Michael Schenk

Für Freiheit, Lincoln und Lee


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wollt...“

      „He, Moment“, sagte Bernd Kahlmann hastig. Er führte die Brüder zur Seite. „Hört mal, wir brauchen Arbeit und wir brauchen Geld. Es hört sich doch nicht so übel an, finde ich.“

      „Nein, das ist nicht für mich.“ Friedrich musterte Bernd und dachte angewidert daran, wie Bernd die schwarze Frau für seine Befriedigung benutzt hatte. Gott, was war das nur für ein Mensch, der solches tun konnte? „Nein. Zudem muss ich nach New York.“

      Karl nickte verständnisvoll. „Verstehe. Deine Friederike, nicht wahr? Glaubst du denn, sie ist dort und wartet auf dich? Gott, Friedrich, ihr habt euch jetzt fast eineinhalb Jahre nicht gesehen. Du weißt doch selbst, wie viel in solcher Zeit geschehen kann.“

      „Nein, wir lieben uns.“ Für Friedrich war es eine schlichte und unverrückbare Wahrheit und sein Weg war vorbestimmt. Aber er hätte nicht gedacht, dass eintreten könnte, was nun geschah. Die Trennung der Gefährten zeichnete sich ab. Hans und Bernd schienen entschlossen, dem Plantagenbesitzer zu folgen, während Friedrich dieser Gedanke widerwärtig schien. Auch Karl schien andere Vorstellungen vom Leben in den Vereinigten Staaten von Amerika zu haben.

      Der Plantagenbesitzer schien ein gutmütiger Mann zu sein. Er wies einen der Mitarbeiter des Auktionators an, die ersteigerten Sklaven bereitzuhalten und lud die vier Deutschen ein. „Ihr seht hungrig aus und ich bin durstig. Ich denke, mit vollem Magen lässt es sich besser beratschlagen. Ich muss mich übrigens entschuldigen. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin John Obediah Jones aus Old Church, Virginia.“

      So stellten sie sich vor und gingen dann in ein kleines Hotel in einer der Nebenstraßen. Während sie hungrig aßen und tranken, erzählte der Plantagenbesitzer von sich und seinem Land. Interessiert hörte er den Erzählungen der Deutschen zu und lachte auf, als sie ihrer Empörung über die Vorgänge auf der Marbelle Luft machten.

      „Ihr solltet euch darüber nicht zu sehr aufregen. Sicher, es ist eine Verschwendung von Kapitalanlagen und de Croisseux wird nie ein wirklicher Geschäftsmann werden. Es gibt sogar ein paar Verrückte im Norden, welche die Nigger für gleichberechtigte Menschenwesen halten. Nun, Spinner gibt es wohl überall. Aber ich sage euch, hier haben die Schwarzen ein weit besseres Leben, als sie es in Afrika je haben würden.“ Er sah Friedrich an. „Du und Karl, ihr wisst noch nicht so Recht, was ihr tun sollt, nicht wahr? Warum geht ihr nicht beide nach New York im Norden? Friedrich wird dort sein Mädchen finden und da gibt es bestimmt noch genug andere für alle Baumgarts. Ich verstehe die Yankees da oben zwar nicht so ganz, aber ich weiß, dass in New York eine ganze Menge Deutscher leben. Ich glaube, da würdet ihr rasch Anschluss finden. Macht euch über den Weg dorthin keine Sorgen. Bis Old Church könnt ihr mit uns reisen und danach gebe ich euch Geld, damit ihr nach New York kommt.“

      „Danke, aber ich möchte kein Geld geschenkt bekommen.“

      Jones lachte gutmütig. „Prinzipiell nicht oder im speziellen von mir nicht? Nein, ich bin nicht beleidigt. Ihr versteht noch zu wenig von Amerika, aber ihr werdet es lernen. Nun, wenn Hans und Bernd bei mir arbeiten, können wir es vielleicht als Vorschuss auf ihre Arbeit betrachten. Wie wäre das?“

      Es war das Jahr 1851, als sich die Wege der drei Brüder Baumgart und ihres Freundes Bernd Kahlmann trennten.

      Hans Baumgart und Bernd Kahlmann blieben in Old Church.

      Friedrich Baumgart reiste als einziger weiter nach New York, denn seinen Bruder Karl zog es nach Westen. Sie trafen auf ihrem Weg nach Norden einen kleinen Wagenzug, der auf dem Weg nach Kentucky war. Friedrich glaubte, dass es weniger die Beschreibung des Reiseziels, als vielmehr die hübsche Tochter einer der Familien im Treck war, die Karl dazu beeinflusste, mit dem Wagenzug weiterzuziehen.

      Friedrich selbst musste einfach nach New York, denn dort würde Friederike schon auf ihn warten oder ihn zumindest später treffen, denn er wusste nicht, ob die Familie Ganzweiler schon eingetroffen war. Aber Friedrich kannte Josef Ganzweiler und wusste, der Mann würde seine Ankündigung, in die Vereinigten Staaten von Amerika auszuwandern, auch wahr machen. Es hieß ja auch, eine ganze Reihe anderer deutscher Demokraten seien nach New York ausgewandert. Nein, auf ihn wartete Friederike, und als er seine Brüder und Bernd Kahlmann hinter sich zurückließ, da wurde ihm bewusst, wie sehr er sich nach ihr sehnte.

      Kapitel 5 Seegang

      Die R.M.S. Celeste stampfte in der See und Friederike hörte das erbarmungswürdige Stöhnen ihrer Mutter, während sie die Kabine verließ und die Tür hinter sich zuzog. Ihr Vater bemühte sich rührend und zugleich eher erfolglos, Karolina beizustehen und die feuchten Kompressen auf ihrer Stirn waren ein Zeichen seiner Hilflosigkeit. Schon mehrfach hatte Karolina sich übergeben. Inzwischen war ihr Magen leer, doch das auf und ab des Schiffes rief wieder und wieder ein krampfartiges Würgen hervor. Der Schiffsarzt hatte bereits nach ihr gesehen und ihr zwei Tabletten gegeben, doch sie schienen nicht zu helfen.

      „Gehe du nur an Deck, mein Liebes“, hatte Josef seufzend zu seiner Tochter gesagt. „Ich werde schon ein Auge auf deine Mutter halten. Ich glaube, es wird ihr erst besser, wenn wir wieder an Land sind.“

      Friederike hatte genickt und war erleichtert, die enge Kabine verlassen zu können. Sicher, sie hatten eine Passage erster Klasse und ihre Kabine war geräumiger und sichtlich luxuriöser, als die Unterbringung der zweiten Klasse oder gar des Zwischendecks. Aber hier draußen, auf dem Atlantik, genoss sie es an Deck spazieren zu gehen. Hier roch sie jene Seeluft, die man ihr in Büchern beschrieben hatte und es gab keinen fauligen Gestank, der ihre romantischen Vorstellungen beeinträchtigen konnte. Oh, sie hätte gerne einmal das Postschiff unter vollen Segeln erlebt, doch Lieutenant Arguilles Ankündigung, die Maschinen würden es schon schaffen, hatte sich bislang bewahrheitet.

      „Wir haben Ihnen eine Kabine in der Schiffmitte zugewiesen“, hatte der nette Leutnant mitgeteilt. „Zwar sind dort die Maschinen etwas lauter zu hören, aber das auf und ab des Schiffes ist nicht so stark zu spüren, wie an Bug oder Heck. Anbeträchtlich der bedauerlichen Verfassung Ihrer werten Frau Mutter, haben wir dies für angemessen erachtet.“

      Ursprünglich hatten sie eine Kabine weiter vorne erhalten sollen, aber der Kapitän des Schiffes, Captain Helms, hatte wohl schon beim Anbordgehen der Familie eingeschätzt, das zumindest Karolina keine Seebeine bekommen würde. Friederike hingegen genoss die Bewegungen des Schiffes, die ihr merkwürdig lebendig schienen. Wann immer sie die Möglichkeit fand, ging sie aufs Deck hinauf und gelegentlich, wenn ihre Mutter keiner Einwände erhob oder zu schwach war, diese vorzubringen, tat sie dies auch in der Nacht. Der Sternenhimmel über dem Meer war beeindruckend und wirkte grenzenlos, ganz anders als in Frankfurt, wo das Firmament durch die Landschaft und die Stadt begrenzt worden war. Nein, hier boten das Meer und die Sterne unendliche Weiten.

      Friederike ging den holzvertäfelten Gang der ersten Klasse entlang, der vom Licht der elektrischen Lampen erhellt wurde. Die Erfindung Edisons fand die junge Frau immer wieder beeindruckend. Ein sauberes und helles Licht, welches sicher seinen Weg in alle Haushalte finden würde. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie in einer Nebenstraße einmal ein Haus gebrannt hatte, als die Gasleitung explodiert war. Es war schrecklich gewesen und ihr Vater hatte zu jenen gehört, die der Not leidenden Familie danach unter die Arme griffen. Selbst Karolina hatte sich engagiert und einen Basar ausgerichtet, dessen Erlös der Familie zugute gekommen war.

      Das Schiff rollte leicht zur Seite und Friederike stützte sich ab, bis die Celeste sich wieder aufrichtete. Sie erreichte den Niedergang, wie die Treppen auf den Schiffen seltsamerweise hießen, und trat auf das Deck hinaus. Vor sich sah sie den Großmast, den mittleren Mast des Schiffes. Friederike stellte sich die im Wind geblähten Segel vor und seufzte entsagungsvoll. Sie blickte hinter sich und sah die zwischen den großen Schaufelrädern aufragende Brücke des Postschiffes. Es war heller Tag, doch der Himmel war grau und die weißen Schiffsaufbauten bildeten einen harten Kontrast zum trüben Hintergrund. Friederike sah Captain Helms auf der Brücke, der sich mit seinem zweiten Offizier, Timothy Arguille unterhielt. Helms bemerkte sie und grüßte freundlich. Für Friederike war er das Urbild des Seemannes, tief gebräunt und mit einem vom Wetter und der See gegerbten