Richtung Berg als sie ihn plötzlich sah. Das musste der Jäger sein. Ihr Herz fing an deutlich schneller zu pumpen und ihr Körper schüttete Adrenalin aus. Umsonst, bedachte man, dass er von dort oben nicht allzu schnell hier herunterkam. Es sei denn er hatte einen Segelschirm oder etwas Ähnliches. Trotzdem rief sie ihren Töchtern aufgeregt auf polnisch zu: «Dort oben ist er. Lasst uns verschwinden!»
Maja und Hanna schauten erst gar nicht nach oben, sondern folgten ihrer Mutter.
Leon schaute durch das Fernglas. Zwei der Frauen schienen jünger zu sein, die andere etwas älter. Aber genau konnte er es nicht erkennen.
Er schaute ihnen belustigt hinterher als sie wegrannten. Er hatte keine Chance ihnen von hier zu folgen. Dennoch war es ein gutes Gefühl ein wenig «Schrecken» zu verbreiten. Die Frauen mussten noch viel lernen. Jetzt wegzurennen kostete nur Energie und Nerven. Es wäre wohl besser in einer solchen Situation stehen zu bleiben und die ganze Sache zu «analysieren»!
Er schaute sich einmal rundherum um. Die Insel war von West nach Ost vielleicht einen Kilometer breit. Von Nord nach Süd etwas weniger. Bis auf drei Lichtungen, die von hier oben recht gut einzusehen waren, bestand die Insel vor allem aus tropischem Urwald.
Erst jetzt bemerkte Leon am Himmel etwas schweben. Er schaute mit dem Fernglas in die Richtung und konnte ungefähr fünfzig Meter über sich ein Fluggerät sehen. Es war vermutlich eine Art Drohne und er war überzeugt, dass sie mit einer Kamera ausgestattet war. Ihm war natürlich klar, dass Richard Pope, sein Arbeitgeber, live dabei sein wollte. Die ganzen Kameras überall bewiesen das eindrücklich. Eine Drohne hatte er allerdings nicht erwartet.
Leon verdrängte den Gedanken beobachtet zu werden. Das war für ihn persönlich wichtig. Er wollte sich voll und ganz auf das konzentrieren, was seine Aufgabe war: Frauen zu jagen.
Er suchte mit dem Fernglas die Strände ab und sah zwei weitere Frauen. Beide vollkommen alleine, die eine nördlich von mir und die andere am östlichen Strand.
Sein Gehirn war schon immer in der Lage gewesen, wesentliche Merkmale eines Geländes zu speichern und zu verarbeiten. Vor seinem inneren Auge rief er sich die Karte auf. Er hatte sie zwar in der Tasche bei sich, aber er wollte, dass sich sein Gedächtnis an wichtigen Punkten im Gelände aus der bereits gesehenen Karte selbst eine Karte erstellte. Das gelang ihm immer relativ gut.
Nachdem er sich die wichtigsten Punkte im Gedächtnis abgespeichert hatte, machte er sich auf und stieg vom Berg wieder hinunter. Er war nun soweit. Er wollte sein erstes «Opfer» jagen und fangen.
Als Leon unten am Jeep angekommen war, entschied er zu Fuß zu gehen und das Fahrzeug stehen zu lassen. Im Grunde hörte man den Motor sicherlich auf der ganzen Insel.
Er ging rechts herum um den Berg und kam genau dort heraus, wo die Lichtung mit den beiden Seen war. Am Ufer des Sees sah er ein Haus. Auch auf ihm war ein Licht angebracht, das «grün» leuchtete: Jagdzeit.
Dann sah er eine Frau. Sie saß am anderen Ufer des Sees. Sie kniete da und schien sich im Wasser die Hände zu waschen. War es eine der Frauen, die er bereits von oben gesehen hatte?
Er schlich sich am Haus entlang und dann hinter eine Buschreihe. In geduckter Position schaute er hinüber, um sie zu beobachten. Er war überrascht, wie jung sie wirkte. Die Frau stand auf und er konnte sie in ihrer ganzen Pracht bewundern. Sie war unglaublich schlank, hatte kleine Brüste, einen flachen durchtrainierten Bauch und lange Beine. Sie hatte ein hübsches Gesicht und blonde Haare. Sie könnte durchaus als Model durchgehen. Sie zu jagen war sicherlich ein Highlight. Sie hatte ohnehin etwas von einem Reh ...
Er schaute sich um. Zwischen ihnen war der See. Es war schier unmöglich schnell zu ihr rüber zu kommen. Er wusste zwar, dass flussaufwärts eine kleine Brücke war, aber sobald er in diese Richtung gehen würde, würde sie ihn sofort sehen und hatte genug Zeit zu verschwinden. Die andere Richtung, das wusste er von der Karte, würde ebenfalls zu viel Zeit benötigen. Durch den See hindurch kostete noch viel mehr Zeit, zumal er Kleidung trug.
Die Flucht vor dem Jäger war unnötig gewesen. Er war da oben auf dem Berg und sie da unten. Maja war das längst klar. Sie war auch noch ausgerutscht und hatte sich die Hände dreckig gemacht. Deshalb war sie zum See zurück um ihre Hände zu waschen. Trotz der Warnungen ihrer Mutter und ihrer Schwester.
«Maja!», schrie ihre Schwester.
Sie drehte sich um. Was war denn? Warum machte sie immer so einen Stress? Konnte sie nicht ein einziges Mal nur etwas entspannter sein? Sie bekam ja noch einen Herzkasper.
Leon schaute hinüber. Das «Reh» drehte sich um und ging Richtung Wald. Er schaute ihr hinterher. Sie hatte einen unglaublich knackigen, festen, kleinen Po. Sie war durchtrainiert, schlank und ziemlich sportlich. Wo hatte Pope nur eine derartige Frau her? Niemals hätte er so jemand hier erwartet. Vor allem nicht für Geld. Aber was hatte er erwartet?
Er stand auf und versuchte zügig Richtung Brücke zu kommen. Jetzt wo sie sich abgewandt hatte, sah sie ihn auch nicht. Doch er hatte die Rechnung ohne die anderen Frauen gemacht. Er lief zügig, da hörte er auch schon einen Schrei.
Maja ging langsam zurück zu ihrer Mutter und ihrer Schwester. Sie mussten einfach lernen ein wenig entspannter zu sein. Sonst würde dieser Jäger sie hier noch zu Tode hetzen.
«Oh Gott, Maja!» schrie ihre Mutter auf Polnisch: «Da ist er! Schnell!»
Maja seufzte erst. Wer ist da? Doch wohl nicht der Jäger? Sie drehte sich Richtung See. Oh Gott. Da war er tatsächlich. Ihr Herz schien fast auszusetzen. Adrenalin pumpte durch ihren Körper und ihre Muskeln füllten sich mit Blut. Ihr Körper bereitete sich auf Flucht vor. Aber ihr Kopf setzte für einen Moment lang aus und verhinderte, dass sie sofort lossprintete. Aber schließlich hatte sie ihre Gedanken im Griff und ließ dem Fluchttrieb freien Lauf - Maja begann zu rennen.
Leon schaute rüber zu der Frau, sah, wie sie sich umdrehte und dann rannte. Jemand im Wald hatte ihn gesehen und sie gewarnt. Einige Meter lief er noch Richtung Brücke, bis er schließlich seinen Lauf stoppte. Es war töricht zu glauben, auf diese Weise jagen zu können. Seine Chance war viel höher, wenn er näher an ein «Beutestück» herankam.
Er ging deshalb zurück in den Wald. Hier am See hatte er nun bereits zweimal Frauen aufgeschreckt. Er war der Meinung, dass es wohl besser war, sein Jagdglück woanders zu versuchen.
Für einen Moment blieb Leon stehen. Versuchte sein Körper zu beruhigen. Er hatte seinen Puls hochgejagt. Mehr als er erwartet hatte. Er musste sich erst geistig daran gewöhnen zu jagen, musste ruhiger werden. Sonst sah er jedes Mal ziemlich dumm dabei aus. Vollkommen klar, wenn dein Puls schon höher schlägt nur bei dem Gedanken eine Frau zu jagen, wie hoch konnte er dann noch steigen, wenn du anfängst zu rennen? Er musste vom Kopf her ruhiger werden.
Nach vielleicht gut zweihundert Metern kam er aus dem Wald heraus und erreichte den Strand. Damit hatte er zumindest mal die Insel komplett einmal durchquert.
Sakura war gut zwei Jahre mit einem Japaner verheiratet gewesen. Dann hatte er sich aus heiterem Himmel von ihr getrennt. Die Ehe war langweilig und öde für ihn geworden. Für sie ein großer Schock. Alles hatte sie für ihn getan, hatte ihn geliebt und alles für ihn aufgegeben. Aber er hatte das anders gesehen.
Eine Scheidung in Japan ist nichts Ungewöhnliches. Die Ehe dient traditionell dazu den Fortbestand der Familie zu sichern. Sakura hatte noch keine Kinder gewollt. Vielleicht war das der Grund gewesen. Vielleicht hatte auch der Druck der Schwiegereltern dazu beigetragen, dass er sich scheiden lassen hatte. Ironischerweise ist «Ungehorsam gegenüber der Schwiegereltern» einer der wichtigsten Gründe für Scheidungen in Japan. Absolut paradox, das fand Sakura selbst als Japanerin. Anders als in westlichen Ländern ist die Ehe keine gottgewollte Institution oder sogar ein Sakrament. Es geht nur um die Zweckmäßigkeit im Hinblick auf die Familie.
Sakura hatte mehr durch Zufall in einer Bar diesen Mann kennengelernt. Einen Europäer. Er war gutaussehend, gut gekleidet und vor allem sehr freundlich. Er hatte sich als Agent für Models vorgestellt.
«Ich bin 26. Bin ich für so etwas nicht