Jim kommen in die Nacht, wenn du sein gestorben!«
»Was? Schon so lange?« – »Ja, warraftig!«
»Und die ganze Zeit hast du nur von Beeren und solcher Zeug gelebt?«
»Nur solcher schlechte Zeug, arme Jim!«
»Ei, du mußt ja halb verhungert sein, armer Kerl!«
»Jim könnten essen ganze Pferd, könnten Jim, warraftig! Wie lang du sein auf Insel?«
»Seit der Nacht, in der ich getötet wurde!«
»Warraftig! Was du haben gessen? Ach, du haben Flint! Das 's gut! Jetzt du schießen gute Braten, Jim dann machen Feuer an!«
Nun gingen wir zuerst zum Boot, und während er einen guten Platz aussuchte zum Feueranmachen, holte ich Mehl, Speck, Kaffeetopf, Bratpfanne, Zucker und Blechtassen. Jim starrte nur so mit offenem Munde, als er die vielen Sachen sah, und dachte, es sei eine Hexerei im Spiel. Dann fing ich einen tüchtigen Fisch, Jim machte ihn zurecht und briet ihn.
Als das Frühstück fertig war, verschlangen wir's kochend heiß, namentlich Jim ging mit Dampfkraft ans Werk; er war wirklich ganz ausgehungert, der arme Bursche. Als wir uns gehörig gestopft hatten, legten wir uns bequem in das Gras hin, und Jim sagte: » Aber, Huck, gute liebe Huck, hör mal alte Jim. Wer denn sein worden tot gestochen in alte Hütte drüben?«
Ich erzählte ihm alles, und er fand's furchtbar klug und pfiffig. Er sagte, selbst Tom Sawyer hätte es nicht feiner fertigbringen können. Ich fühlte mich sehr stolz auf sein Lob hin und fragte dann: »Aber wie in der Welt kommst du hierher, Jim? Wie und warum?«
Er sah mich unruhig an, schwieg aber und sagte kein Wort. Dann meinte er: »Jim lieber nix sagen!«
»Warum, Jim?«
»Jim wissen warum! Du werden doch alte Jim nix verraten, Huck, werden doch nix?«
»Hol mich der und jener, wenn ich's tu', Jim!«
»Jim dir glauben, alte Jim dir glauben, Huck! Jim, – arme alte Jim sein davongelaufen!«
»Jim!!!«
»Huck, du Jim nix verraten, du versprechen, Huck – du nix sagen von arme Jim!«
»Gut, ich hab's versprochen, Jim, und ich halt' mein Wort, straf mich Gott, ich halt's! Und wenn sie mich drum verachten und tothauen und einen Ablitionisten1 schimpfen, das ist mir alles eins. Ich sag' nichts und ich geh' auch nicht wieder zurück, Jim, also heraus mit der Sprache!«
»Ja, Huck, sein da gewesen so! Alte Missus – was sein Miss Watson – hat arme Jim so viel geplagt, sein gewesen so viel bös mit arme, alte Jim, hat aber immer versprochen, will arme Jim nix verkaufen nach New Orleans. Aber da sein gekommen Nigger-Händler, haben viel gehandelt mit alte Missus, sein Jim geworden so arg unruhig. Eine Abend spät arme, alte Jim sein gelegen vor die Türe, haben hören alte Missus sagen zu die Witwe: ›Missus Douglas‹, sie sagen, ›ich nix wollen verkaufen meine Nigger, aber achthundert Dollar sein schöne Stück Geld, sein viele, viele Geld, ich nix wissen was tun!‹ Sagen die Witwe: ›Oh, nix verkaufen arme, alte Jim, sein gute Kerl, sein brave Nigger!‹ Jim das hören un warten da nix länger, rennen nur fort, fort, schnell, schnell!
Rennen weiter, immer weiter an die Fluß, wollen stehlen Boot an die Wasser, sehen Jim aber Leute, Leute und immer Leute, warraftig die ganze Nacht, immer müssen jemand da sein. Legen sich Jim in die Schilf zum Warten. Kommen schon um sechs Uhr in die Morgen viele Menge Herren und Damens, steigen in die Boot, sagen, Huck sein tot gemacht drüben in die Wald, wollen gehen und sehen die Mordplatz. Waren arme Jim so traurig, wenn er das hören, denken er: Arme Huck, waren so brave Bursch, so junge Bursch, so lustige Bursch! Arme Huck!
Arme, alte Jim müssen liegen also in die Schilf ganze Tag lang. Sein er furchtbar hungrig, aber gar nix ängstlich. Er wissen, alte Missus und die Witwe wollen gehen früh in die Morgen über Land in große Gebetsversammlerung. Jim müssen treiben die Vieh in die Feld, werden sie 'n also nix suchen jetzt.
In die Abend kriechen Jim also raus un gehen weiter, Fluß nunter. Denken er, was tun? Denken er, wenn Jim gehen zu Fuß, kriegen 'n die Hunde, wenn er stehlen Schiff, kriegen 'n die Menschen, er müssen haben Floß, Floß sein gut, lassen keine Spur hinter sich.
Er also sehen um sich – un sehen bald Licht schwimmen in die Wasser. Er denken, das sein Floß, springen in die Wasser un schwimmen bis weit, weit in die Mitt! Kommen auch warraftig Floß daher, und Jim, alte, arme, nasse Jim halten sich fest un setzen sich drauf ganz hinten. Er denken, Nacht sein schwarz, Jim sein auch schwarz, werden also nix gesehen, und legen er sich so auf die Rücken. Sein viele Männer vorn bei die Licht, spielen un lachen un trinken, un arme Jim denken, er können fahren so die ganze Nacht.
Haben aber kein Glück nix, arme Jim! Kaum sein die Floß hier an 'r Insel, kommen einer mit Latern auf Jim los. Arme Jim müssen wieder in kalte Wasser! Schwimmen so nach 'r Insel, müssen lang suchen, bis er können landen, sein Ufer so viel steil. Er gehen in die Wald, wollen nix mehr wissen von Floß, wo Mann mit Latern kommen. Haben aber doch noch sein' Pfeif und trockene Schwefelhölzer in sein Kapp, so er sein ganz zufrieden, alte Jim!«
»Und so hast du die ganze Zeit gar kein Fleisch und gar kein Brot zu essen gehabt, armer Jim? Hast dich natürlich immer nur im dicksten Wald versteckt halten müssen! Hast du gehört, wie sie die Kanone losfeuerten?«
»Warraftig ja, Jim denken: Arme, kleine Huck, jetzt sie suchen nach seine Knochen! Jim haben auch Boot gesehen durch die Busch!«
Jetzt kamen ein paar junge Vögel daher, sie flogen immer einige Meter weit und ließen sich dann nieder. Sagt Jim, das sei ein Zeichen von Regen, wenigstens bei jungen Hühnern sei es eines, dann werd's wohl auch so bei andern jungen Vögeln sein. Ich wollte mir ein paar fangen, Jim aber hielt mich zurück, das bedeute Tod, sagt er. Sein Vater sei einmal sehr krank gewesen, sagt er, und einer von ihnen habe einen Vogel gefangen, worauf die alte Großmutter gleich gesagt habe, nun werd' der Vater sterben, und richtig, so sei's gewesen, er sei gestorben, aber freilich erst etwas später.
Jim sagt auch, man dürfe die Sachen nie aufzählen, die man zum Mittagessen kocht, das bringe Unglück, ebenso wenn man das Tischtuch nach Sonnenuntergang ausschüttle. Und er sagt, wenn ein Mann stirbt, der einen Bienenstock hat, so muß man's den Bienen sagen, eh' die Sonne am nächsten Morgen aufgeht, oder sie hören alle auf zu arbeiten und sterben auch. Die Bienen stechen nie Dummköpfe, sagt Jim, das aber glaub' ich ihm nicht, denn oft und oft war ich hinter ihnen her, und sie haben mich noch nie gestochen, und ich halt' mich nicht gerade für einen Dummkopf.
Vieles hatte ich schon vorher gehört, aber doch nicht alles. Jim wußte alle Arten von Vorzeichen, sagte, er kenne beinahe alle. Mir schien's, als ob alle Vorzeichen immer nur Schlechtes bedeuten, und so fragte ich ihn, ob's nicht auch einige gäbe, die Glück brächten. Darauf meint' er: »Furchtbar wenig! – und die sein nix viel wert. Warum du denn wollen wissen, wenn Glück kommen? Du dich wollen schützen vor ihr? Glück sein mächtig stark, Glück kommen ganz von selbst ohne Zeichen. Wenn du haben Haar an die Brust un Haar auf die Arm, du werden noch reich einmal. Sein gutes Zeichen das! Wenn du sein arm und elend und wollen lieber gar nix mehr leben, du sehen auf die Haar und denken, warten mal noch bißchen, wird kommen besser – bald, bald!«
»Hast du haarige Brust und Arme, Jim?«
»Warum du fragen das? Du das nix selbst sehen? Jim haben Haare!«
»Drum eben! Bist du reich?«
»Nein, aber Jim sein gewesen so reich un Jim werden wieder reich einmal, bald! Einmal er haben vierzehn Dollars gehabt – vierzehn Dollars – aber Jim haben spekliert un alles – verloren!«
»In was hast du denn spekliert, Jim?«
»In 'r Kuh, Huck, in 'r lebendigen Kuh! Dumme, alte Jim, gehen hin und stecken zehn Dollars in alte, kranke Kuh, elend Vieh, was krepiert nach drei Tag!«
»Und die zehn Dollars, Jim, waren futsch?«
»Nein, nix ganz futsch! Nur neun! Jim gehen