Mark Twain

Die Abenteuer des Huckleberry Finn


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Jim. Weiter! Hast du noch mehr spekliert

      »Ja! Huck, du kennen das einbeinerige Nigger, das dem alten Mista Bradish sein? Altes Nigger da gründen eine Bank un sagen, jeder Nigger, was einen Dollar bringt, kriegen vier am End von die Jahr. Alle Niggers laufen un bringen sein Geld, haben aber nur nix viel. Sein Jim der einzige, wo hat viel, so er wollen haben auch mehr als wie annre Niggers. Er sagen, wenn Jim kriegen nix mehr, er selber wollen halten Bank. Das einbeinerige Nigger wollen das nicht haben, sagen, es sein zu wenig Geld für zwei Banken, er wollen Jim geben fünfunddreißig Dollars for fünf am End' von die Jahr.

      Dumme Jim also geben fünf Dollars in die Bank. Denken dann, er gleich wollen anlegen die fünfunddreißig Dollars un nix warten auf die End von die Jahr. Eine annre Nigger, Bob, haben gefischt viele Holzstämme aus die Wasser, ganze Floß, ohne daß's seine Herr wissen. Jim kaufen also die Holz un sagen, Bob sollen sich lassen geben die fünfunddreißig Dollars, wo sein in Bank am End von die Jahr. In die Nacht aber werden die Holz gestohlen, und die annre Morgen sagen das einbeinerige Nigger, Bank sei falliert un so keiner nix kriegen Geld, Jim sein fünf Dollars sein weg!«

      »Und die zehn Cents, Jim, wo hast du sie hingebracht?«

      »Erst Jim wollen sich was kaufen mit. Da er träumen in die Nacht, er sollen geben die zehn Cents alte Nigger Balam – Balams Esel er heißen, weil er sein so viel dumm –, haben aber immer Glück, alte Balam, un arme Jim haben gar nix Glück! Sagen also Traum: Jim sollen geben Balam Geld un lassen Balam ihr anlegen, dann Jim werden haben auch Glück! Balam also nehmen zehn Cents, gehen in die Kirche un hören Pfarrer sagen: ›Wenn du geben die Armen, du leihen die Herrn un du werden kriegen hundertfach alles zurück!‹ Alte Balam also, er geben die zehn Cents annre arme, alte Nigger un sitzen un warten, was jetzt kommen!«

      »Nun, und was kam dann, Jim?«

      »Nie nix, Huck! Arme Jim sein Cents war auch noch weg. Du werden kriegen hundertfach, sagt'r Pfarrer. Hundertfach! Jim wollten sein so froh mit sein arme, kleine zehn Cents, wenn er's wieder hätten!«

      »Na, Jim, laß gut sein! So lang du noch die Haare auf deiner Brust und deinen Armen hast, wirst du ja noch reich werden!«

      »Warraftig! Un Jim sein schon reich jetzt! Jim sein doch sein eigen Herr! Hätten er nur die Geld, arme Jim, mehr er gar nix wollen!«

      1 Abolitionisten hießen die Gegner der Sklaverei vor dem Bürgerkrieg.

      9. Kapitel

      Die Höhle – Das schwimmende Haus – Reiche Beute

      Ich wollte nun noch einmal einen Ort aufsuchen, den ich bei meiner Expedition neulich entdeckt hatte, ungefähr in der Mitte der Insel. So machten wir uns auf die Beine und waren auch bald dort, denn die ganze Insel war nur ungefähr eine Stunde lang und eine halbe breit.

      Der Ort, an den ich hin wollte, war ein ziemlich steiles Felsenriff oder eine Art Hügel, gegen 40 Fuß hoch. Das Hinaufklettern ward uns schön sauer, denn der steile Abhang war voll dichten Buschwerks. Oben krabbelten wir ringsherum und entdeckten auf der Seite nach Illinois, ziemlich an der Spitze, eine schöne, große Höhle. Sie war so groß wie zwei oder drei Zimmer zusammen, und Jim konnte aufrecht drin stehen. Und so schön kühl war's da drinnen! Jim sagte, wir sollten gleich hier Quartiere aufschlagen, mir aber wollte das ewige Klettern nicht ganz passen.

      Jim aber meinte, wenn wir unser Boot versteckten und alle unsere Sachen hierher brächten, so könnten wir uns so schön verbergen, wenn einmal irgend jemand käme; ohne Hunde könnte uns dann kein Kuckuck finden. Und, sagt er nochmals eindringlich, die jungen Vögel von vorhin hätten doch Regen angezeigt, ob ich durchaus alles eingeweicht haben wollte!

      Das leuchtete mir ein! Wir trotteten also zurück und ruderten das Boot bis zu einem Platz am Ufer, der unserm Felsen möglichst nahe war, schifften unsre Habseligkeiten aus und verbargen sie in der Höhle. Dann fanden wir unter dichtem Weidengestrüpp ein Versteck für unser Boot, sahen nach der Fischleine, nahmen einige Fische weg, warfen die Leine wieder aus und dachten nun an unser Mittagbrot.

      Die Öffnung der Höhle war ziemlich groß, und an einer Seite war der Boden etwas erhöht, wo man bequem ein Feuer anzünden konnte, was wir denn auch gleich taten und unser Essen kochten.

      Unsere Decken legten wir als Teppiche auf den Boden, lagerten uns darauf und verzehrten unser Mahl. Alle andern Dinge ordneten wir im Hintergrund der Höhle. Bald danach sah man draußen wirklich graue, dicke Wolken, und es fing an zu blitzen und zu donnern; die jungen Vögel hatten diesmal also wahrhaftig recht gehabt! Ein solches Unwetter hatte ich noch nie erlebt. Das goss und goss; wahre Fluten sausten durch die Luft, daß alles draußen grauschwarz aussah und die nächsten Bäume nur noch wie Spinngewebe aussahen. Bei jedem Windstoß fuhren die Bäume mit den Kronen nach unten, als wollten sie Purzelbäume machen und zur Abwechslung einmal die Wurzeln in die Luft strecken; alles schien wie toll und losgelassen. Da – als es gerade noch am schwärzesten ist und am tollsten rast – wird auf einmal alles hell und klar, wie blankes Gold, daß man weit, weithin die Bäume herüber und hinüber schwanken sieht; im nächsten Moment ist wieder alles stockfinster, der Donner bricht mit einem furchtbaren Krach los und geht dann über in ein Gerumpel, als ob leere Fässer steile Treppen hinabgerollt würden, wo sie so recht stoßen und poltern und krachen können.

      »Das ist nett, Jim«, sag' ich, »Gott sei Dank, daß wir im Trocknen sind. Reich mir doch den Fisch noch mal her und ein ordentliches Stück Brot.«

      »Alte Jim aber sein schuld, daß du sein hier, Huck. Ohne alte Jim du wären naß un kalt un halber ertrinkt da drunten im Wald. Ja, ja, Kind, junge Hühner wissen, wann Regen kommt, un junge Vogel auch!«

      Der Strom stieg und stieg, zehn oder zwölf Tage lang, bis er zuletzt aus dem Ufer trat. Die Insel war an den niedrigen Stellen drei bis vier Fuß unter Wasser. Am Tag ruderten wir überall drauf umher. Es war herrlich kühl inmitten des Waldes, während die Sonne draußen stach und brannte.

      Der ganze Strom war wieder voll von Treibholz. Einmal fischten wir ein tüchtiges Stück von einem Holzfloß heraus, das aus neun dicken tannenen, fest zusammengezimmerten Bohlen bestand. Es war vielleicht zwölf Fuß breit und ungefähr fünfzehn bis sechzehn lang, ein starkes, solides Ding, das wir sogleich unter den Weiden versteckten, im Gedanken, daß es uns vielleicht noch einmal gute Dienste leisten könnte, was denn auch wirklich später der Fall war. In einer Nacht – tags wagten wir uns nicht heraus –, gerade ehe es zu dämmern anfing, sahen wir ein Haus, ein wirkliches Haus, aus Holz gezimmert, auf einem kurzen Floß dahertreiben. Wir natürlich drauflos, angelegt und zum untern Fenster hineingeguckt. Sehen konnten wir noch nichts, und so machten wir unser Boot fest und warteten geduldig, bis es tagen würde.

      Wir waren noch nicht an der Insel vorbei, als es hell genug wurde, um alles unterscheiden zu können. Wir guckten also ins Zimmer hinein, sahen ein Bett, einen Tisch, zwei alte Stühle und eine Menge Dinge überall umhergestreut. In der Ecke lag etwas, das wie ein Mensch aussah, sich aber nicht rührte.

      »Holla, ihr da!« ruft Jim. Es regt sich nichts. Nun schrei' ich – keine Antwort.

      Dann sagt Jim: »Der nix schlafen, der sein tot. Du bleiben hier, Huck, Jim sehen nach.«

      Er lief drauf zu, beugt sich über ihn, betrachtet ihn und sagt dann: »Der sein tote Mann! Ja, warraftig, un Kleider sein auch fort. Sein geschossen in den Rücken. Sein schon lange tot, vier Tag, fünf Tag. Komm rein. Huck, aber nix hinsehen, sein schauderhaft – puh!«

      Ich sah mich also nicht um. Jim warf dann ein paar alte Lumpen über die Leiche, hätte es aber nicht zu tun brauchen, mich zog's wahrlich nicht dahin. Alte schmutzige Karten lagen auf dem Boden herum, Schnapsflaschen dazwischen, auch zwei schwarze Tuchmasken, und die Wände waren mit dummen Sprüchlein und Bildern bemalt, die einer mit Kohle draufgeschmiert hatte. Ein paar schmutzige Kattun-Kleider, ein Frauenstrohhut und einige Unterröcke hingen an der Wand, auch Mannszeug war dabei. Auf dem Boden lag ein gestreifter Kinderstrohhut, unweit von einer zerbrochenen Milchflasche für einen Säugling. Ein alter Koffer, von dem die Scharniere losgerissen waren, lag offen da; es war nichts von Wert darin. Man sah, die