verrückt war. Moralisch brachte alleine der Gedanke ihn an seine Grenzen. Natürlich war ihm klar, dass alle Frauen freiwillig auf dieser Insel waren. Sie bekamen Geld dafür. Glaubte man Pope, so war es sogar eine Menge Geld. Aber die Frauen waren keine Schauspieler oder professionelle Prostituierte. Darauf hatte Pope geachtet. Sie waren Teil dieses Spiels. Teil dieser unglaublichen Inszenierung. Doch auch wenn sie sich freiwillig jagen ließen, so war das für Leon durchaus eine moralische Grenzerfahrung.
Leon hatte sich lange Gedanken darübergemacht, ob er dieses Angebot annehmen sollte. Er war ein Abenteurer und liebte die Herausforderung. Die Idee hatte ihn gereizt, aber tief in seinem Herzen sorgte sie auch für Unruhe.
Im Grunde ist es tief in uns Menschen verankert. Ein Wechselspiel von Dominanz und Unterwerfung. Ein Spiel von «Jagen und Gejagt werden». Es ist tief in unserer Genetik, davon war Leon überzeugt. Karl von Sylvenstahl, ein Freiherr und Freund von Leon, hatte ihm viel von seinen moralischen Bedenken genommen. Das war schon lange her. Damals hatte er herausgefunden, dass er es liebte Frauen zu dominieren und der Freiherr hatte ihm damals bereits erklärt, was er glaubte: «Alle unsere sexuellen Fantasien sind Erbe unserer Genetik».
Die Frau sucht Schutz und die Kraft eines Mannes. Sie möchte einen Mann, der in der Lage ist sie zu verteidigen. Der stark genug ist ihr in Gefahren beiseite zu stehen. Sie möchte einen Mann haben, der auf die Jagd geht, Wild erlegt. Der Holz für sie schlägt und es zur Höhle bringt, damit sie nicht friert. Der Muskelkraft und Verstand vereinigt. Und dafür ist die Frau bereit sich zu unterwerfen. Denn sie alleine entscheidet, wer sich mit ihr paart.
Der Mann möchte die Konkurrenz ausschalten. Er möchte seine Gene weitergeben, seine Art erhalten. Und deshalb strebt er die Kontrolle über das «Weibchen» an. Im Prinzip kann er sie nicht kontrollieren. Im Prinzip wird er nie in der Lage sein, immer zu bestimmen mit wem sie sich paart und welche Gene sie weiterträgt. Denn welche Frucht sie bei einer Schwangerschaft in sich trägt, das weiß nur sie alleine. So gerne der Mann glaubt, er könne die Frau kontrollieren - immer wird die Angst des Kontrollverlustes bleiben. Und diese Angst möchte die Frau ihm nehmen. Sie gibt ihm das Gefühl seine Gene mehr zu schätzen. Sie unterwirft sich ihm und gibt ihm das Gefühl «der Einzige» zu sein.
Es ist ein tief in uns festgelegtes genetisches Programm. Alle Versuche der Emanzipation und der weiblichen Ständigkeit können dieses Programm nicht einfach löschen. Und so findet man die Auswirkung dieser Gene noch heute. Frauen wollen starke Männer. Und wie kann ein Mann seine Stärke mehr beweisen als dass er sich als Jäger zeigt? Jeder Flirt ist eine Jagd, jedes erste Date ein kleiner Kampf. Hier in der Frauenjagd erlebt das Ausleben unserer Gene seinen Höhepunkt.
Daran glaubte Leon. Wenn das nicht der Fall wäre, dann könnte er dieses Spiel nicht mitspielen. Es war in seinen Genen. Er war der Jäger. Die Frauen seine Beute ...
Er hatte zugesagt. Er war eigentlich nicht käuflich, aber das Geld und die Jagdprämien hatten doch mit dazu beigetragen, dass er «ja» gesagt hatte. Aber ihn faszinierte vor allem dieser erotische Nervenkitzel. Und er glaubte tatsächlich daran, dass dieses Spiel auch der Befriedigung seiner Gene diente ...
«Die Insel» war ein absoluter Traum. Umso näher die Jacht kam, umso mehr wurde das klar. Das Meer veränderte sich von tiefdunkelblau hin zu türkis. Es waren keine hundert Meter mehr und die Jacht steuerte direkt an das Ufer.
Leon schaute über die Reling und fieberte dem Augenblick entgegen endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ihm war immer noch ein wenig schlecht. Er hatte sich zwar die letzten Stunden nicht mehr übergeben, aber vermutlich vor allem deshalb, weil er nichts gegessen hatte. Keine Ahnung, warum er so empfindlich war. Bislang hatte er immer geglaubt gegen solche Dinge immun zu sein. Aber das war Leon nicht.
Ein weißer Sandstrand umgab die gesamte Insel. Hier und da stand eine Palme. Dahinter der Wald und weiter Richtung Landesinnerem war ein Berg zu sehen. Es war ein Traum von einer Insel. Wer sich so etwas privat leisten konnte, der hatte es definitiv geschafft.
«Sehen Sie den Masten dort auf dem Berg?», fragte Pope.
Leon nickte. Ein rotes Licht leuchtete dort. Und das gleiche Licht sah er auch auf der kleinen Hütte, die keine fünf Meter vom Steg entfernt stand, an dem die Jacht gerade anlegte.
«Wenn Sie jagen gehen, dann leuchtet das Licht grün und ihre Beute weiß Bescheid, dass sie auf der Hut sein muss!»
«Okay!», meinte Leon. Pope schien alles relativ gut durchdacht zu haben.
«Es gibt noch drei Hütten sowie eine Baumhausgruppe auf der Insel. Auch dort sind jeweils solche Warnlampen angebracht. Ihre Beute soll ja wissen, wann sie mal etwas Ruhe hat.»
Leon schaute zu ihm hinunter. Er war ein mächtiger Mann, hatte Geld, hatte Einfluss. Und er hatte eine absolut kranke Idee entwickelt.
Ihm fiel auf, dass Pope nie von «den Frauen» sprach, sondern immer nur von «der Beute».
«Ich hatte bereits einen Jäger hier. Das war eine Art Testlauf. Aber die Jagd hat mich nicht überzeugt!», meinte Pope.
«Warum nicht?»
«Nun, es war nur eine einzige Frau, die ich damals auf der Insel aussetzte. Sie hieß Clara. Aber das war nicht der Grund. Der Jäger hat zu wenig daraus gemacht. Er hat sie einmal durchgefickt und das war es dann.»
«Was erwarten Sie denn?», fragte Leon. Er hatte keine Angst ihn zu enttäuschen oder seinen Erwartungen nicht gerecht zu werden. Entweder es gefiel ihm oder eben nicht. Das Geld bekam Leon so oder so. Aber dennoch wollte er sein Bestes geben.
«Dass Sie mehr Fantasie zeigen. Mehr Ideen. Sehen Sie die Nebeninsel rechts von uns? Dort sind Sie untergebracht. Sie werden staunen über die Einrichtung.»
Leon schaute hinüber und entdeckte dort ein kleines Gebäude: «Okay!»
Ein Mann rief etwas, aber Leon verstand nicht, was es war. Es hatte mit dem Anlegen des Bootes zu tun.
«Nun, wir sind da!», meinte der Millionär: «Ich denke, es ist alles geklärt, oder? Gehen Sie jetzt auf die Nebeninsel. Schauen Sie sich das Gebäude dort an. Unsere Villa. Beziehungsweise Ihre Villa für die nächsten Tage.»
Leon schaute erneut hinüber zur Insel. Eine Brücke verband die Hauptinsel mit dieser Nebeninsel. Der Begriff «Villa» war sicherlich unpassend. Es stand dort zwar ein Gebäude, aber allzu groß war es nicht.
«Kann ich sie irgendwie erreichen?», fragte Leon.
Pope grinste: «Es sind überall Kameras. Sie können mir jederzeit zuwinken!»
«Nein, ernsthaft!», sagte Leon, ohne auf den spöttischen Unterton einzugehen: «Wenn es Probleme gibt oder Fragen aufkommen!»
«Es gibt im Haus ein Telefon!», erwiderte Pope nun wieder ernst: «Das können Sie natürlich nutzen.»
«Okay!», meinte Leon und wollte gerade über die Reling klettern.
«Ach eines noch!», sagte Pope: «Beachten Sie bitte die Regeln. Wenn eine Frau kein Halsband trägt, dann hat sie aufgegeben und darf nicht mehr gejagt werden. Wir werden sie dann abholen. Sie bekommt dann natürlich keine Prämie. Aber Sie verstehen, ich möchte nicht, dass die Frauen glauben, sie wären Ihnen voll und ganz ausgeliefert!»
«Ehrlich gesagt, mir ist das nur Recht!», meinte Leon. Er fand diese Ausstiegsklausel gut. Das entschärfte das ganze Spiel etwas.
Leon ging von der Jacht hinunter und schaute zurück. Es dauerte nicht allzu lange und sie legte wieder ab. Er war nun auf sich alleine gestellt. Ja, er hatte noch Zweifel, aber dafür war es nun im Grunde zu spät. Er war der Jäger und er hatte einen klaren Auftrag.
Leon ging am Sandstrand entlang bis zur Brücke. Sie war erstaunlich stabil gebaut. Auch ein Auto könnte über sie fahren.
Sein Blick fiel zur Jacht. Vermutlich legte sie dort draußen ihren Anker aus. Pope hatte gesagt, dass er nicht allzu weit weg sein würde.
Als Leon über die Brücke gegangen war, verstand er, warum sie derart stabil