Anna Kellner

Englische Märchen in deutscher Sprache


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wurden aufgerissen, und der König

       von Elfenland stürzte herein.

       »Thue es, wenn du es wagst,« rief Junker Rowland

       und stürzte ihm mit seinem guten Schwerte entgegen,

       das noch nie versagt hatte. Sie kämpften und kämpften

       und kämpften, bis Junker Rowland den König von

       Elfenland schlug, dass er auf die Knie sank und um

       Erbarmen flehte.

       Junker Rowland sagte: »Erlöse meine Schwester

       von deinem Zauber, gib meinen Brüdern das Leben

       wieder und lass uns alle frei fortziehen, so schenk' ich

       dir dein Leben.«

       »Ich willige ein,« sagte der König von Elfenland.

       Er erhob sich und gieng zu einem Schranke, dem er

       ein Fläschchen entnahm; das war mit einer blutrothen

       Flüssigkeit gefüllt. Damit bestrich er die Ohren, Augenlider,

       Nasenlöcher, Lippen und Fingerspitzen der

       beiden Brüder, die sofort ins Leben zurückkehrten.

       Sie sagten, ihre Seelen wären aus ihrem Leibe entschwunden

       gewesen, seien aber nun wiedergekehrt.

       Dann sprach der König der Elfen einige Worte zu

       Maid Ellen, und sie war erlöst, und sie giengen alle

       fort aus der Halle und kehrten dem finsteren Thurm

       den Rücken, um nie wieder zurückzukehren. So

       kamen sie nach Hause zu der guten Königin, ihrer

       Mutter. Aber Maid Ellen gieng nie wieder in entgegengesetzter

       Richtung zur Sonne um eine Kirche

       herum.

       Herr und Knecht.

       Billy Mac Daniel, ein gutmüthiger, aber leichtsinniger

       Geselle, gieng in einer klaren, frostigen Winternacht,

       nicht lange nach Weihnachten, heim.

       Der Vollmond schien hell, und es war die herrlichste

       Nacht, die man sich nur wünschen konnte, aber es

       war bitter kalt.

       »Meiner Treu,« sagte Billy zähneklappernd, »ein

       guter Tropfen wäre jetzt nicht ohne. Es friert zum Erbarmen.

       Ich wollt', ich hätt' ein volles Glas vom Besten.

       «

       »Du brauchst den Wunsch nicht zweimal auszusprechen,

       « sagte plötzlich ein Männlein. Das hatte

       einen goldverschnürten Dreispitz auf dem Kopfe und

       solche große silberne Schnallen auf den Schuhen,

       dass es ein Wunder war, wie es sie ertragen konnte.

       Es hielt ein Glas in der Hand, das war so groß wie

       das Männlein selbst und bis zum Rande mit einem

       Tranke gefüllt, wie ihn besser noch kein Auge gesehen,

       kein Gaumen gekostet hatte.

       Billy Mac Daniel erkannte sehr wohl, dass das

       Männlein ein Kobold war, trotzdem sagte er furchtlos:

       »Auf deine Gesundheit, Kleiner! Danke schön.

       Ich frage nicht, wer die Zeche bezahlt.«

       Und er ergriff das Glas und leerte es auf einen Zug.

       »Wohl bekomm's!« sagte das Männlein, »gern geschehen,

       Billy. Glaub' aber nicht, dass du mich betrügen

       wirst, wie du Andere betrogen hast – heraus mit

       dem Beutel und zahle, wie es einem Ehrenmanne

       ziemt!«

       »Ich dir bezahlen?« sagte Billy, »ich kann dich ja

       in meine Tasche stecken wie eine Brombeere!«

       Aber da wurde das Männlein sehr böse.

       »Billy Mac Daniel,« sagte es, »sieben Jahre und

       einen Tag wirst du mein Knecht sein, auf diese Art

       werde ich mich bezahlt machen. Folge mir.«

       Als Billy dies hörte, da bedauerte er sehr, so keck

       gegen das Männlein gewesen zu sein. Er wusste

       selbst nicht, wie es zugieng, musste aber dem Kobold

       auf seiner Wanderung folgen, bergauf, bergab, über

       Hecke und Graben, über Stock und Stein, ohne Ruh'

       und Rast.

       Als der Morgen graute, wandte sich das Männlein

       zu ihm um und sagte: »Jetzt kannst du nach Hause

       gehen, Billy, aber heute nachts kommst du zum Festungsgraben,

       sonst geht's dir an den Kragen. Wenn

       du dich aber als guter Knecht bewährst, dann wirst du

       an mir einen nachsichtigen Herrn haben.«

       Billy Mac Daniel ging heim, aber trotzdem er sehr

       müde war, schlief er doch keinen Augenblick, so sehr

       musste er an das Männlein denken. Er fürchtete sich,

       ihm ungehorsam zu sein, und so stand er denn am

       Abend auf und gieng zum Festungsgraben.

       Er war noch nicht lange dort, als der Kobold auf

       ihn zukam und zu ihm sprach: »Billy ich will heute

       eine große Reise unternehmen, sattle ein Pferd für

       mich und eines für dich, denn du sollst mich begleiten

       und dürftest von deiner gestrigen Wanderung her

       noch müde sein.«

       Billy gestand sich, dass sein Herr sehr rücksichtsvoll

       sei, und dankte ihm.

       »Gestattet mir, Herr,« fügte er hinzu, »Euch zu fragen,

       wo der Stall ist. Ich sehe nämlich nichts als die

       Festung und den Dornbusch dort drüben, den Bach

       am Fuße des Hügels und das Stück Sumpfland uns

       gegenüber.«

       »Frag' nicht viel, Billy,« sagte das Männlein, »sondern

       geh' zu dem Sumpfe hinüber und bringe mir zwei

       von den stärksten Binsen.«

       Billy that, wie ihm geheißen ward, und wunderte

       sich, was der Kobold wohl vorhabe.

       Er schnitt zwei der stärksten Binsen ab, die er nur

       finden konnte und brachte sie seinem Herrn.

       »Steig' auf,« sagte das Männlein; es nahm eine der

       Binsen und setzte sich rittlings darauf.

       »Wo soll ich aufsteigen, Euer Gnaden?« fragte

       Billy.

       »Wo? Nun, auf das Pferd doch natürlicherweise, so

       wie ich«, antwortete das Männlein.

       »Wollt' Ihr mich zum Narren halten? Die Binse

       soll ich besteigen?« fragte Billy, »wollt' Ihr mir vielleicht

       gar einreden, dass die Binse, die ich vor einem

       Weilchen aus dem Sumpfe gezogen habe, ein Pferd

       ist?«