Arik Steen

Frauenjagd


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Energie erspart.»

      «Nein, bitte. Sie ist doch noch so jung!», heulte der Schweinebauer. Aber im Endeffekt wusste er, dass Pope längst eine Entscheidung getroffen hatte. Und er wusste, dass er seine Tochter vermutlich nie wiedersehen würde.

      Die junge Frau stand wie angewurzelt da. Panik breitete sich aus. So richtig wusste sie nicht, was da gespielt wurde. Aber es ging um sie und dieser Mann im Rollstuhl war kein netter Mann. Definitiv nicht.

      «Weißt du eigentlich, Sofia, was deine Mutter in den Staaten gemacht hat?», fragte dieser Pope.

      Sofia schüttelte traurig den Kopf: «Nein, nicht wirklich!»

      «Okay!», der alte Mann fuhr mit seinem Rollstuhl näher an die junge Frau heran: «Sie hat für mich gearbeitet. Und dein Vater hat viel Geld durch sie verdient. Anders als dein Vater hat sie ihren Anteil nicht komplett versoffen und verspielt ...»

      Tränen rannen aus den Augen der jungen Frau und liefen die Wangen hinunter. Mit Schmerz erinnerte sie sich an ihre Mutter. Die Trauer kam wieder hoch. Mit erstickter Stimme meinte sie: «Sie ist seit drei Jahren tot. Also warum erzählen Sie mir das?»

      «Tot?», Richard Pope lachte laut: «Nein, sie ist nicht tot. Hat dein Vater dir das erzählt? Sie lebt in den Staaten. Hat eine neue Familie, hat sich ein Leben aufgebaut. Sie ist definitiv nicht tot.»

      Man konnte das Entsetzen und die Ungläubigkeit von Sofia förmlich spüren. Was meinte der Mann im Rollstuhl? Von was sprach er? Ihre Mutter war tot. Sie war bei einem Autounfall in den Staaten ums Leben gekommen. Sie hatte um ihre Mutter getrauert, für sie gebetet. Sie war tot.

      «Ja. Du kannst es mir ruhig glauben.», sagte Pope und fuhr mit seinem Rollstuhl ein wenig näher an den Tisch heran: «Deine Mutter ist definitiv nicht tot. Und es geht ihr besser als euch in diesem ... Dreckskaff in den Bergen.»

      «Stimmt das, Papa?», fragte Sofia ungläubig. Man konnte sehen wie sie zitterte.

      «Ich wollte dich doch nur beschützen ...», heulte Miguel. Er saß auf seinem Stuhl wie ein Häufchen Elend und stützte nun seinen Kopf in seine Hände. Warum tat Pope ihm das nur an?

      Sofia war sauer. Ihre Mutter lebte? Warum hatte ihr Vater sie angelogen? Sie war wütend auf ihn, wütend auf den Mann im Rollstuhl und sie wollte weg. Nur weg aus diesem Raum, weg von diesen Männern. Doch der Mann, der aussah, als wäre er ein Kleiderschrank auf zwei Beinen, hielt sie fest.

      «Du gehst nirgendwo hin!», sagte Richard Pope: «Du gehörst jetzt mir.» Es klang endgültig.

      «Bitte nicht!», schluchzte Sofia. Jeder Versuch sich aus dem Griff des Gorillas, der wohl für Pope arbeitete, zu befreien war zwecklos. Seine Hände waren wie eiserne Zangen, die ihr zartes Handgelenk fest im Griff hatten. Es gab kein Entkommen.

      Warum wollte dieser Mann sie mitnehmen? Und vor allem wohin? Hunderte von Gedanken durchfluteten Sofias junges Gehirn. Sie hatte Angst. Schreckliche Angst.

      «Ich werde zahlen. Ganz bestimmt!», meinte Miguel. Er wollte aufstehen, aber Richard hob die Hand und gab ihm zu verstehen sitzen zu bleiben.

      «Ich gebe dir zehn Tage ...»

      «Bitte nicht meine Kleine. Bitte nicht Sofia. Sie ist doch noch so jung und unschuldig. Sie kann nichts dafür, dass ich ...», der Schweinebauer schluckte.

      «Dass du ein versoffener Hurenbock bist? Nein, dafür kann sie nichts. Aber du weißt, dass mir das egal ist. Und im Grunde ist es dir auch egal. Du hast deine Frau doch quasi genauso verkauft. Deine Maria war anfänglich definitiv nicht begeistert sich vor der Kamera auszuziehen!»

      Sofia hörte weg. Sie wollte das nicht wissen. Der Mann war böse und redete böses Zeug. Sie glaubte kein Wort, von dem was er sagte.

      «Bitte ...», flehte Miguel. Aber er wusste, dass er bei Pope auf taube Ohren stieß.

      «Wenn ich dann das Geld habe, bekommst du sie wieder. Unversehrt natürlich. Obwohl sie ein hübsches kleines Ding ist und ich wirklich tolle Ideen habe ...»

      «Ich werde es besorgen!», sagte Miguel hastig. Er wusste, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war. Es waren ganze zehntausend Dollar, die er dem Millionär schuldete. Für Miguel war das ein Vermögen. Für Pope allerdings nichts. Alleine schon den Helikopter vollzutanken, war es nicht wert gewesen das Geld hier in den Bergen einzutreiben. Aber es ging Pope um mehr. Vor allem um Respekt.

      «Bring sie zum Auto!», befahl Pope dem menschlichen Kleiderschrank. Der Hüne packte Sofia und zerrte sie aus dem Haus.

      «Wo bringt Ihr sie hin?», fragte Miquel.

      «Zum Flughafen! Dort wird Sie auf mich warten. Ich habe hier noch Einiges zu erledigen in Chile. Deshalb wartet auch der Hubschrauber auf mich!», meinte Pope: «Wenn du rechtzeitig zahlst, dann bekommst du sie unversehrt zurück. Wenn nicht ...»

      Miquel wollte sich gar nicht vorstellen was dann war.

      Die beiden chilenischen Jugendlichen schauten aus ihrem Versteck zu und sahen, wie man die Tochter des Schweinebauers zum Auto brachte.

      «Was tun sie mit Sofia?», fragte Felipe.

      Rodrigo zuckte mit den Achseln: «Ich weiß es nicht!»

      Aus sicherer Entfernung sahen die beiden jungen Chilenen zu, wie Sofia im Auto verschwand.

      «Wohin bringen sie Sofia?»

      «Verdammt, ich weiß es nicht», sagte Rodrigo. Er ahnte jedoch, dass sie Sofia nie wiedersehen würden. Sie würde nie wieder hier hoch in die Berge kommen. Genauso wie ihre Mutter, die vor einigen Jahren zum letzten Mal hier gewesen war.

      Einige Minuten später kam auch der Mann im Rollstuhl aus dem Haus. Statt wieder ins Auto zu steigen wurde er zum Helikopter gebracht. Zwei Männer halfen ihm beim einsteigen. Dann hob das schwere Fluggerät unter lauten Rotorgeräuschen ab.

       8 Tage später ...

      «Schaut euch das Meer an», sagte Elvira: «Ist es nicht herrlich?»

      Maja nickte: «Es ist wirklich herrlich, da hast du recht. Glaubst du wir können hier baden gehen, bevor es losgeht?»

      «Ich weiß es nicht, Schätzchen!», sagte ihre Mutter und zeichnete mit ihrem Fuß ein Kreuz in den Sand: «Aber ich glaube, wir haben noch ein bisschen Zeit, bis es losgeht.»

      Maja schaute zu Boden. Sie wusste, was ihre Mutter mit «losgeht» meinte, auch wenn sie es noch nicht so richtig wahrhaben wollte. Sie hatten sich verkauft. Für ein perverses Spiel irgendeines Millionärs. Ihre Mutter, ihre Schwester und sie selbst.

      «Bereut ihr es?», fragte Elvira plötzlich.

      Hanna setzte sich in den Sand: «Wäre es dafür nicht zu spät?»

      «Nein! Ihr wisst, dass ihr jederzeit abbrechen könnt ...»

      «Aber ob wir das wirklich tun würden, ich weiß nicht!», erwiderte Hanna: «Wenn man mal auf der Insel ist, dann gibt es so schnell kein Zurück.»

      Es war eine komische Stimmung. Sie wussten nicht so wirklich, was sie erwartete. Man hatte ihnen das Spiel erklärt. Morgen früh würde man sie auf die Insel fliegen. Eine Insel irgendwo im Indischen Ozean.

      «Wer ist der Mann, der uns jagen wird?», fragte Maja: «Ich meine, welcher Mann entscheidet so etwas für einen Millionär zu tun?»

      «Die gleiche Frage könnten wir uns selbst stellen. Welche Frau erklärt sich bereit sich jagen zu lassen?», meinte ihre Mutter und ging dann einen Schritt Richtung Hotel: «Lasst uns zurückgehen und essen!»

      «Das Spiel» wie es der 72-jährige Richard Pope nannte, war eine aufwendige Jagdinszenierung. Er hatte hierfür extra eine Insel gekauft.

      Ein Mann, den Pope nur «den Jäger» nannte, würde insgesamt sechs Frauen jagen. Alle sechs würden nackt sein. Man würde sie auf der Insel aussetzen und sich selbst überlassen. Und der Jäger hatte den Auftrag sie zu jagen.