Camillo Schaefer

Musik der Habsburger


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(k. u. k.) Doppelmonarchie war die Krönung zum König und zur Königin von Ungarn (1867) Kaiser Franz Joseph I. und seiner Gattin Elisabeth zur politischen Pflicht geworden. Der Virtuose Franz Liszt komponierte für das Zeremoniell mit der anschließenden Salbung des Herrscherpaares in der Matthiaskirche in Budapest seine bekannte >Krönungsmesse<, die im Rahmen des feierlichen Hochamtes dort uraufgeführt wurde. Bei der Leichenfeier für Kaiser Ferdinand I. (1793-1875) in der Kapuzinerkirche in Wien, zeigte dessen Nachfolger, Franz Joseph I., gerade so viel an Musikverständnis, dass der Vizehofkapellmeister Gottfried v. Preyer nach einigen Takten, vom höchst erregten Monarchen schon mit tadelnden Blicken bedacht, das traditionelle >Libera< abklopfen musste, dessen Grundakkord er als Dirigent derart undeutlich gesummt hatte, dass die Hofsängerknaben, Bassisten und Tenöre darauf falsch eingesetzt hatten (16).

      Schon seit dem Vormärz hatten die zeitgenössischen italienischen, französischen und deutschen Importopern einerseits zur Stagnation einheimischer Opernkomponisten und um die Jahrhundertmitte zum Rückgriff auf die Werke Mozarts und Glucks geführt. Richard Wagner hielt sich zwar zur Durchsetzung seiner Opern ein einziges Mal in Wien auf, wollte aber der Intrigen wegen, denen er sich hier ausgesetzt fühlte, nicht wiederkommen. Den österreichischen Komponisten selbst gelang es in jener Zeit jedoch kaum, Modernes zu schaffen. Erst am Beginn des 20. Jahrhunderts wird dieser Anspruch verwirklicht. Julius Bittner erweist sich als der am stärksten von Wagner geprägte Komponist, Alexander v. Zemlinsky, Lehrer und späterer Schwager von Arnold Schönberg, als Eigenständigster, Franz Schreker als ebenso wandelbar wie Ernst Krenek oder Erich Wolfgang Korngold (17).

      Gleichzeitig war Wien in vormärzlicher Zeit bereits zur Geburtsstätte des Walzers geworden, den der fröhliche Wiener Kongress (1814-15) bald in ganz Europa populär machte. Der lebenslustige Walzer, der als beliebter Gesellschaftstanz rasch das alte Menuett verdrängte, stammte von dem in den Alpenregionen weit verbreiteten >Ländler< her - Johann Strauß Vater (1804-1843) und Joseph Lanner (1801-1843) erhoben ihn zum Kunsttanz, der nach den langen, vorangegangenen Spannungen von Revolutionskrieg und gesellschaftlicher Umwälzung rasch Furore machte.

      In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tritt Wien durch das Wirken mehrerer Männer noch einmal an die Spitze des europäischen Musikgeschehens - es sind die Symphoniker Johannes Brahms (1833-1897), Anton Bruckner (1824-1896) und Gustav Mahler (1860-1911) sowie der feinsinnige Liedschöpfer Hugo Wolf (1860-1903). Diese Stellung als führende Musikstadt manifestierte sich ebenso durch die >Internationale Ausstellung für Musik und Theaterwesen< (1892) wie auch durch den schon 1864 von der Universität errichteten Lehrstuhl für Musikgeschichte und Ästhetik, den Eduard Hanslick und Guido Adler zu einem höchst bedeutsamen Forschungsplatz erhoben.

      Gleichsam nebenbei erreichte die leichte Musik ihren absoluten Höhepunkt durch Johann Strauß Sohn (1825-1899), der das Werk seines Vaters vollendete und in aller Welt verbreitete. Seine Brüder Joseph und Eduard sowie Carl Michael Ziehrer, Karl Zeller und Karl Millöcker sind weitere Protagonisten der heiteren Muse.

      1869 bezog die Hofoper ihr neues Haus am Ring, ab 1908 wurde die heutige Volksoper als zweite Opernbühne geführt; daneben waren Musikvereinssaal und das 1912-13 errichtete Konzerthaus ebenso bedeutende Pflegestätten der Wiener Musik.

      Während ein Anton Bruckner, dessen Tragik es wohl blieb, dass die absolute Musik finanziell weit im Wert hinter den Bühnenkompositionen zurücksteht, kläglich in Wien dahinvegetiert und Hugo Wolf seiner Krankheit verfällt, avanciert der Symphoniker und Liederkomponist Gustav Mahler unter dem vielfach als >rückständig< bezeichneten Kaiser Franz Joseph immerhin zum selbstständig experimentierenden Direktor und Dirigenten der Hofoper in Wien (1897). Mahler eröffnet damit die vielleicht wichtigste Ära der Wiener Operngeschichte überhaupt, die der letzten Konsequenz des >Diensts am Werk< verpflichtet bleibt - noch viel spätere Konzeptionen beriefen sich wiederholt auf Mahlers hohe Ansprüche sowie auf sein nahezu ideales Opernmanagement (18).

      2. Kapitel

      2. Kapitel

      MAXIMILIAN I. UND DIE HOFMUSIK DES 15. JAHRHUNDERTS - CELTIS ODERDIE VORWEGNAHME DER BAROCKOPER - DAS JESUITENTHEATER IM SCHOLARENHAUS - DER REICHSTAG FERDINANDS III. ALS MUSIKALISCHES GROSSEREIGNIS (1653)

      Das glänzende Vorbild höfischer Musikpraxis gibt gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Hofkapelle Kaiser Maximilians (1459-1519), dessen diverse Hoflager in Innsbruck, Augsburg, Konstanz und Wien ohne Musikkapelle geradezu undenkbar war. Der von Albrecht Dürer verewigte Triumphzug beweist nachhaltig, wie sehr die Künstler geehrt und anerkannt wurden (1). So spielt beispielsweise der Salzburger Paul Hofhaimer, den sogar ein Paracelsus bewunderte, auf einem fahrenden Wagen die Orgel. Darunter stehen die Verse: "... Aufs allerpest nach Maisterschafft / Wie dann der Kaiser hat geschafft". - Maximilians Geheimschreiber berichtet im so genannten >Weisskunig< (1512) bereits über den Herrscher: "Dan hat er aufgericht ain söliche cantarey mit ainem sölichen gesang von der menschen stym, wunderlich zu hören, und sölich libliche harpfen von newen werken und mit suessem saytenspil, dass er alle kunig ubertraf" - (Dann hat er eine selige Kantorei errichtet mit einem seligen Gesang von der Menschen Stimme, und selig lieblichen Harfen von neuen Werken und mit seligen Saitenspiel, so dass er alle Könige übertraf). - Eines der wichtigsten musikhistorischen Zeugnisse dieser Zeit bleibt das 1544 erschienene >Liederbuch< Wolfgang Schmelzls (1500-1557), eines Schulmeisters bei den Schotten in Wien, der sich bereits den modernen italienischen Kompositionen annäherte - einem Stil, der allmählich über die Gregorianischen Choralwerke triumphieren sollte.

      Dienten Kantorei und Kapelle dem Kaiser zunächst noch vorwiegend zum Lob Gottes sowie der christlichen Kirche (2), war der vorerwähnte, berühmte Paul Hofhaimer (1426-1497), als Maximilian gemeinsam mit dem Land Tirol 1490 die Innsbrucker Hofkapelle aus der Hand Erzherzog Sigismunds (1426-1497) übernahm, schon sein erster Hoforganist. Noch mitten in der Renaissancezeit gründete Maximilian daraufhin 1498 in Wien mit seiner Hofkapelle, welcher der slowenische Humanist und spätere Fürstbischof Wiens, Georg von Slatkonia (1456-1522) vorstand, das erste weltliche Musikorchester von europäischem Rang, zugleich "eine der kostbarsten und lebendigsten Gaben des Humanismus" (c Witeschnik). - Damit schlug sozusagen bereits die Geburtsstunde der späteren Wiener Opernkunst, die sich später aus einem runden Dutzend Sängerknaben und einigen Musikern, die zunächst nur in der Burgkapelle musizierten, fortentwickelte. Die allerbesten Tonsetzer jener Zeit wirken daran mit - so der geniale Komponist Josquin des Prés (1436-1521), einer der ausgezeichneten Meister der niederländischen Schule, der in seinen Messen und Motetten zu vier und fünf Stimmen, Kanons, Psalmen usw. die Fertigkeit des Kontrapunkts zu einem ästhetischen Höhepunkt führt, und auch erst als Kapellmeister Maximilians I. stirbt; der Satzkünstler und Meister der Vokalpolyphonie Pierre de la Rue (1460-1518); Paul Hofhaimer als >Organistenmaister<, wie Maximilian ihn persönlich im Entwurf zu seinem Triumphzug nennt; der als >Lautenschlagermaister< bezeichnete Artusi (1540-1613); Heinrich Finck (1445-1527); Hans Judenkunig (ca. 1450-1526) sowie Erasmus Lapicida (†1547), die alle in kaiserlichen Diensten stehen. Der Flame Heinrich Isaac (1450-1517), bereits ein gewaltiger Kontrapunktiker, wird zum ersten Hofkomponisten und bekleidet damit die begehrte Musikmeisterstelle (symphonista regius). Später, als er Gesandter in Venedig wird, rückt sein Schüler, der >liederreiche< Ludwig Senfl (1485-1555), ein gebürtiger Niederländer, dessen Kunst Martin Luther vielfach belobte, zu seinem Nachfolger auf. Ähnlich wesentlich erweist sich das Auftreten des Kirchenkomponisten Johann Stadlmayer (1560-1648), der die Verbindung zum volkstümlichen Lied herzustellen sucht, denn von nun an beginnt die bisher vorwiegend dem kirchlichen Dienst verpflichtete Musik ihren Sprung auf die Bühne, indem sie sich mit der Wortkunst verbindet (3). Konrad Celtis (1459-1508), der erste deutsche Dichter, der über Protektion des Kurfürsten Friedrich von Sachsen schon durch Kaiser Friedrich III. zum >Poeta laureatus< gekrönt und mit dem Doktorhut ausgezeichnet wurde, gibt bereits regelmäßige Vorstellungen in der Wiener Hochschulaula.

      Anfangs noch klotzige antike Dramen, nähern sie sich in Umrissen rasch der Wiener Musikkomödie, der die Zukunft gehört. Die >Lizenza< (Verbeugung vor dem regierenden Haus), die volkstümlich-derbe Komik, Musik, Tanz, Chor sowie Einzelgesang sind bereits die kompletten Ingredienzien der späteren Wiener Barockoper. Die Leichtblütigkeit der Stadt macht sich besonders