Anna Kellner

Englische Märchen in deutscher Sprache


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die Beine herunter; hätte er sich seinen Herrn zum

       Muster genommen, so wäre es besser gegangen, der

       saß so gemüthlich mit gekreuzten Beinen da, als wäre

       er sein Leben lang ein Schneider gewesen.

       Herr und Knecht betrachteten nun von oben das lustige

       Treiben. Unter ihnen saßen der Pfarrer und der

       Pfeifer und Darby Riley's Vater, seine beiden Brüder

       und sein Vetter, die Eltern Bridget Rooney's, die

       heute abends ganz besonders stolz waren auf ihre

       Tochter und mit gutem Rechte, dann ihre vier Schwestern

       mit nagelneuen Bändern auf ihren Häubchen

       und ihre drei Brüder, die so sauber und klug dreinblickten,

       und dann waren Onkel und Tanten, Vettern

       und Basen genug da. Die Speisen und Getränke auf

       dem Tische hätten für doppelt so viel Leute gereicht.

       Mrs. Rooney hatte gerade Seiner Ehrwürden das

       erste Stück von dem mit Wälschkohl schön aufgeputzten

       Schweinskopfe vorgelegt, als die Braut plötzlich

       nieste. Alle Gäste fuhren zusammen, aber kein

       einziger sagte: »Helf' Gott!«

       Alle glaubten nämlich, dass der Pfarrer dies thun

       würde, und niemand wollte ihm das Wort aus dem

       Munde nehmen, der war aber leider mit dem

       Schweinskopf und dem Gemüse beschäftigt. Nach

       einer kleinen Pause gieng die Lustbarkeit weiter, und

       niemand dachte daran, den frommen Wunsch zu sprechen.

       Herr und Knecht hatten von ihrer Höhe den

       Umstand wohl bemerkt.

       »Ha!« rief das Männlein aus und streckte in seiner

       Freude ein Bein vor sich hin; seine Augen leuchteten,

       und er zog die Augenbrauen in die Höhe. »Ha!« wiederholte

       er, und dabei grinste er nach der Braut hin

       und dann zu Billy hinüber. »Nun ist sie zur Hälfte

       mein! Wenn sie noch zweimal niest, dann gehört sie

       mir, trotz Priester, Messbuch und Darby Riley!«

       Wieder nieste die holde Bridget, aber so leise, und

       sie erröthete dabei so sehr, dass niemand außer dem

       Kobold es bemerkte oder zu bemerken schien, und

       niemand dachte daran, »Helf' Gott!« zu sagen.

       Billy betrachtete das arme Mädchen die ganze Zeit

       über mit schmerzlichen Blicken. Er musste immerfort

       daran denken, wie schrecklich es sei, daß ein schönes

       Mädchen von neunzehn Jahren mit großen, blauen

       Augen, Grübchenwangen und blendender Hautfarbe,

       strahlend von Gesundheit und Glück, die Frau eines

       hässlichen, kleinen Kerlchens werden sollte, dem zu

       tausend Jahren nur ein Tag fehlte.

       Als der entscheidende Augenblick kam und Bridget

       zum drittenmal nieste, da brüllte Billy aus Leibeskräften:

       »Helf' Gott!«

       Aber kaum waren diese Worte heraus, da sprang

       das Männlein von dem Balken, auf dem es gehockt

       hatte, sein Gesicht glühte vor Wuth und Enttäuschung,

       und mit schriller, kreischender Stimme, die

       wie ein geborstener Dudelsack klang, rief er: »Du bist

       aus meinen Diensten entlassen, Billy Mac Daniel –

       hier, das ist dein Lohn!«

       Mit diesen Worten versetzte er Billy einen wüthenden

       Stoß in den Rücken, und der unglückliche Knecht

       fiel mitten auf den festlichen Tisch.

       Wenn Billy erstaunt war, wie viel mehr waren es

       erst die Gäste, in deren Mitte er so mir nichts dir

       nichts hineingerathen war!

       Aber als sie seine Geschichte hörten, da legte Pater

       Rooney Gabel und Messer hin und traute das junge

       Paar auf der Stelle. Billy Mac Daniel tanzte die Rika

       und trank fleißig; ein guter Tropfen war ihm doch

       noch lieber als der schönste Tanz.

       Die kluge Kate.

       Es war einmal ein König und eine Königin. Der

       König hatte aus erster Ehe eine Tochter, Anne, und

       die Königin eine namens Kate, aber Anne war viel

       schöner, als die Tochter der Königin, doch liebten die

       Beiden einander wie wirkliche Schwestern. Die Königin

       war eifersüchtig darauf, dass die Tochter des Königs

       schöner war, als ihre eigene, und sann darüber

       nach, wie sie ihre Schönheit verderben könnte. Sie berieth

       sich mit der Hühnerfrau, und die sagte, sie möge

       ihr das Mädchen am folgenden Morgen schicken, aber

       bevor sie etwas gegessen hätte.

       Früh am folgenden Morgen sagte die Königin zu

       Anne: »Geh', liebes Kind, zur Hühnerfrau und bringe

       mir einige Eier.«

       Anne gieng, aber als sie durch die Küche kam, sah

       sie eine Brotkruste liegen, die nahm sie mit und knusperte

       unterwegs daran.

       Als sie zur Hühnerfrau kam, bat sie sie um Eier,

       wie ihr geheißen ward; die Hühnerfrau sagte ihr:

       »Hebe den Deckel von jenem Topfe auf und schau'

       hinein.« Das Mädchen that es, aber es ereignete sich

       nichts.

       »Geh' nach Hause zu Deiner Mutter und sag' ihr,

       sie möge die Thür zur Speisekammer besser schlie-

       ßen,« sagte die Hühnerfrau.

       Anne gieng nach Hause und bestellte der Königin,

       was ihr die Hühnerfrau aufgetragen hatte. Daraus

       ersah die Königin, dass das Mädchen, bevor es zur

       Hühnerfrau kam, etwas gegessen haben müsse; sie

       gab also am folgenden Morgen acht und schickte sie

       fort, ohne daß sie einen Bissen genossen hatte. Aber

       die Prinzessin sah unterwegs einige Landleute Erbsen

       abpflücken, und da sie sehr freundlich war, sprach sie

       zu den Leuten und nahm eine Hand voll Erbsen, die

       sie unterwegs aß.

       Als sie zur Hühnerfrau kam, sagte diese: »Hebe

       den Deckel von jenem Topf auf und schau' hinein.«

       Wieder hob Anne den Deckel auf, aber es ereignete

       sich nichts.

       Da wurde die Hühnerfrau sehr böse und sagte:

       »Sag' Deiner