Anna Kellner

Englische Märchen in deutscher Sprache


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zurückkehre.«

       Jack ritt nun im schnellsten Galopp davon, und als

       er bei dem Schloss angelangt war, klopfte er so laut

       an das Thor, dass die umliegenden Hügel erdröhnten.

       Der Riese brüllte, dass es wie das Rollen des Donners

       klang: »Wer da?«

       »Nur Dein armer Vetter Jack,« war die Antwort.

       Da frug er wieder: »Was bringt mein armer Vetter

       Jack für Nachrichten?«

       Jack erwiderte: »Böse Nachrichten, weiß Gott, lieber

       Onkel.«

       »Ich bitte dich,« sagte der Riese, »wie kann es für

       mich böse Nachrichten geben? Du weißt, dass ich es

       mit fünfhundert bewaffneten Männern aufnehme, und

       dass sie wie Spreu im Winde vor mir zerstieben.«

       »Jawohl, aber der Sohn des Königs ist mit tausend

       bewaffneten Männern im Anzuge, um dich zu tödten

       und alle deine Besitzungen zu verwüsten.«

       »Ach, Vetter Jack,« rief der Riese aus, »das sind

       wirklich böse Nachrichten! Ich will mich schnell verstecken,

       schließe und riegle du fest hinter mir zu und

       behalte die Schlüssel, bis der Prinz wieder fort ist.«

       Nachdem Jack sich so vor dem Riesen geschützt

       hatte, holte er seinen Herrn, und sie ließen sich's

       beide wohlgehen, während der arme Riese zitternd in

       einem unterirdischen Gewölbe lag. Am nächsten Morgen

       versah Jack den Prinzen reichlich mit Gold und

       Silber und ließ ihn drei Meilen vorausreiten. Als er

       längst aus der Spurweite des Riesen war, ließ Jack

       den Riesen aus dem Gewölbe heraus, und sein Onkel

       fragte ihn, was er ihm dafür geben sollte, dass er das

       Schloss vor der Zerstörung bewahrt hatte.

       »Ich verlange nichts,« sagte Jack, »als den alten

       Rock, die Kappe, das alte rostige Schwert und die

       Pantoffeln, die sich zu Häupten deines Bettes befinden.

       «

       »Du sollst sie haben,« erwiderte der Riese. »Behalte

       sie zur Erinnerung an mich, sie werden dir von außerordentlichem

       Nutzen sein. Der Rock wird dich unsichtbar

       machen, die Mütze wird dir Allwissenheit

       verleihen, das Schwert schneidet entzwei, was immer

       du auch damit berührst, und die Schuhe verleihen ungewöhnliche

       Schnelligkeit. Sie können dir nützlich

       sein, vom Herzen gern geb' ich sie dir.«

       Jack nahm sie und dankte seinem Onkel. Dann

       holte er rasch seinen Herrn ein, und bald erreichten

       sie das Haus der Jungfrau, welche der Prinz suchte.

       Als sie sah, dass der Prinz ein Freier war, bereitete sie

       ein glänzendes Mahl für ihn. Am Schlusse desselben

       wischte sie sich die Lippen mit einem Taschentuch ab

       und sagte: »Morgen früh müsst Ihr mir dieses Taschentuch

       zeigen, sonst kostet's Euch den Hals.« Bei

       diesen Worten steckte sie das Taschentuch in ihren

       Busen.

       Kummervollen Herzens gieng der Prinz zu Bette,

       aber Jacks Kappe der Allwissenheit lehrte ihn, wie er

       in den Besitz des Taschentuches gelangen konnte. Um

       Mitternacht berief die Jungfrau ihren vertrauten Geist,

       dass er sie zu Lucifer trage. Aber Jack zog den Rock

       an, der ihn unsichtbar machte, und fuhr in die Siebenmeilenschuhe,

       und so kam er mit ihr zugleich an. Als

       sie das Haus des Bösen betrat, gab sie dem alten Lucifer

       das Taschentuch, das that er auf ein Sims. Aber

       Jack nahm es von dort und brachte es seinem Herrn,

       und der zeigte es am folgenden Tage der Jungfrau,

       und so entgieng er dem Tode.

       An diesem Tage küsste sie den Prinzen und sagte

       ihm, morgen früh müsse er ihr die Lippen zeigen, die

       sie den Abend zuvor geküsst, sonst verliere er seinen

       Kopf.

       »Gewiss werd' ich das, wenn Ihr keine anderen

       Lippen küsst, als die meinigen,« erwiderte er.

       »Das ist ganz gleich,« sagte sie, »könnt' Ihr's nicht,

       dann ist Euch der Tod gewiss!«

       Um Mitternacht gieng sie wie nachts zuvor zu Lucifer

       und war böse auf ihn, dass er sich das Taschen-

       tuch hatte entwenden lassen. »Nun aber,« sagte sie,

       »wird es dem Königssohn schon schwerer werden,

       denn ich werde dich küssen, und er muss mir deine

       Lippen zeigen.«

       Gesagt, gethan. Aber Jack, der daneben stand, hieb

       dem Teufel den Kopf ab und brachte ihn unter seinem

       unsichtbaren Rock seinem Herrn, der ihn am nächsten

       Morgen in Gegenwart der Jungfrau bei den Hörnern

       hervorzog.

       Da war der böse Zauber gebrochen, und sie erstrahlte

       in ihrer ganzen Schönheit. Am folgenden

       Morgen heirateten sie und begaben sich bald darauf

       an den Hof König Arthurs, wo Jack für seine Heldenthaten

       zum Ritter der Tafelrunde geschlagen wurde.

       Nachdem Jack so alle seine Unternehmungen geglückt

       waren, beschloss er, nicht müßig auf seinen

       Lorbeeren auszuruhen, sondern alles, was in seiner

       Kraft stand, zur Ehre seines Königs und seines Vaterlandes

       zu thun. Und so bat er den König Arthur, ihn

       mit einem Pferde und dem nöthigen Gelde auszurüsten,

       damit er sich auf die Suche nach neuen, seltsamen

       Abenteuern begeben könne. »Denn, Majestät,«

       sagte er zum Könige, »es gibt noch viele Riesen in

       den entfernten Theilen von Wales, die zum unaussprechlichen

       Schaden Eurer Unterthanen ihr Wesen

       treiben. Wenn es also Euerer Majestät gefällt, mich

       darin zu unterstützen, so zweifle ich nicht daran, dass

       es mir in kurzer Zeit gelingen wird, sie mit Stumpf

       und Stiel auszurotten und so das ganze Königreich

       von den Riesen und Ungeheuern zu befreien.«

       Als der König von Jacks edlem Vorhaben hörte,

       rüstete er ihn mit allem Nöthigen aus, und Jack machte

       sich auf den Weg. Er nahm die Kappe der Allwissenheit,