Camillo Schaefer

Musik der Habsburger


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Feldpriester seiner Armee der radikale Karmeliterpater Dominicus a Jesu Maria († 1630) zur Seite steht, der auf den Kaiser entscheidenden Einfluss ausübt, soll sich aber verschiedenen Hinweisen zufolge schon 1625 einer ersten Opernaufführung am Wiener Hof erfreut haben, welche ihm anlässlich des Geburtstages von seiner Gemahlin Eleonore von Mantua (1598-1655) gewidmet wurde. Der Titel dieses >musikalischen Lustspiels< sowie die Namen der Autoren sind jedoch nicht erhalten geblieben. Laut anderen Quellen (wie Köchel) hat das allererste bekannt gewordene Opernereignis aber erst 1629 aus Anlass des so genannten >Beilagers< der Fürstin von Eggenburg mit dem böhmischen Hofkanzler Wilhelm Graf von Slawata, d. h. also im Zuge deren Hochzeitsfeierlichkeiten, stattgefunden. Die Hofzahlbücher errechneten für den Aufbau einer förmlichen >Theater-Pynnen< (Bühne) mit den erforderlichen Szenen und Dekorationen dazu aber lediglich den geringen Betrag von 150 fl. Auch ein Sänger (Falsett oder Kastrat) aus Genua, sowie fünf italienische Komödianten aus Mantua werden buchhalterisch genau erwähnt, wodurch zweifelsfrei feststeht, dass es sich um eine gesungene Vorstellung handelte. Merkwürdig scheint hierbei die in den Hofakten angeführte Mitwirkung des Kapellmeisters von Sankt Stephan, Christoph Strauß (1575-1631) und seiner Gruppe, woraus manche Musikhistoriker den naheliegenden Schluss gezogen haben, dass die Hofkapelle nicht imstande gewesen wäre, diese Vorstellung aufgrund der geringen Anzahl ihrer Instrumentalisten allein auszuführen. Sicher bleibt jedenfalls, dass allerdings schon 1624 in Prag zu Ehren des Kaiserpaares "eine kleine Pastoral-comödie mit sehr lieblichen und hell klingenden Stimmen, und Alles singend, mit eingeschlagenen Instrumenten und anmuthigen Saitenspillen, nach dem ordentlichen Musicaltact in toskanischer Sprach gehalten, da unter anderm dem Jovi die vier Element ihre Dienst präsentirt. Die Actores sind Manns- und Weibspersonen, hat gewähret bis neun Uhr in der Nacht" (12).

      Der musikbegeisterte Kaiser Ferdinand II. veranlasste seinen dritten Sohn Ferdinand, der nach dem Tod zweier älterer Brüder zum Thronfolger wurde, sich schon frühzeitig mit Musik zu beschäftigen, wobei dessen künstlerische Veranlagung den Bestrebungen des Vaters auch noch entgegenkam. Trotz der düsteren Zeit der Religionskriege wurde er ein fleißiger Tonsetzer; bei seinen eigenen Hochzeitssolennitäten mit Maria Anna von Spanien (1606-1646) fand 1631 auf dem inneren Burgplatz vor den Fenstern des Kaiserpaares eine groß angelegte >Comödi der Musici< statt, die ein glanzvoll ausgestatteter Triumphzug begleitete, dessen Wagen von Fabelwesen, Hirschen und Schimmeln gezogen wurden, die Neptun mit zwanzig gewaltigen Walfischen unter lieblichen Schalmeienklängen anführte, während Venus in einem Garten von Blumen und Springbrunnen den prächtigen Abschluss bildete. Eine der Haupteinlagen bildete jedoch ein so genanntes >Rossballett<, bei dem die tänzelnden Pferdereihen schließlich die Namenszüge des Herrscherpaares wiedergaben. In dem darauf folgenden Melodram >Allegrezze del Mondo< tanzte Erzherzogin Claudia (1604-1648) persönlich den Mond, und ihre Hofdamen stellten die Planeten dar. Ein großer Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten fand aber in dem großen Ballhaus statt, das bereits Kaiserin Eleonore ungefähr auf dem Platz der heutigen Redoutensäle errichten hatte lassen; am selben Ort wurde mit >Il Sidonio< (1633) von Urbano Giorgi auch die erste, uns überlieferte Oper uraufgeführt, die Ludovico Bartolaia vertont hatte. Auch das Textbuch davon ist erhalten geblieben - nicht weniger als achtzehn Solisten traten darin auf, fünf Chöre erhoben auf dem Prospekt ihre Stimmen, in einem allegorischen Schlussbild huldigte der Friede den beiden Majestäten, und Gott Pan tanzte, von Schäfern und Nymphen umgeben, dazu den einzigartigen Schlussreigen.

      In seinem viel beachteten Werk >Misurgia universalis<, das 1650 in Rom erschienen war, begrüßte der Jesuitenpater Athanasius Kircher die kompositorischen Leistungen Kaiser Ferdinands III. im ihm gewidmeten, viel zitierten >Dramma musicum< (1649), einer für die damalige Zeit insofern denkwürdigen Bühnenkomposition, als es eines der ersten Kunstwerke sei, welches im Stil der neu entstandenen italienischen Oper auf deutschem Boden geschaffen wurde (13). Die Urschrift ist noch in der Münchener Hofbibliothek erhalten. Nach Auffassung Köchels waren Ferdinands Werke den Kompositionen seines Sohnes Leopolds I. an "innerem Werte" sogar noch überlegen, wenngleich jener freilich der fruchtbarere Tonkünstler blieb.

      1653 wurde der berühmte Architekt und Bühnenmeister Giovanni Burnacini vom Kaiser beauftragt, in Regensburg ein provisorisches Theatergebäude mit dem gigantischen Kostenaufwand von 13. 568 fl. zu errichten, da der Herrscher auf die imperiale Repräsentation durch die Oper im Bereich der für den Reichstag angesetzten Festlichkeiten nicht verzichten mochte. Obwohl dieser erste Reichstag nach dem Westfälischen Frieden erst für den 10. Mai 1653 vorgesehen war, zog das kaiserliche Gefolge jedoch bereits am 12. Dezember 1652 (!) in Regensburg ein. Während Ferdinand allen Reichsfürsten hinsichtlich der Mitbringung ihrer Hofstaaten äußerste Beschränkungen auferlegt hatte, bestand sein eigenes Hofwesen aus nicht weniger als rund 3000 Köpfen, darunter 60 Musikanten, drei Hofnarren und sogar drei Zwergen - ein Einzug, mit dem der Kaiser wohl solcherart seine angestammten Rechte als Landesfürst in den Erbländern betonen wollte, nachdem er zur Absicherung des Friedens zuvor weitgehende Zugeständnisse an Frankreich, Schweden sowie an die Reichsfürsten selbst hatte machen müssen.

      Damit nicht genug, transportierten eigene Schiffe, die von Knechten und Pferden gezogen wurden, ein komplett zerlegtes Theater mit sämtlichen Kostümen, Requisiten und Dekorationen nach Regensburg, das dort zusammengebaut wurde, damit vor dem versammelten Reichstag die glanzvolle dreiaktige Oper >L'inganno d'amore<, als so genanntes >Dramma per musica con Balli<, nach einem Text von Benedetto Ferrari und der Musik von Ferdinands Hofkomponisten Antonio Bertali, mit allergrößter Prunkentfaltung aufgeführt werden konnte - das damit bemerkenswerteste Musikereignis des gesamten Reichtags überhaupt, für welches sämtliche nur verfügbaren Kräfte des Kaiserhauses aufgeboten worden waren. Unter Mithilfe seines Sohnes Ludovico brachte Vater Burnacini es nahezu mühelos fertig, in Regensburg ein sechzig Logen und zwei Galerien umfassendes Gebäude nach venezianischem Vorbild zu installieren - "Das Gantze Theatrum war von eitel Brettern aufgerichtet, in der Größe und Höch eines ziemlichen Kirchen-Gebäus", berichtet bewundernd ein Zeitgenosse. Es bot "etliche(n) tausend Personen umb zuzusehen einen bequemen Sitz und stund gleich neben dem Capuzziner-Closter".

      Der geniale Burnacini betreute aber nicht nur die Inszenierung, sondern hatte dafür auch noch das Bühnenbild sowie sämtliche Bühnenmaschinen entworfen; erhaltene Szenenansichten weisen aus, wie sehr auch der Sohn Ludovico Ottavio (1636-1707) in ebenso genialer Weise späterhin den Vorbildern seines Vaters folgte. Die Vorstellung ging im Februar 1653 vor den versammelten Fürstlichkeiten und ihrem Gefolge in Szene - der Theaterexperte Kindermann meinte, dass damit schon weit in die barocke Welt der sprechenden und mitspielenden Dekorationen vorgedrungen wurde. Angesichts des erstaunten Publikums veränderte sich wie von Geisterhand gleich achtfach die Bühne, ohne dass es dazu auch nur eines einzigen Vorhangs bedurft hätte, wobei Balletteinlagen und pompöse Aufzüge jeweils die glanzvollen Aktschlüsse bildeten. Nach dem Ende des Reichstags wurde das Holztheater wieder abgebrochen, per Schiff auf der Donau nach Wien gebracht und im hiesigen Arsenal aufbewahrt. Weil man unter Josef I. aber bereits zwei Theater - eines für die große Oper, das andere für die Commedia dell' arte-Aufführungen benötigte, baute man es hinterher auf dem >Thummelplatz< (heute Josefsplatz) vor der kaiserlichen Reitschule abermals auf.

      Von 1652 stammt das erste in Wien gedruckte, mit Kupferstichen versehene, erhaltene Textbuch >La Gara< (Der Wettstreit), einer Oper, die zur Geburt der Infantin Margarita von Spanien gegeben wurde; im Fasching desselben Jahres kam es außerdem zur Aufführung der Oper >Daphne<, die wiederum durch die raffinierten Bühnenmaschinerien Burnacinis beeindruckte - Merkurius segelte darin hurtig durch die Lüfte, zwölf Hofdamen schienen, "jedere aus einem Baum und also gleichsam aus der Erde" hervor zu wachsen. Abgesehen von derart verblüffenden, technischen Darbietungen, war die kaiserliche Hofkapelle zu dieser Zeit sicherlich bereits eines der bemerkenswertesten und führenden Orchester in ganz Europa geworden; neben den Instrumentalisten weisen die Rechnungsbücher schon ab 1637 auch mehrere eigene Kammersängerinnen aus. Namentlich bekannt geblieben sind Margareth Catanea, >Kammer-Musicin< mit 833 fl. für fünf Monate, Lucia Rubini mit monatlich 50 fl. , Maria Bertalin mit 30 fl., Katharina Straßoldin auf sechs Monate mit 570 fl., sowie drei Choristinnen, welche monatlich nur 8 bis 16 fl. verdienten.

      Noch während des Dreißigjährigen Krieges war zum Geburtstag der Kaiserin (1641) eine eigene Komposition Ferdinands III. mit dem Titel >Ariadne< aufgeführt