederum einige Stunden aus und setzten dann unsere Arbeit fort, bis gegen zehn Uhr vormittags ein Gewitter mit einem fürchterlichen Wolkenbruch auf uns niederging und wir die nächsten sechs Stunden praktisch unter Wasser zubringen mussten.
Ich halte es nicht für nötig, die nächsten vier Tage unserer Reise in allen Einzelheiten zu schildern; es genügt wohl, wenn ich sage, dass sie die grässlichsten meines ganzen Lebens waren - eine eintönige Folge von Schinderei, Hitze, Mühsal und Moskitoplage. Die ganze Zeit zogen wir durch ein Gebiet scheinbar endloser Sümpfe, und dass wir dem Fieber und dem Tod entgingen, verdanken wir wohl nur der ständigen Einnahme von Chinin und Abführmitteln und unserer ununterbrochenen schweren Arbeit. Am dritten Tag unserer Kanalfahrt erblickten wir einen runden Hügel, der durch die Sumpfnebel schimmerte, und als wir am vierten Abend kampierten, schien dieser Hügel nur noch fünfundzwanzig bis dreißig Meilen entfernt. Wir waren nun völlig erschöpft und glaubten das Boot mit unseren mit Blasen bedeckten Händen keinen Meter weiterziehen zu können. Am liebsten hätten wir uns hingelegt und in dieser entsetzlichen sumpfigen Einöde auf unser Ende gewartet. Es war eine furchtbare Situation, in der sich wohl kaum ein anderer zivilisierter Mensch je befunden hat; und als ich mich im Boot ausstreckte, verfluchte ich, bevor ich in einen Schlaf tiefster Erschöpfung sank, bitterlich die Torheit, die mich veranlasst hatte, mich an einem so wahnwitzigen Unternehmen, das, wie mir jetzt klar war, nur mit unserem Tod in diesem grausigen Land enden konnte, zu beteiligen. Während ich langsam einschlummerte, stellte ich mir vor, wie unser Boot und seine unglückliche Mannschaft in zwei oder drei Monaten aussehen würden. Mit klaffenden Fugen würde es daliegen, halb voll stinkendem Wasser, das der den Nebel vor sich hertreibende Wind über unsere modernden Gebeine spülte, und das würde das Ende von uns sein, die wir uns anmaßten, einen Mythos zu erforschen und die Rätsel der Natur zu entschleiern.
Schon glaubte ich zu hören, wie das Wasser gegen unsere ausgedörrten, klappernden Gebeine schlug, wie mein Schädel gegen den Mahomeds und seiner gegen meinen rollte, und dann richtete Mahomed sich auf und starrte mich mit leeren Augenhöhlen an und verfluchte mich mit grinsenden Kinnladen, weil ich, ein Hund von einem Christen, einen wahren Gläubigen in seiner letzten Ruhe störte. Ich öffnete die Augen und erschauderte über meinen grauenvollen Traum, und sodann packte mich ein neuer Schauder, doch dies war kein Traum - zwei große Augen starrten funkelnd durch das trübe Dunkel auf mich nieder. Ich fuhr hoch und stieß einen entsetzten Schrei aus, so dass die anderen erwachten und gleichfalls schläfrig taumelnd und verwirrt aufsprangen. Und plötzlich blitzte kalter Stahl auf, und ein langer Speer berührte meinen Hals, und dahinter sah ich das Glitzern anderer Speere.
»Friede«, sagte eine Stimme auf Arabisch oder in einem Dialekt, der dem Arabischen stark glich. »Wer seid ihr, die ihr auf dem Wasser daher geschwommen kommt? Sprecht, oder ihr seid des Todes!« Und der Stahl drückte sich so fest in meinen Hals, dass es mich kalt überlief.
»Wir sind Reisende, die der Zufall hierher verschlagen hat«, erwiderte ich in meinem besten Arabisch, das sie zu verstehen schienen, denn der Mann wandte den Kopf und sagte zu einer großen Gestalt im Hintergrund: »Vater, sollen wir sie töten?«
»Was ist die Farbe dieser Männer?«, antwortete eine tiefe Stimme.
»Weiß ist ihre Farbe.«
»Tötet sie nicht«, lautete die Antwort. »Vor vier Sonnen sandte Sie, die Herrscherin, mir die Nachricht: Weiße Männer kommen, tötet sie nicht, sondern bringt sie zu mir. Holt also die Männer und alles, was sie mit sich führen, aus dem Boot.«
»Komm!«, sagte der Mann und zerrte mich an Land, und ich sah, dass andere Männer das gleiche mit meinen Gefährten taten.
Am Ufer stand eine Schar von etwa fünfzig Männern. Soviel ich in dem Halbdunkel erkennen konnte, waren sie alle mit riesigen Speeren bewaffnet, hoch gewachsen, kräftig und von verhältnismäßig heller Hautfarbe. Abgesehen von einem um die Hüften geschlungenen Leopardenfell waren sie nackt.
Gleich darauf brachten sie auch Leo und Job herbeigeschleppt und stellten sie neben mich.
»Was, zum Teufel, ist denn los?«, rief Leo, sich die Augen reibend.
»Mein Gott! Jetzt sitzen wir schön in der Tinte!«, rief Job, und im gleichen Augenblick taumelte Mahomed auf uns zu, von einer dunklen Gestalt mit erhobenem Speer gefolgt.
»Allah! Allah!«, jammerte Mahomed. »Hilf mir! Hilf mir!«
»Väter, dies ist ein Schwarzer«, sagte eine Stimme. »Was soll nach dem Willen der Herrscherin mit ihm geschehen?«
»Sie sagte nichts von ihm; doch tötet ihn nicht. Komm her, mein Sohn.«
Der Mann trat zu ihm, und die große dunkle Gestalt beugte sich zu ihm nieder und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
»Gut, gut«, sagte der Mann und stieß ein Lachen aus, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Sind die drei Weißen da?«, fragte die Gestalt.
»Ja, sie sind da.«
»Dann holt, was für sie vorbereitet ist, und nehmt ihre Sachen aus dem Floß.«
Kaum hatte er dies gesagt, kamen Männer herbeigeeilt, die - ich traute meinen Augen kaum - Sänften auf ihren Schultern trugen, und man bedeutete uns, darin Platz zu nehmen.
»Wie angenehm, dass man uns nach all der Plackerei tragen will«, sagte Leo, der allem stets die heiterste Seite abzugewinnen weiß.
Wohl oder übel tat ich es den anderen gleich und bestieg die mir zugedachte Sänfte, die ich höchst bequem fand. Sie schien aus einem aus Grasfasern gewebten Tuch zu bestehen, das jeder Bewegung nachgab und, da es unten und oben an der Holzstange befestigt war, Kopf und Nacken eine angenehme Stütze bot.
Kaum hatte ich mich darin niedergelassen, als auch schon die Träger, in einen eintönigen Singsang verfallend, lostrabten. Etwa eine halbe Stunde lag ich still da, dachte über unsere ungewöhnlichen Abenteuer nach und fragte mich, ob mir meine achtbaren verknöcherten Kollegen in Cambridge wohl glauben würden, wenn ich durch ein Wunder in unsere vertraute Tafelrunde versetzt, ihnen davon erzählte. Es ist wirklich nicht meine Absicht, die guten gelehrten Leute zu beleidigen oder herabzusetzen, indem ich sie verknöchert nenne, doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass selbst hochgebildete Professoren allzu leicht verknöchern, wenn sie beharrlich stets denselben Pfaden