Y. K. Shali

Adam ohne Eva


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genauso wie du auch. Ach, was soll´s! Wir vergessen das Ganze einfach. Komm´…«

      Ich nahm meine Zigarettenschachtel aus der Tasche und bot ihm zu Versöhnung eine Zigarette an.

      Einen Tag später kam mein Kollege in der Firma unvermittelt auf mich zu. Sein Verhalten mir gegenüber war kalt und abwesend. Er gab mir den Reserveschlüssel zurück und sagte, dass dieser besser bei mir oder jemand anderem aufgehoben sei, denn es sei möglich, dass er eventuell nicht da wäre, wenn ich den Schlüssel einmal dringend bräuchte. Ich wusste, dass dies nur eine Ausrede war. Obwohl ich am Tag zuvor nichts Unfreundliches zu ihm gesagt hatte, überkam mich das Gefühl, ihn mit meinem Verhalten gekränkt zu haben. Also entschuldigte ich mich dafür. Mein Freund erwiderte gelassen:

      »Vergiss es! Du hast doch nichts Schlechtes zu mir gesagt.«

      »Und warum bist du dann so gekränkt, dass du mir den Schlüssel zurückgibst?«

      »Den Grund dafür habe ich dir doch genannt.«

      »Wie du meinst», sagte ich enttäuscht. »Was soll ich mit den Pfandsachen von diesem Kerl denn jetzt machen?«

      Er schwieg kurz, antwortete dann nachdenklich:

      »Wenn er kommt, gib´ sie ihm bitte zurück. Mein Geld brauchst du nicht von ihm zurückzu­verlangen. Falls er es dir gibt, nimm´ es, wenn nicht, dann soll er bleiben, wo der Pfeffer wächst. Es war mein Fehler, dass ich mit ihm in deine Wohnung kam, aber glaub´ mir, er hatte einen eigenen Schlüssel. Bevor ich mit ihm in deine Wohnung ging, hatte er schon seine Sachen bei dir abgestellt.«

      »Na gut. Ich muss mich wohl an die Wohnungsgesellschaft wenden, die mir diese Wohnung vermittelt hat. Außer mir darf niemand einen weiteren Schlüssel besitzen. Selbst ein Schlüsseldienst dürfte ohne eine besondere Genehmigung den Schlüssel nicht einfach so nachmachen …«

      Er unterbrach mich und bemerkte desinteressiert:

      »Das ist deine Sache. Ich habe genügend eigene Probleme.«

      Ich betrachtete ihn genauer. Er sah betrübt und nachdenklich aus. Besorgt fragte ich ihn:

      »Was für Probleme hast du denn? Möchtest du darüber reden?«

      Er antwortete lakonisch:

      »Nichts. Da ist nichts.«

      »Komm´, erzähl´ schon!«

      »Ach, nichts. Ich muss jetzt wirklich!«, antwortete er, indem er Anstalten machte zu gehen. Ich drängte mich aber weiter auf und ließ mich nicht so schnell abwimmeln:

      »Was ist mit dir los? Du siehst total verändert aus. Kann ich irgendwas für dich tun?«

      »Nein, danke! Wirklich nicht. Mach´s gut! Frag´ einfach nicht weiter nach!«

      Mit einem verkrampften Lächeln im Gesicht entfernte er sich von mir.

      Kapitel 2

      Als ich abends nach Hause kam, fühlte ich mich miserabel. Ich hätte die Pfandsachen am liebsten zertrümmert, aber ich konnte mich gerade noch bremsen. Es hatte keinen Sinn, wenn ich meine Wut gegen ein paar einfache Gegenstände richten würde. Ich musste abwarten und den Dingen ihren freien Lauf lassen.

      In dieser Nacht konnte ich kaum schlafen. Einerseits ärgerte ich mich über mich selbst, weil ich meinen besten Freund gekränkt hatte, andererseits war ich wiederum von ihm darüber enttäuscht, dass er sich wegen eines solch lächerlichen Missverständnisses so schnell beleidigt fühlte.

      Am Tag darauf erschien mein Kollege wieder nicht zur Arbeit. Auch an den folgenden Tagen war von ihm nichts zu hören und zu sehen. Ich fühlte mich verpflichtet, bei ihm zu Hause anzurufen, aber ich erreichte ihn nicht. Abends, auf dem Heimweg, schellte ich mehrmals an seiner Wohnungstür. Keine Spur von ihm. Ich schellte verzweifelt bei seinen Nachbarn. Zwei von ihnen meldeten sich durch die Gegensprechanlage. Ich fragte, ob sie vielleicht zufällig meinen Freund in den letzten Tagen gesehen hätten. Sie antworteten wortkarg „Nein“ und legten sofort den Hörer auf. Niemand gab sich Mühe, die Tür zu öffnen, um nachzuschauen, wer im Flur stand und worum es überhaupt ging. Einen Moment lang dachte ich daran, die Polizei zu benachrichtigen, da die Möglichkeit bestand, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Ich stellte mir vor, wie Menschen in ihren eigenen Wohnungen sterben und erst Wochen später, wenn sich der Verwesungsgeruch bereits im ganzen Haus ausgebreitet hatte, gefunden wurden. Obwohl diese Vorstellung mich ängstigte, entschloss ich mich trotzdem, vor dem nächsten Morgen nichts zu unternehmen. Zuerst wollte ich mich bei unserem Vorgesetzten nach ihm erkundigen. Vielleicht hatte er sich nur ein paar Tage Urlaub genommen.

      »Ja. Bestimmt ist er irgendwo im Urlaub und ich, der dümmste Esel persönlich, mache mir unnötige Sorgen um ihn!«, flüsterte ich vor mich hin, beruhigte mich auf diese Weise und schlenderte langsam nach Hause.

      Als ich die Tür meines Appartements aufschließen wollte, merkte ich plötzlich, dass ich vor einer fremden Wohnung stand. Die Tür war mit bunten Papierblumen geschmückt. Aus der Wohnung ertönten laute Musik und die Stimmen einiger Menschen, die sich offensichtlich gut zu amüsieren schienen. Hier fand offenbar gerade eine Party statt. Beschämt über meine Gedankenlosigkeit, dankte ich Gott dafür, dass ich den Schlüssel noch nicht in das Schloss gesteckt, und niemand meine Dummheit bemerkt hatte. Schnell stieg ich in den Aufzug und drückte den Knopf meiner Etage, aber nichts bewegte sich. Wiederholt drückte ich den Knopf. Noch immer passierte nichts. Endlich nahm ich wahr, dass ich bereits auf meiner Etage war. Mir fiel spontan ein, dass es sinnvoll wäre, einen Blick auf das Namensschild neben der Tür zu werfen. Tatsächlich stand da mein Name!

      Nach kurzem Zögern wagte ich nun, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Ich drehte ihn vorsichtig und noch ein wenig unentschlossen um. Wie gewöhnlich öffnete sich die Tür. Ja, ich sah richtig, das war meine Wohnung. Aber dort, in meiner Wohnung, waren unbekannte junge Frauen, die tanzten, tranken und sich laut miteinander unterhielten!

      »Was ist hier los?! ... Was macht ihr in meiner Wohnung?!«, schrie ich fassungslos.

      Durch mein Gebrüll wurden die Frauen augenblicklich still. Aus einer Ecke des Zimmers erschien der Mann, der vor ein paar Tagen ohne mein Wissen seine Sachen hierher gebracht hatte. Im Gegensatz zu unserem ersten Treffen schien sich dieser Eindringling jetzt sehr über unser Wiedersehen zu freuen.

      »Na, habe ich es nicht gesagt?! Mit ein paar Minuten Verspätung ist unser Mitbewohner endlich da!«, sagte er zu den anderen, während er mich anlächelte. Verblüfft fragte ich:

      »Wer seid ihr? Wer hat euch erlaubt, in meine Wohnung zu kommen?«

      Ohne mich weiter zu beachten, nahm der Mann die Hand einer jungen Frau und fing fröhlich an zu tanzen. Die anderen Frauen umringten mich und versuchten kokettierend, mich dazu zu bringen, ebenfalls mitzumachen. Wütend stellte ich die Stereoanlage aus, woraufhin die Leute gezwun­gener­maßen mit dem Tanzen aufhörten.

      »Können wir einen Augenblick vernünftig wie kultivierte Menschen miteinander reden? Was macht ihr hier in meiner Wohnung?«, wiederholte ich.

      »Sieh´ mal einer an, wie stolz er auf sich ist! Nur, weil er eine Arbeit hat, gutes Geld verdient und sich eine große Wohnung in einer teuren Gegend leisten kann, bildet er sich ein, kultiviert zu sein! Hahaha…«, bemerkte der Mann.

      »Komm, nimm bei mir Platz, Herzchen!«, umgarnte mich schäkernd eine junge Frau.

      »Nein, komm her zu mir!«, sagte eine andere.

      »Hahaha… ist der aber süß!«, meinte eine zu den anderen.

      »Nicht ganz. Schau mal, wie ernst er aussieht!«, erwiderte eine von ihnen.

      »Stell´ dich nicht so an!«, giftete die erste junge Frau plötzlich.

      »Gefalle ich dir etwa nicht?«, fragte mich gekränkt die Zweite. Wieder eine andere forderte mich mit sanfter Stimme auf:

      »Komm´ her zu mir und lass uns plaudern! Erzähl´